Kultur | Sammeln in Museen

Modernes museales Sammeln

Neben dem Bewahren, Ausstellen und Vermitteln gehört das Sammeln zu den Grundaufgaben eines Museums. Ein Museum ohne Sammlung ist kein Museum. Doch was, wie und warum sammeln moderne Museen? Und wie hat sich das museale Sammeln im Laufe der Zeit verändert?
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Blick in das Depot der Sammlung des LMB.
Foto: Depot Landesmuseum Bergbau
  • Viele kennen es und manche betreiben es auch aktiv: das Sammeln, beispielsweise von Briefmarken oder Münzen, Porzellan oder Comichefte. Mit Begeisterung werden oft umfangreiche Sammlungen von kostbaren und seltenen, aber auch kuriosen oder denkwürdigen Dingen zusammengetragen, geordnet und aufbewahrt.

    Auch Museen sammeln. Je nach Thema und Ausrichtung eines Museums können diese Sammlungen ganz unterschiedlich sein. Naturwissenschaftliche Museen sammeln Pflanzen, Tiere und Gesteine, kulturgeschichtliche Museen sammeln historische Objekte, Alltags- und Gebrauchsgegenstände oder besonders herausragende Nachlässe bekannter Persönlichkeiten. Kunsthistorische Museen sammeln Kunstwerke und technische Museen eben Zeugnisse der technischen Entwicklung. Sammlungen von Museen sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Museen selbst.

  • Am Anfang war die Wunderkammer

    Personen aus der Oberschicht, Adelige, Kirchenmänner und reiche Patrizier, legten schon vor Jahrhunderten erste Sammlungen in Form von Kuriositätenkabinetten und Wunderkammern an. In diese wurde alles aufgenommen, was vermeintlich oder tatsächlich selten und kostbar war: Manuskripte, alte Bücher und seltene Drucke, Münzen und Medaillen, ansprechende Mineralien und Erze, Bilder und antike Statuen, exotische Tiere und Pflanzen, Edelsteine und Erzeugnisse des Kunsthandwerks. Das Ziel solcher Sammlungen war ein besseres Verständnis von Umwelt und Gesellschaft über das Objekt aber auch Repräsentation und Prestige. Die Motivation für die Anlage solcher Sammlungen war oft gelehrtes Interesse und die Freude an Besonderheiten aus Natur, Kultur und Geschichte.

    Ein bekanntes Beispiel eines solchen Kuriositätenkabinetts ist die Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595) auf Schloss Ambras bei Innsbruck. Einer der bekanntesten Sammler war Kaiser Rudolf II. (1552–1612), der eine der größten und vielfältigsten Sammlungen seiner Zeit anlegte. Insbesondere seine legendäre Kunstsammlung wurde zu einem Grundstock des heutigen Kunsthistorischen Museums in Wien.

    Tatsächlich gehen die Sammlung vieler größerer und kleinerer Museen auf die private Sammeltätigkeit von Mäzenen und Stiftern zurück. Trotzdem hat sich das museale Sammeln im Laufe der Zeit stark gewandelt.

  • Das Tödlein (von Hans Leinberger, um 1520) aus der Sammlung Erzherzog Ferdinands II. in der heutigen Präsentation der Kunst- und Wunderkammer von Schloss Ambras Innsbruck. Foto: Schloss Ambras Innsbruck
  • Vom Objekt zur Information

    Mit den Aufgaben der Museen haben sich auch Zweck und Art des Sammelns gewandelt und weiterentwickelt. Sammlungen bilden heute die Grundlage für Forschung, Ausstellungstätigkeit und Vermittlung an den Museen. Im Vordergrund stehen vielfach nicht mehr nur Ästhetik und Seltenheit eines Objektes, sondern vielfach die Informationen und Geschichten, die mit einem Objekt zusammenhängen. Entscheidend sind dabei Informationen über Herkunft, Besitzergeschichte und Überlieferung eines Objektes. Der Museumsfachmann spricht deshalb von Objektgeschichte.

    Dabei kann beispielsweise ein simples Alltagsobjekt zum Museumshighlight werden, wenn Kontext und Überlieferung ausreichend dokumentierbar sind. Das handschriftliche Bewerbungsschreiben eines Bergarbeiters kann beispielweise für ein Bergbaumuseum zum begehrten Objekt werden, wenn sich Absender und Empfänger in den richtigen Zusammenhang stellen lassen. Der Urlaubsschnappschuss vor fünfzig Jahren wird zum Zeitdokument, wenn beispielsweise im Hintergrund ein längst verschwundenes Baudenkmal zu sehen ist. Die Samen und Blätter eine Pflanze werden wissenschaftlich wertvoll, wenn der genaue Ort und die Umstände ihrer Entnahme aus der Natur bekannt sind.

