„Das ist absoluter Blödsinn!“
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salto.bz: Frau Deeg, Sie gelten als Arbeitnehmerin innerhalb der SVP – Ihnen wird allerdings vorgeworfen, dass die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu kurz gekommen sind.
Waltraud Deeg: Das ist absoluter Blödsinn! Wie ich bereits meinen Schüler*innen als Lehrbeauftragte erklärt habe, ist der Landeshaushalt ein in Zahlen gegossenes Regierungsprogramm. Wir geben 23 Prozent für das öffentliche Gesundheitssystem, 16 Prozent für Kinder von 3 bis 18 Jahren vorwiegend für Personalkosten aus, dann folgen die Gemeindefinanzierung, das Soziale und die Familie mit zehn Prozent und die Mobilität. Das sind die großen Positionen im Landeshaushalt, die allen Menschen im Land zugutekommen. Das ist das Ergebnis jahrzehntelanger sehr guter Arbeitnehmerpolitik.
Vielleicht ist es zu wenig.
Bei dem Thema Gehälter stimme ich sofort zu. Wir als Arbeitnehmer*innen der SVP sind die Ersten, die gesagt haben, dass die Gehälter angesichts der Inflation steigen müssen. Wir sind aber nur ein kleiner Teil in dieser Partei. Wir sind nicht zu schwach, wir sind vielleicht zu kompromissbereit in vielen Dingen. Wir müssen lauter werden und unsere Kommunikation verstärken. Ich hoffe, dass bei den anstehenden Wahlen ein Landtag mit vielen Arbeitnehmer*innen gebildet werden kann. Denn derzeit gibt es quer durch die Parteien nur wenige Arbeitnehmer*innen, auch bei der Opposition. Beim Team K beispielsweise ist es nur Maria Elisabeth Rieder. Es braucht also eine stärkere Vertretung bei den insgesamt 35 Abgeordneten im Landtag.
Wenn man mehr Vertreter*innen hat, dann hat man mehr Gewicht – das ist klar.
Was sind die Themen der Arbeitnehmerschaft?
Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, etwa die Pflegesicherung unter Landesrat Richard Theiner und nun die Neuaufstellung des Wohnbauinstituts. Arbeitnehmer*innen vertreten immer Themen und weniger Lobbys. Zudem ist die Arbeitnehmerschaft sehr differenziert, der Geschäftsführer einer großen Aktiengesellschaft ist genauso Arbeitnehmer wie der so wichtige Bauarbeiter. Zwischen dem Einen und dem Anderen unterscheiden sich die Herausforderungen. Bei der Inflation trifft es am Ende die Arbeitnehmer*innen mit Niedriglohn noch viel stärker.
Wie sieht es beim Thema Wohnen aus?
Wir haben als Arbeitnehmerschaft der SVP ein Zwölf-Punkte-Programm zum leistbaren Wohnen vorgelegt. Wir fordern die Stärkung des öffentlichen Wohnbaus und die Anpassung der Beiträge des geförderten Wohnbaus an die Preisentwicklung der letzten 20 Jahre. Wir müssen mehr geschützten Wohnraum für Ansässige ausweisen und die Airbnb-Vermietung besser regeln. In Bozen werden ganze Kondominien gekündigt, um über Airbnb zu vermieten. Laut Eurac-Studie ist dieses Problem im Burggrafenamt und in Bozen explodiert.
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Gleichzeitig ist die Gemeindeimmobiliensteuer bei der Privatzimmervermietung wie Airbnb niedriger als bei langfristigen Mietverträgen an Ansässige.
Über diese Entscheidung kann sicher diskutiert werden. Wie gesagt, in der SVP geht es als Sammelpartei darum, Kompromisse zu finden. Nach den Abstimmungen in einer Fraktion halten sich die Mitglieder in der SVP an die Ausrichtung der Mehrheit innerhalb der Partei. Wenn man mehr Vertreter*innen hat, dann hat man mehr Gewicht – das ist klar. Es ist aber der Vorteil unserer Partei, dass wir viele heiße Themen bereits intern diskutieren und dann einen Kompromiss finden. Das ist ein Kernkonzept der Volkspartei, das sich in der Vergangenheit bewährt hat, wenn man sich anschaut, wie unser Land dasteht. Heute stehen wir wiederum vor vielen Herausforderungen und aus Arbeitnehmersicht müssen zuallererst die Löhne steigen.
