Was kommt nach der Gießkanne?
Am Dienstag, 26. Mai, wurde das neue Kulturgesetz bzw. der Gesetzentwurf von der Landesregierung gutgeheißen und noch am selben Abend gab es die erste Diskussion mit BürgerInnen im Brixner Anreiterkeller. Bis dahin war der Fahrplan zum neuen Gesetz vorbildlich verlaufen, von den Zielsetzungen durch Vereine, Verbände und Kulturschaffende im November 2014 bis zur Vorstellung im Rat der Gemeinden und der Beschlussfassung. Im Juli 2015 soll das neue Gesetz vom Südtiroler Landtag genehmigt werden, hofft Landesrat Philipp Achammer. „Wir wollten ein Kulturgesetz das eine moralisch-geistige Erneuerung beinhaltet, das wegkommt von der Gießkanne und vor allem die Weiterentwicklung unserer vielfältigen Kultur ins Auge fasst“, nennt er einige der Schwerpunte zum Auftakt des Diskussionsabends im Brixner Anreiterkeller.
Sieben auf einen Streich
Das neue Kulturgesetz soll sieben veraltete Dekrete aus den Jahren 1958, 1976 und eine Reihe kleinerer Bestimmungen zu den landesbeteiligten Körperschaften Stiftung Stadttheater, VBB oder Haydn-Orchester neu regeln und verschlanken, erläuterte Abteilungsdirektor Armin Gatterer vor Publikum. In 12 Artikeln ist festgelegt, worauf das neue Gesetz fußt, wer in den Genuss desselben kommt, was neu daran ist: Im wesentlichen soll die Künstlerförderung vereinfacht werden, mit eindeutigeren und präziseren Kriterien, Doppelbezuschussungen durch Land und Region sollen abgeschafft werden, die Gemeinden jedoch stärker in die Pflicht genommen werden, auch wird die Verlagsförderung neu geordnet. Vor allem soll das Recht auf Kultur, so legt es Artikel 1 im neuen Gesetz fest, für jeden gelten. Das heißt ausnahmslos "für alle im Land lebenden Personen“, so die Formulierung. Das ist neu. Bisher war die Föderung immer auch mit dem Schutz der Sprachgruppen im Land verbunden, bzw. konnten auch all jene Kulturschaffende ansuchen, die ihren Wohnsitz seit mindestens einem Jahr in Südtirol haben.
Nun ist es so, dass eingesessene und neue Mitbürger gleich behandelt werden, auch ist die Wohnsitzbindung abgeschafft, dafür muss die künstlerische Tätigkeit im Land stattfinden. Die Kulturbeiräte sollen zwar noch an die jeweilige deutsche, italienische und ladinische Abteilung gebunden sein, doch wird ein neues Gremium eingeführ: der Landeskulturbeirat, bestehend aus allen drei Sprachgruppen. Ob in diesem Rat auch die neuen Mitbürger einen Sitz haben, ist noch zu klären.
Diskussion mit den Kulturschaffenden
Das Publikum im Brixner Anreiterkeller war zahlreich erschienen, obwohl die Veranstaltung sehr kurzfristig angesetzt war. Die Kulturperspektiven sollen noch zweimal stattfinden, am Freitag, 29. Mai im Waltherhaus in Bozen und am Montag, 1. Juni im Meraner Ost-West-Club und die Kunst- und Kulturschaffenden selber zu Fragen, Kritik oder Anregungen animieren.
Diese gab es in Brixen nach zögerlichem Beginn dann doch: Vor allem wurde die Frage nach den Förderkriterien gestellt, die, so gaben Achammer und Gatterer zu, noch kaum formuliert sind. Soll man auf die professionelle Geschäftsführung eines Kulturträgers schauen? Aber was ist dann mit den vielen kleinen Inititiativen, die oft auf Ehrenamt und Freiwilligkeit basieren, wie soll hier eine kanzleibeglaubigte Geschäftsgebarung zustandekommen? Oder die Einzelförderung von Künstlern, warum trifft es Jahr um Jahr den einen schon und den anderen nie, auch darüber wurde im Anreiterkeller monologisiert. Eine weitere Anregung betraf die indirekte Künstlerförderung durch die steuerliche Absetzbarkeit bei Ankäufen von Kunstwerken; ein guter Vorschlag, so Landesrat Achammer, doch habe das Land die Befugnis zur Steuergesetzgebung leider nicht. Viel eher könnte es sich um eine Künstlersozialkasse kümmern, eine weitere Anregung: Denn die Altervorsorge vieler Freischaffender liege im Argen, aus dem prekären Schaffen und Arbeiten werde oft ein kaum tragbarer Notstand im Alter.
Und wie gehe das überhaupt, das Abschaffen der Gießkanne? Denn im neuen Gesetz wird das Recht auf Kultur für alle ausdrücklich bekräftigt, bedeutet also eine Ausweitung der Förderung. Wer gehört zu den Verlierern und zu den Gewinnern? Denn diese wird es geben, vor allem da Landesrat und Abteilungsdirektor betonen, dass beispielsweise eine mehrjährige und zweckgebundene Förderung eben nicht automatisch „den Großen“ zufällt. Diese, Vereinigte Bühnen Bozen, Stiftung Stadttheater und Haydn Orchester etwa sind mit eigener Landesbeteiligung bereits in einigermaßen trockenen Tüchern, alle anderen müssen sich von neuem beweisen.
Den Satz dazu hat Philipp Achammer parat: Wo findet eine Weiterentwicklung statt? Anders ausgedrückt - was wäre, wenn diese Initiative oder jenes Festival nicht mehr stattfinden würde? Würde es fehlen? Kultur nach Ausschlussverfahren, auch das kann ein Kriterium sein.