Klima-Bürgerrat löst drei Referenden aus
Präsident Macron hatte den Klima-Bürgerrat (Convention Citoyenne pour le Climat) 2019 nach Protesten u.a. gegen die von ihm geplante CO2-Steuer einberufen. Die 150 Teilnehmer waren zufällig aus allen Regionen Frankreichs ausgelost worden. Die Mitglieder spiegelten hinsichtlich Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Migrationshintergrund die Gesamtbevölkerung wider. Von Oktober 2019 bis Juni 2020 trafen sich die 150 Ausgelosten an sieben Wochenenden, unterstützt von Fachleuten unterstützt. Beim letzten Treffen vom 19. - 21. Juni 2020 beschloss der Klima-Bürgerrat 149 Empfehlungen. Dieses 500-seitige Bürgergutachten umfasst weitreichende Vorschläge für Wirtschaft, Verkehr, Wohnen, Handel und weitere Bereiche, womit der CO2-Ausstoß Frankreichs bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden soll. Schon eine Art Blaupause für ähnliche Programme in anderen Ländern.
Für nachhaltige Mobilität
Mehrere andere Maßnahmen sollen die private Nutzung von Autos verringern. Hierzu gehören Tempolimits auf Autobahnen von 130 auf 110 km/h und die Förderung nachhaltiger Mobilität wie ein ökologisches Bonus-Malus-System für Autos. Weiterhin sollen Beihilfen für ein langfristiges Leasing und zinslose Darlehen für den Kauf sauberer Fahrzeuge ausgebaut werden. Ab 2025 soll der Verkauf von Neufahrzeugen mit hohen Emissionen verboten und die umweltschädlichsten Fahrzeuge aus den Stadtzentren verbannt werden. Generell soll möglichst viel Verkehr von der Straße auf Schiene und Wasser verlegt werden. Auf allen Ebenen sollen zufällig geloste Bürgerräte Einfluss auf Verkehrsplanungen nehmen. Der neuer Flughäfen und Ausbau bestehender Flughäfen soll verboten werden wie Inlandsflüge, wenn es hierzu Alternativen gibt. Auf Kerosin soll eine Steuer erhoben werden.
Gebäudesanierung und Landschaftsschutz
Im Bereich Wohnen sollen alle Gebäude bis 2040 energetisch saniert werden. Die Versiegelung von Böden und die Zersiedelung von Landschaften soll eingedämmt werden. Unternehmen sollen CO2-Bilanzen erstellen müssen. Die Reparatur von in Frankreich verkauften und hergestellten Produkten soll ebenso obligatorisch werden wie das Recycling aller Kunststoffgegenstände ab 2023. Der Klima-Bürgerrat empfiehlt die Neuverhandlung des Handelsabkommens CETA. Für Handelsabkommen sollen als Maßstäbe in Zukunft gelten, dass das Vorsorgeprinzip und das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Die Nichteinhaltung soll mit Sanktionen bestraft werden können.
Regulierung von Werbung
Auch gegen den „Überkonsum“ hat sich der Bürgerrat etwas einfallen lassen. Werbetafeln in öffentlichen Räumen und die Werbung für Produkte mit einem hohen CO2-Fußabdruck - wie etwa große SUVs – sollen verboten werden. Stark verarbeitete Lebensmittel und der Einsatz von Stickstoffdünger soll besteuert werden, um den Pestizideinsatz bis 2030 zu halbieren. Die gefährlichsten Pestizide sollen bis 2035 verboten werden, genmanipuliertes Saatgut sofort.
„Ökozid“ als Verbrechen
Der Bürgerrat fordert auch den "Ökozid" als Verbrechen ins französische Strafrecht einzufügen. Ökozid bedeutet die Zerstörung der Umwelt durch Umweltverschmutzung im hohen Maß und die Ausrottung eines Volkes in Folge der ökologischen Zerstörung seiner natürlichen Lebensgrundlagen. Dies war bisher rechtlich nicht als Verbrechen gegen die Umwelt angreifbar. Der französische Klima-Bürgerrrat empfiehlt auch, den Erhalt der biologischen Vielfalt, der Umwelt und des Kampfes gegen den Klimawandel als Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen. Die Präambel soll um die Formulierung ergänzt werden, dass die Anwendung der in der Verfassung verankerten Rechte, Freiheiten und Prinzipien den Erhalt der Umwelt nicht gefährden dürfen.
Drei Referenden
Wie Präsident Macron in seiner Reaktion auf die Ergebnisse des Bürgerrats angekündigt hat, soll über die Ökozid-Frage sowie die Verfassungsänderungen eine Volksabstimmung abgehalten werden. Diese Art von Bürgerrat ist Modell für eine Volksinitiative, die die Südtiroler „Initiative für mehr Demokratie“ zum selben Thema für Südtirol anstrebt.