Politik | Corona-Maßnahmen

Appell an alle

Wie der Sanitätsbetrieb auf die steigenden Covid-Neuinfektionen und die Opposition auf die verschärften Corona-Maßnahmen reagiert. Und: die Eigenerklärung zum Download.
Bozen Phase 2
Foto: Othmar Seehauser

Zugleich mit der Politik hat auch der Sanitätsbetrieb auf den Anstieg der Corona-Neuinfektionen reagiert. Die engmaschige Kontaktnachverfolgung, die bislang praktiziert wurde – alle Kontaktpersonen eines positiv Getesteten wurden einem Corona-Test unterzogen –, hat man aufgegeben. “Bei den derzeit täglich über 300 Neuinfizierten und einem Schnitt von jeweils 20 bis 30 engen Kontakten sind das bis zu 10.000 Telefonate, die allein für die Infizierten eines Tages zu machen sind. Das ist ganz einfach nicht mehr zu schaffen”, erklärt der zuständige Gesundheitslandesrat Thomas Widmann. Ab sofort werden nur mehr enge Kontaktpersonen getestet, die Symptome aufweisen. Alle asymptomatischen engen Kontakte hingegen werden nur mehr kontaktiert, in Quarantäne geschickt und nach 10 Tagen einem Test unterzogen. Dadurch wird die Anzahl der Kontakte, die getestet werden, um rund 70 Prozent gesenkt, denn die Erfahrung zeige, dass nur rund 30 Prozent der engen Kontaktpersonen symptomatisch seien, erklärt Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer.

Zudem haben sich 130 Hausärzte bereit erklärt, dem Sanitätsbetrieb auszuhelfen und an Patienten Schnelltests durchzuführen. Ab 1. November wird das auch in rund drei Viertel der Apotheken des Landes möglich sein.

Um personelle und Betten-Kapazitäten für die wachsende Anzahl an Covid-Patienten freizumachen, werden in den Südtiroler Krankenhäusern 30 Prozent der nicht dringenden Operationen und Eingriffe verschoben.

Von der Opposition kommt grundsätzlich Verständnis für die verschärften Maßnahmen, die Landeshauptmann Arno Kompatscher nach Rücksprache mit den Bürgermeistern und der Landesregierung am Wochenende erlassen hat. Dennoch kommt Kritik, insbesondere an der Ausgangssperre von 23 bis 5 Uhr (die dafür notwendige Eigenerklärung steht in der Infobox am Ende des Artikels zum Download bereit), den teilweise nicht nachvollziehbaren Einschränkungen und daran, dass der Landtag wie im Frühjahr nicht einbezogen wird.

 

Freiheitliche: “Vernunft und Verhältnismäßigkeit”

 

Eigenverantwortung lautet die Losung der Stunde für die Freiheitlichen. “Mit Eigendisziplin lässt sich eine Überforderung unseres Gesundheitssystems vermeiden: Wir alle sind gefordert, mit Vernunft zu agieren, uns selbst, andere und besonders Risikogruppen zu schützen”, appellieren Andreas Leiter Reber und Ulli Mair. Sie erwarten sich aber auch von der Landesregierung und der Verwaltung Eigenverantwortung und Verhältnismäßigkeit: “Blinder Aktionismus muss unbedingt vermieden werden und bei sämtlichen Maßnahmen hat die Aufrechterhaltung des Arbeits- und Wirtschaftslebens sowie unseres Bildungssystems gewährleistet zu bleiben. Besonders die Eingriffe in unsere Freiheits- und Grundrechte müssen verhältnismäßig sein, alles andere wird von uns Freiheitlichen strikt abgelehnt. Dazu zählt auch die von Landeshauptmann Kompatscher verhängte Ausgangssperre nach 23 Uhr. Sie ist unnötig und verfehlt ihr Ziel.”

 

Team K: “Augenmaß und Akzeptanz”

 

Franz Ploner von Team K sieht es genauso. Es brauche “Entscheidungen mit Augenmaß”, auch um zu verhindern, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für die Maßnahmen schwinde, sagt Ploner. Zugleich wirft er der Landesregierung vor, sich in den vergangenen Monaten nicht ausreichend auf die zweite Corona-Infektionswelle vorbereitet zu haben. Doch genauso wie die Freiheitlichen vermeidet er weitere Polemiken. “Die Vorgaben der Landesregierung sind in weiten Teilen sinnvoll und nachvollziehbar”, betont Ploner, gibt aber zu bedenken: “Wenn die Landesregierung nun gewisse Maßnahmen erlässt, wie das Schließen der Fitnessstudios und der Schwimmbäder, oder die Ausgangssperre ab 23 Uhr, die keine wissenschaftliche Evidenz haben, aber ganze Wirtschaftssektoren und fundamentale Grundrechte der Bürger aushebeln, aber nicht nachvollziehbar sind, wird die Akzeptanz dieser Regeln sinken. Die Folge ist, dass sich Menschen in ihren privaten Bereich zurückziehen, wo eine Kontrolle fast unmöglich ist. Unser Aufruf an die Bürger ist, sich an die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Atemschutz, Anm.d.Red.) zu halten, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Wir haben noch die Chance, die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Jeder und Jede kann und muss dazu seinen Teil beitragen.”

 

STF: “Nachvollziehbarkeit und Nein zu Ausgangssperre”

 

Dieselbe Botschaft kommt von der Südtiroler Freiheit. In einer Aussendung schreiben Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle: “Dass es zur Eindämmung der rasant steigenden Infektionsfälle einschränkende Maßnahmen braucht, ist nachvollziehbar. Einerseits, um eine Überlastung unserer Krankenhäuser und dessen Personals zu vermeiden, andererseits um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Hierfür braucht es aber gezielte und wissenschaftlich fundierte Maßnahmen, die für die Bürger nachvollziehbar sind. Ansonsten läuft man Gefahr, genau das Gegenteil zu erreichen. Skeptiker werden noch skeptischer und immer mehr Bürger halten sich nicht mehr an die Vorgaben oder lehnen sich sogar dagegen auf.” Nächtliche Ausgangssperren halten aber auch sie für “kontraproduktiv”: “Wen will man infizieren, wenn man am Abend noch alleine eine Runde spazieren geht oder etwas später zum Lebenspartner fährt, der nicht im selben Haushalt lebt?”

 

Sowohl Freiheitliche als auch Team K und Südtiroler Freiheit pochen darauf, dass der Landtag nicht nur als Zaungast die Maßnahmen kommentieren dürfe, sondern aktiv in die Debatte eingebunden werden müsse. “Eine Politik, die ausschließlich über Verordnungen der Regierung geregelt wird, darf sich nicht wiederholen. Die Einbeziehung des Landtags in alle relevanten Entscheidungen ist eine Garantie für die Ausgewogenheit und demokratische Legitimation der Maßnahmen”, bringen es Mair und Leiter Reber auf den Punkt.