Gesellschaft | Science festival

Was man mit Zahlen alles anstellen kann

Mathematik: das nervige Schulfach oder doch mehr? Ein Gespräch mit unibz-Professor und Mitorganisator des Wissenschaftsfestivals "science live", Andreas Hamel
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pixabay - greg montani
Foto: pixabay - greg montani
  • „Science Live. Get Curious!”. Am 6. Oktober hält die Freie Universität Bozen ein sogenanntes Wissenschafts-Festival. Ziel ist es, allen Interessierten zu zeigen, was in der Universität so gemacht wird. Wie es das Motto anspricht, will die Uni dabei, dass man neugierig wird – zu erleben gibt es nämlich einiges. Ob man sich einmal auf die Spur der Forscher*Innen und Professor*Innen begeben möchte oder ob man neue Entdeckungen und moderne Ideen aus erster Quelle erklärt haben will – für jeden findet sich beim Festival etwas. Alle fünf Fakultäten der Freien Universität Bozen sind beim Event mit insgesamt 29 Stationen vertreten. Eine dieser Stationen wird von Universitätsprofessor Andreas Hamel geführt. Hamel unterrichtet Mathematik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und ist Studiengangsleiter des Studiengangs „Economics and Management“. Was man bei seinem Stand erleben kann, wie man gegen die Angst vor dem Schulfach Mathematik vorgehen kann und inwiefern Mathematik mit Jonglieren zusammenhängt, erklärt Hamel im Gespräch.

    Salto.bz: Bei einer der Stationen des Wissenschaftsfestival „science live“ wird man auf Sie treffen. Was kann man dort erleben?

    Andreas Hamel: Mein Programm wird in zwei Teile aufgeteilt. Der erste Teil geht grob gesagt um Risiko-Modellierung. Das klingt kompliziert, aber eigentlich stelle ich nur die Frage, wie man Risiko über die Mathematik ausdrückt. Dafür mache ich ein paar Experimente. Besucher können sich also erwarten, viel mitzumachen. Es gibt keine Prüfung, sondern Fragestellungen, bei denen die Teilnehmer mit einbezogen werden und selbst Entscheidungen treffen können – nach dem Motto: „Was ist riskanter, dieses oder jenes?“.

  • Andreas Hamel, Mathematikprofessor an der Freien Universität Bozen und Verfechter der Theorie, dass Mathematik auch spielerisch gelehrt werden kann Foto: Unibz
  • Können Sie mir so eine Fragestellung präsentieren?

    Spielen wir es einmal durch: Stichwort Risiko – anfangs stelle ich meine Zuhörer vor eine Situation. Dabei geht es nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um eine persönliche Einstellung. Die hat jeder von uns und egal, wie ich antworte, jede Antwort kann richtig sein. Zum Beispiel: Ich habe eine Schachtel, in der die Zahlen von 1 bis 100 sind. Wenn Sie mit mir spielen, schenke ich Ihnen einen Euro. Dann ziehe ich eine Zahl aus der Schachtel. Ist die Zahl zwischen 1 und 99, dürfen Sie sich den Euro behalten. Ist die Zahl jedoch die 100, müssen Sie mir 100 Euro geben. Die Frage lautet nun: „Würden Sie das Spiel mit mir spielen?“ Einigen wäre das zu riskant, andere würden mitspielen. Jeder hat eine für sich selbst richtige Antwort. Und schon sind wir im Thema angekommen.

    Zu welchem Thema führt dieses Beispiel?

    Versicherungssysteme funktionieren, einfach erklärt, wie dieses Beispiel. Man zahlt ihnen ein wenig Geld dafür, dass sie für einen unwahrscheinlichen Fall eine große Summe bezahlen. Die Versicherungen müssen dann ihrerseits abwägen, wie viel wert ihnen gewisse Wahrscheinlichkeiten sind.

    Wie kommen Sie von solchen Fragestellungen zurück zur Mathematik?

    Indem ich einfache Fragen stelle, bekommen die Leute ein Gefühl für das Thema. Von dort aus ergänze ich die Diskussion mit Erklärungen, wie man Risiko mathematisch ausdrückt und inwiefern diese Mathematik in der Praxis angewandt wird. Schlussendlich ergibt sich daraus eine Art Modell, das jedoch auch ohne mathematisches Vorwissen verstanden werden kann. Es ist alles sehr intuitiv und ohne komplexe Gedankensprünge.

    Findet man das mathematisch errechnete Risiko häufig in der Praxis?

    Ja, Risikomodellierungen sind zurzeit ein ganz heißes Thema. Zum Beispiel im Banken- und Investment-Sektor: Dort gibt es neue mathematische Modelle, die erst 20 Jahre alt sind und vielfach angewandt werden. Mathematische Risikomodellierung wird heute häufig genutzt, etwa auch bei Regulierungsbehörden von Banken oder bei Versicherungen.

    „Alle können über das Wetter reden, auch wenn eigentlich niemand eine Ahnung davon hat. So sollte das bei allen Wissenschaften sein.“ – Andreas Hamel

    Wissenschaftsfestivals bringen Ausgebildete und Laien zusammen. Was halten Sie von solchen Events?

