Wirtschaft | Milchwirtschaft

Malser Lektionen

Südtirols Milchwirtschaft nimmt sich die Lehren aus der Apfelwirtschaft zu Herzen – und geht nun hart gegen die eigenen Turbo-Bauern vor.
Kühe
Foto: Tierschutzverband eV

Es waren Töne, die auch Umweltverbände aufhorchen ließen. „Die Südtiroler Landesregierung steht zu einer flächengebundenen Milchproduktion als Ausdruck von praktizierter Nachhaltigkeit und einer optimierten Kreislaufwirtschaft“, wurde vor einem Monat nach einem Treffen mit „gemeinsamer Standortbestimmung“ von VertreterInnen der Südtiroler Milchhöfe und des Sennereiverbandes mit Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler über das Landespresseamt verkündet. „Reines Wahlkampf-Blabla oder tut sich hier tatsächlich etwas“, fragten sich viele, die das lasen. Wie die derzeit laufenden außerordentlichen Mitgliederversammlungen von neun Südtiroler Milchhöfen zeigen, scheint tatsächlich zweiteres der Fall zu sein. Wenn auch bislang offiziell noch keiner darüber reden will. 

„Wir stellen das neue Konzept vor, sobald es alle Milchhöfe abgesegnet haben“, erklärte Sennereiverbands-Präsident Joachim Reinalter vor der heutigen Vollversammlung seines Verbandes. Nachdem allein die Bergmilch zehn Vollversammlungen abhalten muss, die noch nicht alle über die Bühne sind, und auch der Milchhof Toblach noch ausständig ist, kann der Sennereiverband die heutige Bilanz des vergangenen Milchjahres nicht zur Verkündung ihrer spannendsten Nachricht nutzen: einen Qualitätssprung in Sachen kleine Kreisläufe und Nachhaltigkeit. Oder, böser gesagt: eine Kriegserklärung an die schwarzen Schafe der Branche. „Ich muss sagen, dass uns auch die Diskussion rund um Mals klar gemacht hat, dass es an der Zeit ist, das wir uns selbst Regeln auferlegen“, lässt sich der Geschäftsführer des Branchenprimus Bergmilch Robert Zampieri vorab entlocken. „Es geht darum, 95 % der echten Bergbauern zu schützen und deren Existenz abzusichern – und zwar bevor uns die Gesellschaft oder die Politik einen Weg aufzwängen, der viel schmerzhafter für die Bauern ist.“ 

Was konkret er damit meint, soll in diesen Wochen in Statutenänderungen in einem außerordentlichen Teil der Vollversammlungen aller Milchhöfe festgeschrieben werden: ein Strafabzug für alle Milchbauern, die mehr anliefern, als es die gesetzliche Regelung zum Viehbesatz zulassen. Drei bis fünf Jahre Übergangsfrist räumen die einzelnen Milchhöfe ihren Mitgliedern noch ein, wird von den bisherigen Versammlungen berichtet. Danach wird für die überschüssige Milch empfindlich weniger oder bei manchen Milchhöfen so gut wie gar nichts mehr bezahlt, was einem Rausschmiss des Mitglieds gleichkommt. Eine „stille Revolution“ nennt das Wochenmagazin ff diesen Schritt in seiner aktuellen Ausgabe. Vor allem ist es aber eine unausweichliche Maßnahme, um den überdurchschnittlich hohen Preis der Südtiroler Milch zu halten – und sich nicht selbst die Basis zu zerstören, auf der er beruht. 

 „Es geht darum, 95 % der echten Bergbauern zu schützen und deren Existenz abzusichern – und zwar bevor uns die Gesellschaft oder die Politik einen Weg aufzwängt, der viel schmerzhafter für die Bauern ist.“ 

Nicht zuletzt die jüngste Heumilch-Offensive zeigt klar, wohin die Stoßrichtung geht. Eine naturnahe und ursprüngliche Produktion, keine Futterzukäufe von außen – nur mit einer solch extensiven Landwirtschaft können die schwierigen Produktionsbedingungen in Südtirols Tälern mit einem entsprechenden Mehrwert ausgeglichen werden, scheint man sich in den Führungsetagen der Milchhöfe einig zu sein. Selbstredend kann dieser geschlossene Kreislauf nur funktionieren, wenn das Verhältnis Tiere-Futterfläche passt. Den Rahmen dafür gibt seit vielen Jahren das Land mit Obergrenzen für den sogenannten Viehbesatz vor: Bis zu einer Höhe von 1250 Metern dürfen maximal 2,5 Großvieheinheiten (GVE) pro Hektar Futterfläche gehalten werden; in drei Stufen sinkt der maximale Viehbesatz auf 1,8 GVE auf über 1800 Metern. Fast alle Förderungen im Landwirtschaftsbereich sind mittlerweile an den Viehbesatz gekoppelt. Doch was machen, wenn ein Betrieb darauf pfeift, weil er mit 200 Kühen im Stall lieber auf Großunternehmer macht und sich das Futter aus der Poebene holt? 