    Die Relevanz solcher Objekte zu erkennen ist eine der Aufgaben von Museumskurator:innen. Ihr Fachwissen und ihre Erfahrung unterscheiden Banales von Besonderem und Ramsch von wertvollen Museumsobjekten. Ihnen obliegt es Informationen zu den Objekten zu sammeln, zu ordnen und den nächsten Generationen weiterzugeben. Die Objekte öffentlicher Museen stehen in der Regel der Allgemeinheit in Form von Ausstellungen und für Forschungsvorhaben zur Verfügung.

  • Das Objekt mit Inventarnummer BM0796 in der Sammlung des Landesmuseums Bergbau ist ein Filmprojektor, der in den 1960er Jahren in St. Martin am Schneeberg genutzt wurde. Don Italo Tonidandel hatte den Projektor dort in einem "Kino" für die Bergknappen, die am Schneeberg wohnten und in den Stollen arbeiteten, installiert. Vorführungen von hauptsächlich italienischen Filmen, allen voran "Don Camillo und Peppone", brachten ein wenig Unterhaltung und Zerstreuung in die Freizeit der Bergleute. Foto: Landesmuseum Bergbau
  • Objektforschung

    Tatsächlich umfassen die Sammlungen vieler Museen aber auch Objekte, deren Geschichte und Kontext nicht ausreichend überliefert und dokumentiert worden ist. Frühere Generationen von Museumsfachleuten haben die Geschichte zu den Objekten entweder nicht erfasst oder die Informationen sind inzwischen verlorengegangen. Die Kuratorinnen und Kuratoren von Sammlungen müssen deshalb in oft mühevoller Kleinarbeit diese Informationen rekonstruieren: durch Befragungen von Zeitzeugen, Vergleichen in anderen Sammlungen oder der Recherche in Archiven. Oft genug sind die zu einem Objekt gehörenden Informationen aber unwiederbringlich verloren gegangen. Dann hat das Objekt viel von seinem musealen Wert eingebüßt.

    Einen eigenen Bereich der modernen musealen Forschung bildet die Provenienzforschung. In früheren Zeiten gelangten oftmals Objekte in museale Sammlungen, deren Erwerbungsumstände heute moralisch und juristisch nicht mehr vertretbar sind. Raub- und Beutekunst aus kolonialen oder autokratisch-diktatorischen Kontexten sind dabei bekannte Erscheinungsformen für problembeladene Provenienzen. Solche zu erkennen und zu dokumentieren, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Kuratorinnen und Kuratoren an einem Museum.

  • Und wenn es zu viel wird?

    Der Auf- und Ausbau einer modernen Museumssammlung, die Sammlungspflege und Objektforschung, verschlingt Ressourcen – räumliche, finanzielle und personelle. Deswegen stellen sich die Verantwortlichen von Museen natürlich die Frage, wann eine museale Sammlung nicht mehr wachsen kann und vielleicht sogar schrumpfen muss. International ist das für Museen ein Thema, auch wenn die Situation in Italien durchaus eine eigne ist.

    Hierzulande definiert der Codice dei beni culturali e del paesaggio die Sammlungen von staatlichen und anderen öffentlichen Museen als unveräußerliches Kulturgut. Das bedeutet, dass alles, was einmal Aufnahme in eine Sammlung eines öffentlichen Museums gefunden hat, nicht mehr aus dieser Sammlung ausgeschieden werden darf. Ganz anders wird dieses Thema beispielsweise in Deutschland gesehen. Der Deutsche Museumsbund beispielsweise hat Richtlinien für ein geordnetes Entsammeln erstellt. Demnach dürfen auch Museumsobjekte, wo dies sinnvoll erscheint, aus den Sammlungen ausgeschieden werden.

    Kaum etwas ist den meisten Museumskuratorinnen und -kuratoren so ans Herz gewachsen wie ihre Sammlungen, für die sie sich verantwortlich fühlen. Museumsobjekte und die in ihnen gespeicherten Informationen sind Teil der Identität eines Landes und seiner Bevölkerung. Daher erfüllen moderne Museen mit ihren Sammlungen eine sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe.

     

    Armin Torggler, Landesmuseum Bergbau