    Ich finde solche Events immer cool. Ich bin ein großer Fan davon, dass man abstrakte Themen, die man als Wissenschaftler behandelt, einfach ausdrücken kann und auch muss, damit jeder mitdiskutieren kann. Bei „science live“ werden alle in den Diskurs eingebaut, egal ob sie eine Ahnung haben oder nicht. Einfach darüber reden ohne Angst, ohne Barrieren, ohne das Gefühl, es sei zu kompliziert, zu abstrakt, zu schwierig. Dafür eignen sich Wissenschaftsfestivals perfekt, da muss man eben mit allen möglichen Leuten reden und kann sich nicht erwarten, dass da nur Experten sitzen, die bereits eh alles wissen. Ich mach das total gerne!

  • Mengen bilden, Algebra lösen, Hypothesen zeichnen - Mathematik ruft bei vielen unschöne Erinnerungen hoch Foto: Unibz
  • Viele kennen Mathematik nur als das unbeliebte Schulfach. Wieso ist das so?

    Ich glaube, dass viele Leute das Gefühl haben, dass Mathematik zu schwierig und komplex ist. Man muss immer alles richtig und genau machen. Nur ein Fehler und es werden einem sofort Punkte abgezogen, man wird bestraft und ist frustriert. Ein weiteres Problem ist, dass Mathematik in der Schule aufbauend gelehrt wird. Wenn ich einmal eine Einheit verpasst habe, hinke ich die ganze Zeit ein wenig hinterher. Das schafft neue Frustrationserlebnisse. Die Leute schleppen diese Frustrationen dann vor sich hin und die Mathematik entwickelt sich zum unbeliebten Schulfach. 

    Was kann man dagegen tun?

    Meine Herangehensweise ist eben, dass Mathematik – genau wie etwa Tanzen oder andere Aktivitäten – Spaß machen sollte. Man kann bei irgendeinem Thema anfangen und eigentlich immer schöne Sachen machen. Dies sollten Themen sein, die interessant und vielleicht auch ein bisschen anspruchsvoll sind, bei denen man knobeln und nachdenken kann und somit auf Erfolgserlebnisse und nicht auf Frustrationserlebnisse trifft. Diese Erfolgserlebnisse bringen einen dazu, weitermachen zu wollen. So sollte man meiner Meinung nach Mathematik unterrichten.

    „Mathematik kann einfacher sein, als man denkt, das möchte ich demonstrieren!“ – Andreas Hamel

    Beim ersten Teil Ihrer Station geht es also um das mathematische Modellieren von Risiko. Auf was trifft man beim zweiten Teil?

    Auch beim zweiten Teil geht es wieder darum, mathematisch zu modellieren. Diesmal dreht es sich um das Jonglieren.

  • Andreas Hamel ist neben der Mathematik auch ein Jonglierprofi. Das wird er beim Science Festival auch unter Beweis stellen Foto: Andreas Hamel
  • Jonglieren und Mathematik?

    Ja, Jonglieren, mit Bällen oder Keulen oder wie auch immer! Wie kann man das mit Mathematik zusammenbringen und was bringt einem das? Macht einen das kreativer, benutzen das professionelle Jongleure wirklich oder ist das einfach nur mathematische Spielerei?

    Hilft Mathematik tatsächlich beim Jonglieren oder ist es, wie Sie sagen, nur eine mathematische Spielerei?

    Es gibt tatsächlich eine Theorie, welche Jonglieren mathematisch erklärt. Auch diese ist wieder relativ jung, sie wurde vor etwa 50 Jahren von ein paar Jonglier-Freaks entwickelt. Die Theorie hat sich dann aber sehr schnell verbreitet, inzwischen kann fast jeder Jongleur mit diesen Zahlen arbeiten. Beispielsweise kann ich sagen: „Jongliere mit 5-3-1“, dann versteht der Jongleur sofort, was ich meine und wie viele Bälle es dazu braucht.

    Jonglieren Sie selbst?

    Ja, ich selbst jongliere schon seit 30 Jahren. Früher bin ich auch öffentlich aufgetreten, aber auch heute pflege ich noch mein Können. Somit kenne ich mich mit dem Thema umso besser aus. Auch hier geht es wieder darum, zu zeigen, dass Mathematik viel praktischer ist, als es viele vermuten. Mathematik ist nicht nur die theoretische Formel, sondern bringt oft einen Nutzen bei alltäglichen Lebenssituationen und Hobbys, wie eben dem Jonglieren. Zuschauer beim zweiten Teil meiner Vorstellung werden mich auch beim Jonglieren beobachten können, am Ende gibt es dann eine Feuershow im Innenhof.

    Ein Beitrag von Nathanael Peterlini.

  • Am 6. Oktober findet in Bozen das sogenannte „science live“-Wissenschaftsfestival statt, organisiert von der Freien Universität Bozen. Ziel ist es, allen Interessierten zu zeigen, was in der Universität so gemacht wird. Dabei findet sich für jeden was – egal ob jung oder alt, ausgebildet oder nur interessiert. Acht nach Forschungsprojekten aufgeteilte Bereiche werden beim Event vorgestellt. Insgesamt gibt es 29 Stationen, die auf das Erdgeschoss und den ersten Stock des Hauptgebäudes, das Fablab und die Smart Mini Factory aufgeteilt sind. Dabei sind alle fünf Fakultäten der unibz vertreten: Behandelt werden Themen wie soziale und wirtschaftliche Fragestellungen der Fakultät für Bildungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, kreative Projekte der Fakultät für Design und Künste und aktuelle Herausforderungen für die Fakultät für Ingenieurwesen und der Fakultät für Agrar-, Umwelt und Lebensmittelwissenschaften. Mitbringen muss man nur Neugier – Eintritt ist frei und steht allen offen!