Eine Frage, die sich vergangenes Jahr besonders dringlich stellte, als diese Praxis mit den Lobreden bei der Eröffnung der Biogasanlage Wipptal gewissermaßen geadelt wurde. „Aus Mist wird Gold“, frohlockten die Wipptaler Großbauern mit Rückendeckung des Alt-Landeshauptmannes. Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler dagegen warf schon damals die Frage auf, wohin Südtirols Milchwirtschaft will. Denn auch wenn man mit der überflüssigen Gülle nicht die Felder überdüngt und Gewässer belastet, sondern daraus Energie und Kunstdünger gewinnt – wie sind Großbauern, die den Viehbesatz für ihre Fläche um bis zum 20-fachen übertreffen, mit den Bildern auf Südtirols Milchpackungen und Werbeplakaten vereinbar? „Das ist eine Zeitbombe für unser Image“, hieß es damals am Rande des großen Eröffnungsfestes. 

Aktion Entschärfung

Die Entschärfung dieser Bombe wird in diesen Wochen auf den Vollversammlungen der Südtiroler Milchhöfe vorgenommen. Dem Vernehmen nach mit wenig, aber dafür umso heftigerem Gegenwind. Vor allem dort, wo sich die Großbauern – im Umkreis von Biogasanlagen – konzentrieren: dem Wipptaler und Pustertaler Talboden. Wer Investitionen in große Stallanlagen oder auch in eine Biogasanlage gemacht hat, kann Nachhaltigkeitsgeboten verständlicherweise wenig abgewinnen – vor allem, wenn ihm dadurch ein faktischer Rausschmiss aus dem eigenen Milchhof oder zumindest empfindliche Einnahmeverluste drohen. „Es wird gemunkelt, dass sich die Bauern zusammengetan haben und bereits einen Staranwalt beauftragt haben“, erzählt ein Mitglied. Besonders unter Druck könnte dabei naturgemäß der Sterzinger Milchhof kommen. Interviewanfragen lehnt man dort zwar bis zum Abschluss der landesweiten Statutenänderungen ebenfalls ab. Im eigenen Haus durchbekommen hat man sie aber bereits. Ob das neue Statut mit seinen Maßnahmen für eine flächengebundene Produktion letztendlich möglichen Klagen oder Rekursen Stand halten, wird sich erst zeigen. Für Verbitterung auf Seiten der Großen dürfte in Sterzing auch die Tatsache sorgen, dass man bei den eigenen Anlieferungen Kürzungen hinnehmen soll, während der Milchhof aus Tirol Milch ankauft. 

Doch ihr Widerstand scheint in diesem Fall auf eine geschlossene Front aus Politik, Verband und Milchhöfen zu stoßen. Denn, wie der Vertreter eines Milchhofes meint: „Hier riskieren einige wenige, die große Familie zu verunglimpfen. Und das können wir uns nicht leisten, wenn die Konsumenten von uns nachhaltig produzierte Lebensmittel erwarten." 

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Gunny K Di., 01.05.2018 - 15:49

Nun wenns ums Einkommen und die zukünftige Ausrichtung der Südtiroler Landwirtschaft geht hat man auch die Schneid den Grossbauern auf die Finger zu schauen. Gut so, dann hat der Konsument auch eher eine Einsicht in die Herstellung der Produkte und kann bei seinen Einkäufen wirtschaftsnah bleiben

Di., 01.05.2018 - 15:49 Permalink
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Martin B. Di., 01.05.2018 - 23:50

Die gute und richtige Beschränkung auf lokale und nachhaltige Viehhaltung (siehe Heumilch, Alpenkühe usw. auf den Verpackungen) hat meiner Meinung nach wenig mit der Äpfelanlagen-Situation in Mals zu tun.

Di., 01.05.2018 - 23:50 Permalink