Ich mag keine Alleingänge – egal ob Wahlkampf ist oder nicht.
Kürzlich haben Sie den Vorschlag von Bildungslandesrat Philipp Achammer zum Sommerkindergarten in der Landesregierung versenkt – so viel zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familie.
Den Sommerkindergarten, wie ihn Kollege Achammer vorgeschlagen hat, den gibt es heute schon. Das ist kein neues Modell, sondern die Umsetzung des Familienförderungsgesetzes und wird heute von externen Anbietern im Sommer gewährleistet. Auch Kindergärtnerinnen können dafür um Nebentätigkeit ansuchen, wenn sie im Sommer bei der Kinderbetreuung für mehrere Wochen mithelfen wollen. Das ist arbeitsrechtlich heute schon möglich. Deshalb wäre nun im nächsten Schritt der Ganzjahreskindergarten anzudenken.
Das kündigten Sie bereits im Februar an.
Es ist eine Südtiroler Eigenheit, dass im Jahr 2000 entschieden wurde, die Kindergärten an das Bildungssystem zu koppeln. Damit wurden die Ausbildung des Personals und auch die Öffnungszeiten an den Bildungsbereich angepasst. Das war eine bewusste Entscheidung und ist wahrscheinlich schwierig wieder umzudrehen. In Deutschland und Österreich werden die Kindergärten so geführt wie bei uns die Kleinkindertagesstätten (Kitas). Kitas sind Ganzjahresdienste und sprachgruppenübergreifend, sie sind auf Gemeindeebene oder privat organisiert. Damit sind sie elf Monate und acht Stunden am Tag unter der Woche geöffnet. Das ist im Ausland vielfach auch in den Kindergärten so.
Sowohl in der Pflege als auch in der Kinderbetreuung sind wir mit dem Fachkräftemangel konfrontiert.
Von außen scheint die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts von Ihnen und Herrn Achammer nicht gerade reibungslos.
Die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts funktioniert, wenn sich jeder an die Spielregeln hält. Man darf in der Sache diskutieren, da gibt es natürlich sehr unterschiedliche Überlegungen. Die Zusammenarbeit ist nicht das Problem, aber ich mag keine Alleingänge – egal ob Wahlkampf ist oder nicht.
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Laut einer ASTAT-Umfrage aus dem Jahr 2022 wünschen sich 60 Prozent der Eltern flexiblere und längere Öffnungszeiten. Wie lautet also Ihre Strategie, um die Kinderbetreuung zu verbessern?
Es braucht tatsächlich flexiblere Eintrittszeiten, etwa im Kindergarten. Wieso muss ein Kind immer in der Früh in den Kindergarten gebracht werden? Wieso kann es nicht wie in der Kita vor oder nach dem Mittagessen kommen? Wieso gibt es neben den Betriebskitas noch keine Betriebskindergärten ergänzend zum öffentlichen System? Es gibt so viele Punkte, die auch in der Arbeitsgruppe Zeitpolitik diskutiert werden. Deshalb sollte man über den Sommerkindergarten hinaus weiter und umfassender denken.
Was sind nun die nächsten Schritte der Arbeitsgruppe Zeitpolitik?
Es gibt hier viele Bereiche, die uns wichtig sind und die in den nächsten Legislaturperioden aufgegriffen werden müssen. Der erste Bereich wird die Pflege sein, um die Herausforderungen hinzubekommen. Sowohl in der Pflege als auch in der Kinderbetreuung sind wir mit dem Fachkräftemangel konfrontiert und müssen Personalressourcen richtig einsetzen. Oft unterscheiden sich hier die Erwartungshaltungen von Gewerkschaften der Berufskategorien und der Mehrheit draußen, welche die Einrichtungen nutzen. Hier gilt es, diese Erwartungen zusammenzubringen und einen guten Kompromiss zu finden.