Chronik | Skifahren zu Neujahr

Wenn Leben kein Recht mehr ist

In diesen Tagen zeigt uns die Debatte um das Skifahren über die Weihnachtsfeiertage, wie wenig wert das Prinzip der Unversehrtheit des Lebens eigentlich ist.
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Seniorin
Foto: Cristian Newman on Unsplash

Seit etwa siebzig Jahre gilt im freien Europa die Unversehrtheit des Lebens als oberstes und unverhandelbares Gebot der Menschenrechte. Will sagen: Das Leben muss unter allen Umständen geschützt werden, alles anderen ist dem unterzuordnen. In diesen Tagen zeigt uns jedoch die Debatte um das Skifahren über die Weihnachtsfeiertage, wie wenig wert dieses Prinzip eigentlich ist.

Die Corona-Pandemie hat schon viele Opfer gefordert – auch in Südtirol, das europaweit in der zweiten Pandemie-Welle relativ eine der schlechtesten Fallzahlen aufweist. Doch scheint diese Tatsache in unserem Lande niemanden zu scheren, sie wird einfach ignoriert. Denn was zählt und was landesweit die Macher beschäftigt, ist das Skifahren über die Weihnachtsfeiertage. Das soll unbedingt stattfinden – wohl wissend der Tatsache, dass dies sicherlich (und nicht nur wahrscheinlich!) einen erheblichen Wiederanstieg der Covid-Fälle zur Folge hätte und neue Opfer fordern würde. Doch um das Ziel Skifahren zu Weihnachten dennoch zu ermöglichen, werden von den Machern geradezu höllische Szenarien erstellt; Pleiten über Pleiten, massenhaft Hunger und Elend und der wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückfall ins finstere Mittelalter, sollte zu Weihnachten kein Skifahren stattfinden. Es siegt wieder einmal der Mammon Geld und dessen Kollege Spaßhaben; darauf zu verzichten ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Überhaupt ist Verzicht in unserer Gesellschaft verpönt, selbst dann wenn es, wie in diesem Falle, bedeuten würde, schwachen und alten Menschen in unserer Gesellschaft, ein sicheres und somit menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Aber kein Empfinden von Mitleid, kein Erbarmen, kein Verständnis für sie, häufig nur Gleichgültigkeit und Gewissenlosigkeit über deren Schicksal. Ja, die alten und (die weniger alten, aber) schwächeren Menschen sind ein lästiges Problem geworden; ja man möchte meinen, sie seien Ursache aller Schwierigkeiten und allen Leids im Lande.

Hoffentlich siegt doch noch die Vernunft und wir gefährden nicht die Gesundheit und das Leben vieler schwächeren Menschen in unserer Gesellschaft durch unsere Entscheidungen und Taten. Anderenfalls wäre dies ein gefährlicher Tabu-Bruch. Und es bleibt die Frage, welche Kategorie unserer Mitmenschen opfern wir in der nächsten großen Krise?

Danke, Herr Ruffini, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Im medialen Gewitter von Testprozenten, Statistiken, Ladenöffnungszeiten und Schneekanonen dürfen wir die wichtigste Leitschnur in unserer Gesellschaft nicht vergessen, die Empathie für alle Schwachen, Alten und Schutzlosen. Wenn wir diese Kompassnadel verlieren, reiten wir in eine böse Zeit.

Sa., 28.11.2020 - 13:43 Permalink

Das ist sicherlich sehr wichtig, vergessen darf man aber auch nicht die Fahrkartenverkäufer an der Seilbahn oder den netten Herr am Austieg des Schleppliftes oder die junge Frau abends an der Bar einer kleinen Pension welche sich mit dieser Tätigkeit ihre Unterkunft beim Studium finanziert.
Da gebe ich dann gerne 5 € Trinkgeld weil ich aus dem Gespräch heraus erkenne das dort mein Geld an der richtigen Stelle ausgegeben ist.
Diese Gelegenheit werde ich dieses Jahr leider nicht haben....

Sa., 28.11.2020 - 14:17 Permalink
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gorgias

>Das Leben muss unter allen Umständen geschützt werden, alles anderen ist dem unterzuordnen.<

Ich glaube Sie haben diese Aussage nicht wirklich zu Ende gedacht. Denn das Resultat wäre ein sehr krudes.

Das war auch nie so der Fall. Es gibt andere Rechtsgüter, die man auch ins Gewicht legen muss. Um nur eines zu nennen: So gibt es die Selbstbestimmung des Individuums.

