Politik | Online-Beteiligung

Mit CONSUL zur digitalen Demokratie

„Consul ist das vollständigste Bürgerbeteiligungsinstrument für eine offene, transparente und demokratische Regierung“, heißt es zur Begrüßung. Was kann diese Plattform?
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CONSUL
Foto: http://consulproject.org/en/

In Zeiten der Pandemie sind notgedrungen nicht nur Grund- und Bürgerrechte, sondern auch demokratische Grundrechte (Versammlungsfreiheit, Mitsprache der Parlamente usw.) eingeschränkt und Wahlen verschoben worden. Während die Mitbestimmung leidet, hat sich der soziale Kontakt und politische Austausch in den digitalen Raum verlagert. Online-Beteiligung gab es schon vorher, sie hat durch die Quarantäne-Erfahrung aber einen neuen Schub erfahren.

Das beste Beispiel wie nicht nur Kommunikation, sondern auch Demokratie digital laufen und die entsprechenden Tools breitenwirksam eingesetzt werden können, ist die Demokratie-Software CONSUL: die umfassendste Open-Source-Bürgerbeteiligungsplattform weltweit ist heute in 35 Ländern etabliert. 135 Institutionen und rund 90 Millionen Menschen können CONSUL im Alltag nutzen. Entstanden ist CONSUL aus der Protestbewegung gegen die Finanzkrise 2011/12 in Spanien. Protest-Nerds arbeiteten die Software aus und die in die Kommunalverwaltungen gewählten Podemos-Vertreter führten sie in den Gemeinden ein, wie z.B. in Madrid und Barcelona. Von dort hat sich CONSUL über Spanien nach Lateinamerika, nach Paris und New York ausgebreitet. In Italien ist bisher nur die Gemeinde Turin dabei, In Deutschland läuft das „Leuchtturmprojekt“ München.

Dementsprechend wächst die Zahl der Nutzer. Neben der kostenlosen Verfügbarkeit und der großen Nutzerzahl liegt dies hauptsächlich an der Anpassungsfähigkeit der Plattform, die wie ein Baukasten aufgebaut ist. Sie ermöglicht Debatten, Bürgervorschläge, Debatten. Die Module können mit wenigen Klicks je nach Bedarf aktiviert werden. Madrid z.B. nutzt alle verfügbaren Instrumente inklusive Abstimmungen (online und offline).

Was bietet CONSUL? In der heutigen Version stehen fünf wesentliche Anwendungen der digitalen Bürgerbeteiligung zur Verfügung:

1. Ein Debattenforum für Diskussion und Austausch zwischen den Bürgerinnen, zwischen Bürgern und Politikern.

2. Ein Bereich zum Einbringen von Vorschlägen und Petitionen, die wiederum diskutiert, bewertet und mitgetragen werden können (einen Variante von E-Petitionen, die in Südtirol weder Gemeinden noch der Landtag eingerichtet haben).

3. Abstimmungen: das funktioniert technisch einwandfrei, wie vor kurzem beim digitalen Parteitag der CSU vorgeführt. Es stellt sich aber die Frage der rechtlichen Verbindlichkeit. Bei ausreichender Beteiligung kann eine Abstimmung politisch akzeptiert werden, ansonsten müssen digitale und analoge Abstimmungen kombiniert werden wie derzeit in Madrid.

4. Gesetzgebungsverfahren: Kommunen haben je nach Land verschiedene Zuständigkeiten. Wichtig wäre in dieser Hinsicht die digitale Abwicklung des Vernehmlassungsverfahrens wie in der Schweiz, nämlich die Stellungnahmen der interessierten Verbände, NROs und Bürger.

5. Bürgerhaushalte: über 300 Kommunen in Europa praktizieren einen BHH, aber die meisten nutzen online-Tools nur zur Unterstützung.

Auch Expertenhearings und Umfragen sind möglich. Beteiligungswillige Kommunen müssen nicht alle 5 Bereiche nutzen, sondern können nach Belieben wählen. Um CONSUL mit Erfolg einzusetzen, müssen drei Faktoren passen: zuerst muss die Politik verbindlich zusichern, die Ergebnisse des Verfahrens aufzunehmen. Gäbe es keine solche Reaktion der Politik, würden zu wenig Bürger auf die Plattform kommen. Dann muss CONSUL von den Bürgern genutzt werden und dafür muss es aktiv beworben werden. Die Politik selbst hat schließlich einen Vorteil, denn eine derartige Plattform wirkt wie ein Seismograph der Gesellschaft. Die Chance, mit einem kostenlosen Open-Source-Tool die Demokratie vor der eigenen Haustür zu stärken, sollte man sich auch in Südtirol nicht entgehen lassen. Eine Chance weit über die Corona-Krise hinaus.