Gesellschaft | Bozen

Alles zu seiner Zeit

Als “biblisch” und “unmenschlich” bezeichnen Betroffene die Wartezeiten in der Ersten Hilfe am Krankenhaus Bozen. Der Bürgermeister interveniert, nicht zur Freude aller.

Im landesweiten Durchschnitt stehen Südtirols Krankenhäuser was die Wartezeiten in der Ersten Hilfe betrifft gut dar. Im Vergleich zu anderen italienischen Regionen werden mehr Patienten in kürzerer Zeit behandelt, so das Ergebnis der “Bersaglio”-Studie, die vergangene Woche vorgestellt wurde.

Die Dringlichkeit der Behandlung der Patienten, die sich an die Erste Hilfe wenden, wird vom Krankenhauspersonal bei ihrem Eintreffen vor Ort bestimmt. Jedem Fall wird ein farblicher Dringlichkeitskodex (Triage-Code) zugewiesen: Rot – Gelb – Grün – Weiß.

Daraus geht hervor, dass 77,4 Prozent der Patienten mit gelbem Triage-Code im Durschnitt weniger als 30 Minuten warten müssen bis sie eine Behandlung bekommen. 86,8 Prozent der Patienten mit grünem Triage-Code werden innerhalb einer Stunde versorgt, innerhalb vier Stunden sind 91,6 Prozent der grünen Fälle ohne Einweisung behandelt. Soweit der landesweite Durchschnitt. Doch sieht man sich die einzelnen Krankenhäuser und ihre Erste-Hilfe-Dienste genauer an, stellt man fest, dass es bisweilen zu unzumutbar langen Wartezeiten kommt.


Vor Ort statt ins Krankenhaus

Während der Präsentation der “Bersaglio”-Studie vergangenen Donnerstag die alarmierenden Worte einer Freiwilligen, die sich im Krankenhaus Bozen um ältere Patienten kümmert: “Letzthin habe ich festgestellt, dass Patienten, die über die Erste Hilfe hätten in die Geriatrie eingewiesen werden sollen, bis zu acht Stunden und länger gewartet haben.” Rund 260 Patienten hat die Erste Hilfe in Bozen täglich zu versorgen, und es werden immer mehr. “Um die Anzahl zu verringern muss die Versorgung vor Ort gestärkt werden”, sagte Sabina Nuti am Donnerstag. Die Verantwortliche des Instituts für Management und Gesundheit der Fachhochschule Sant’Anna in Pisa hatte an der “Bersaglio”-Studie mitgearbeitet und war von Gesundheitslandesrätin Martha Stocker gebeten worden, auf die Kritik der Freiwilligen einzugehen.

Die Potenzierung der medizinischen Versorgung vor Ort, sprich der Gesundheitssprengel und der Hausärzte, ist das Credo der Sanitätsreform und einer der Grundpfeiler des Landesgesundheitsplans, der am vorigen Dienstag von der Landesregierung gutgeheißen wurde. “Das Gesundheitssystem muss in den kommenden Jahren effizienter werden”, beschwörte Landesrätin Stocker am Donnerstag erneut.


Von “biblisch” bis “unmenschlich”

Während auch die Ärzte-Gewerkschaft Anaao von “biblischen Wartezeiten” in der Bozner Ersten Hilfe spricht, hat sich inzwischen der Bozner Bürgermeister eingeschalten. Renzo Caramaschi hat an der eigenen Haut erfahren, wie es auf der Ersten-Hilfe-Station zugeht. Der Bürgermeister hofft zwar auf die rasche Umsetzung des Landesgesundheitsplans, fordert aber auch mehr Ärzte für das Bozner Krankenhaus (“Evidentemente manca anche personale. Non sono un tecnico della sanità, questo non è il mio mestiere, ma chiedo più rispetto ed attenzione per la città capoluogo perchè è evidente che così non va”) und speziell für die Erste Hilfe. Kritisiert wird er für seine Intervention nicht nur von Antonio Frena, seines Zeichens Arzt am Bozner Krankenhaus und Ex-Sekretär des lokalen PD:

Beim Südtiroler Sanitätsbetrieb kennt man die Zustände in der Bozner Ersten Hilfe nicht erst seit gestern. Und ist auch nicht erst seit gestern dabei, Lösungen zu finden. Etwa über zusätzliches Personal oder Appelle an die Bevölkerung, die Erste Hilfe nur in wirklichen Notfällen aufzusuchen, wofür sie schließlich da ist. Entsprechend die Reaktion von Generaldirektor Thomas Schael, der Caramaschi vorwirft, die Bevölkerung zu verunsichern. Bereits am morgigen Dienstag, 28. Juni, werden sich die beiden treffen.

Von anderer Seit schlägt Caramaschi ein weniger rauer Wind entgegen. Auf Facebook dankt Stefano Mascheroni, Präsident des “Tribunale per i diritti del malato” und Pfleger an der Bozner Geriatrie dem Bürgermeister für sein Interesse am Bozner Krankenhaus und den “unmenschlichen Wartezeiten” für ältere Patienten. Caramaschi habe damit in einer Sache, in der schon lange nichts weitergehe, wieder aufgerüttelt.