Wenn jemand trinkt und raucht oder Extremsportarten nachgeht, kann ihn deswegen niemand bevormunden. Würde man das Leben unter allen Umständen schützen, so müsste man den Indivualverkehr auf ein Minimum reduzieren. Es gäbe noch weitere Beispiele doch ich lasse am besten den Deutschen Ethikrat zu Wort kommen:

>Selbst in Ausnahmezeiten eines flächendeckenden und katastrophalen Notstands hat er [der Staat] nicht nur die Pflicht, möglichst viele Menschenleben zu retten, sondern auch und vor allem die Grundlagen der Rechtsordnung zu garantieren<

>Der ethische Grundkonflikt erfordert die Abwägung des erhofften Nutzens einer Strategie körperlicher Distanz für die dauerhaft belastbare Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems mit den befürchteten oder unmittelbaren Schäden für die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Lebenslage derjenigen Personen oder Personengruppen, die von dieser Strategie unmittelbar oder mittelbar betroffen sind. Solche Abwägungen, die immer auch Nützlichkeitserwägungen einschließen, sind ethisch einerseits unabdingbar, andererseits nur insofern zulässig, als sie keine Grund- und Menschenrechte oder weitere fundamentale Güter auf Dauer aushöhlen oder sogar zerstören. Auch der gebotene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm dürfen nicht alle anderen Freiheits- und Partizipationsrechte sowie Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. untergeordnet werden. Ein allgemeines Lebensrisiko ist von jedem zu akzeptieren.<

https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/de…

Mo., 30.11.2020 - 18:40 Permalink

"Das Leben muss unter allen Umständen geschützt werden, alles anderen ist dem unterzuordnen. ......."
Ich war über 20 Jahre im Pflegedienst tätig. Alles war geplant, 10 Minuten für diese Tätigkeit und 20 Minuten für die andere. Der Pflegeschlüssel musste stimmen ... nur nicht ein Plus an Pflegekräften.
Und das vor Covid19 !
Weshalb kommen wir erst jetzt mit : "Wenn Leben kein Recht mehr ist" ?

Mo., 30.11.2020 - 18:41 Permalink

Sehr gut gemeint Herr Ruffini,

aber an Tuberkulose sterben jährlich 1,5 Mio. Menschen. Mit sehr wenig Geld könnten diese Menschen gerettet werden und das scheint Sie nicht zu berühren. An Hunger sterben jährlich 9 Millionen. Die könnten mit 300 bis 500 Milliarden, die allein in Italien inzwischen an Schaden entstanden sind nicht nur gerettet werden, nein auch noch eine erstklassige Ausbildung erhalten. Auch das war Ihnen bis heute kein Anliegen.

Mo., 30.11.2020 - 21:00 Permalink
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Markus S.

Das nimmt schon surreale Züge an: das Skifahren soll plötzlich der Ursprung allen Übels sein? Ein Sport, den man allein an der frischen Luft in der freien Natur ausübt?!?
Und kommt mir bitte nicht mit der ausweichenden Begründung: "naja, das Skifahren an sich nicht, aber das Drumherum: das Anstehen an den Liften, das Apres-Ski, ..." Dann sagt es doch klipp und klar: "das Apres-Ski ist das Problem" und wir schliessen die Bars! Oder "das Anstehen an der Kasse ist das Problem" und wir verkaufen die Skipässe nur mehr online. Aber so, nein, den Falschen beschuldigen geht gar nicht!

Mo., 30.11.2020 - 22:37 Permalink

Sehr geehrter Herr Markus S.
Das Skifahren ist sicher nicht das Problem. Aber das "Drumherum".
Sicher nicht das Anstehen an der Kasse , aber das Saufen nach 17.00 Uhr.
Sie schreiben: " und wir schließen die Bars". Was dann hinter geschlossenen Bereichen abläuft möchte ich nicht wissen.
Ich spreche aus Erfahrung (aus pflegerischer Erfahrung)

Mo., 30.11.2020 - 23:21 Permalink

Was hinter den privaten Mauern abläuft, kann sowieso niemand kontrollieren. Weder im Schigebiet noch in der Großstadt. Das haben wir ja im September gesehen: der Turbo für die zweite Welle waren die Familienfeiern - auch vor 17 Uhr - nicht irgendwelche Einzelsportarten.

In diesem Sinne müsste man die privaten Weihnachtsfeiern verbieten, nicht den Skisport. Eine Weihnachtsfeier im ungezwungenen Familienkreis ist übrigens wesentlich gefährlicher als ein "Cenone" im Hotel, wo alle Gäste sich einem Schnelltest unterziehen und die AHA-Regeln einhalten müssen.

Di., 01.12.2020 - 00:06 Permalink
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M Florian

Bin selbst kein Skifahrer, werde auch dieses Jahr keiner sein. Ich verstehe aber, dass da wirtschaftlich sehr viele Menschen daran hängen, nicht nur die dicken Fische. Was ich einfach nicht verstehen kann ist warum Kirchen immer noch geöffent sind, ein Fitnessstudio aber nicht öffnen darf. Gerade in Kirchen sammeln sich doch viele alte Menschen und es es wird sogar die Kommunion ausgeteilt (klar, mit Schutz). Warum sind solche Ansammlungen der "Risikogruppe" noch möglich? Zumindest würden Skifahrer der Wirtschaft etwas helfen...

Di., 01.12.2020 - 03:17 Permalink
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Salto User
Anonymous (nicht überprüft)

Natürlich hat jeder das Recht zu leben - wie auch zu sterben: Selbstbestimmt. Inwieweit diese Rechte eingeschränkt werden - dazu braucht es keiner weiteren Erklärung, die Beiträge und Kommentare sind voll davon. Was mich traurig macht, ist das gegenseitige Überzeugen-Wollen, welches Recht recht sei und nur dazu führt, uns gegenseitig der Energie zu berauben, die wir nötig hätten, aus diesen Zeiten zu lernen.

Di., 01.12.2020 - 06:11 Permalink

Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben, wobei bei Extremen meiner Meinung nach oft die Wahrheit in der Mitte zu suchen ist. Dabei sollten wir als „leider gespaltene“ Gesellschaft brandaktuell und in der hitzigen Diskussion nicht unseren VordeuVoltaire vergessen: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen“. Der Sozialstaat und eben auch das Gesundheitswesen arbeiten nicht ehrenamtlich und werden mit den Steuern der Wirtschaft finanziert. Das Geld wird uns sicher fehlen, trotzdem sollten wir nicht nochmals die epidemiologische Kontrolle über das Virus verlieren. Jede Viruswelle generiert wieder Immunität in der Bevölkerung und ich hoffe, dass Covid19 zunehmend seine Wucht verliert. Auch wenn einige nicht meiner Meinung sind, so bin ich im Sinne des Grundrechtes auf Bildung für die Öffnung der Oberschulen begleitend mit seriellen Covid19 Antigentest. Ich denke, die Oberschüler wären auch bereit dazu...ausserdem obliegt es der Politik, das Problem mit den überfüllten öffentlichen Transportmittel dringend zu lösen. Es gibt dafür in Südtirol genug arbeitslose Privatunternehmer!

Di., 01.12.2020 - 07:54 Permalink

Guten Tag alle Kommentarschreiber und Herr Ruffin.
Dieser Artikel könnte vom LH sein, das Probelm welches aufgezeigt wird ist nicht vorhanden.
Schifahrer sind nicht das Problem, jeder trägt Mundschutz und Helm, das Befördern der Schifahrer mit den Liften kann man kontrollieren und steuern.
Ansteckungsgefahr also gleich O. Im Herbst gab es keine Wintertourismus und trotzdem hat uns die 2. Welle erreicht, wer war da der Schuldige?
Mit dem Nichtöffnen der Schigebiete werden viele Angstellte ohne Arbeit sein.
LH hat letztens gesagt die Kassen sind leer, woher soll dann Hilfe kommen??
Wird in Zukunft bei jeder Grippewelle so ein Zauber aufgeführt?? auch da sterben Leute, das hat anscheinend bis heute keinen interessiert.
Also Wintertourismus und Schitourismus ja, mit Einschränkungen.

Di., 01.12.2020 - 08:07 Permalink

"Wird in Zukunft bei jeder Grippewelle so ein Zauber aufgeführt?? auch da sterben Leute, das hat anscheinend bis heute keinen interessiert." Schon wieder diese Verharmlosung. Grippe und Corona gleichgesetzt ist genau einer der Gründe, weshalb wir mitten in der zweiten Welle sind. Ich kenne keinen in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis, der, obwohl kerngesund und relativ jung, so schwer an der Grippe erkrankt ist, dass er sediert werden musste. Bei Corona ist das anders ... alleine aus Respekt vor den Betroffenen: Unterlassen Sie diese Verharmlosung!

"Schifahrer sind nicht das Problem, jeder trägt Mundschutz und Helm, das Befördern der Schifahrer mit den Liften kann man kontrollieren und steuern."
Ich frage mich, wie man zu einer solchen Feststellung kommen kann? Haben Sie die Bilder von den Menschenschlangen vor den Österreichischen Liftanlagen im Sommer und Herbst übersehen? (https://tirol.orf.at/stories/3072551/)
Sind Schifahrer grundsätzlich keine Querschnitt der Gesellschaft, im Sinne von viel umsichtiger, keine Maskenverweigerer, bisher immer brav daheim geblieben, Social Distancer par excellence eben.

Dies alles gesagt, bin ich dennoch nicht grundsätzlich gegen eine Öffnung. Aber Liftbetreiber müssen Garantien leisten und für das Nicht-Einhalten von Hygienevorschriften müssen Strafen geleistet werden und zwar solche, die am Ende auch wehtun. Denn Vertrauen muss man sich erarbeiten, einen Vertrauensvorschuss gibt es hier nicht, denn es hängen am Ende Menschenleben davon ab!

Di., 01.12.2020 - 09:43 Permalink
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Profil für Benutzer ueli wyler
ueli wyler

ich bin seit 50 jahren passionierter skifahrer und zähle diese passion zu meinen grossen leidenschaften. gerne verzichte ich momentan aus überzeugung darauf. die volksgesundheit darf nicht den tourismusbedüfnissen unterstellt werden! die chance, mich anfang des kommenden jahres impfen lassen zu können besteht...dann werde ich im märz über die pisten sausen....

Di., 01.12.2020 - 09:55 Permalink