Wirtschaft | Afghanistan

Afghanistans begehrte Bodenschätze

Reiche Bodenschätze könnten Afghanistans desolater Wirtschaft zu einem Aufschwung verhelfen, wenn es in Zukunft eine stabile Lage gibt. China sieht seine Chance gekommen.
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Foto: Pixabay

Chinas Interesse an Afghanistan

Seit bekannt ist, dass die NATO-Truppen Afghanistan verlassen, bemühen sich vor allem China, aber auch andere Länder, wie Russland, Pakistan, die Türkei, Indien und der Iran um eine Kooperation mit den Taliban. Schon bevor der Machergreifung der Taliban kam es zu einem Treffen mit Chinas Außenminister Wang Yi und einer Taliban-Delegation, wo beschlossen wurde, dass China beim Wiederaufbau Afghanistans helfen werde, im Gegenzug würden die Taliban für regionale Stabilität sorgen. China war auch eines der ersten Länder, welches der neuen Führung in Kabul „freundliche Beziehungen“ anbot. Peking liegt viel daran, dass sich die muslimischen Uiguren in der nordwestlichen, an Afghanistan angrenzenden Region Xinjiang nicht radikalisieren und das benachbarte Afghanistan nicht als Unterschlupf nutzen können, deshalb ist eine gute Zusammenarbeit mit den Taliban besonders wichtig. Neben geopolitischen Interessen, geht es China jedoch auch um wirtschaftliche Interessen, es plant Investitionen in die Infrastruktur, was auch Chinas Neuer Seidenstraße zusätzlichen Aufschwung geben wird, da Afghanistan ein wichtiges Bindeglied zu den Staaten Zentralasiens darstellt. Zudem will Peking in den Abbau der Bodenschätze investieren und sich so Zugang zu wertvollen Rohstoffen sichern.  Es könnte länger dauern, bis sich die politische Lage in Afghanistan stabilisiert, doch China plant langfristig und hat einen langen Atem.

Die reichen Bodenschätze Afghanistans

Schon Alexander der Große und Dschingis Khan wussten von den reichen Bodenschätzen Afghanistans. Im 20. Jahrhundert haben westliche Staaten, darunter auch Deutschland, das Land nach Bodenschätzen erkundet. Zur Zeit der sowjetischen Besatzung haben russische Geologen Daten über Afghanistans Bodenschätze gesammelt und ihre Erkenntnisse später mit den Amerikanern geteilt. Geologen der US-Geologie-Behörde (USGS) schätzen, dass Afghanistan über Rohstoffe im Wert von bis zu drei Billionen Dollar verfügt. Die Vorräte an Kupfer, Eisenerz, Gold, Silber, Chrom, Zink, Blei, Uran, Edelsteinen, Kohle, Öl- und Gas würden ausreichen, um das von Kriegen gezeichnete Land zu einem wichtigen Rohstofflieferanten zu machen. Auf besonderes Interesse stoßen Seltene Erden, Lithium und Kobalt, die unter anderem zur Herstellung von Batterien und Motoren für Elektroautos benötigt werden. Afghanistan soll so große Lithium-Reserven wie Bolivien haben, das derzeit über die weltweit größten Lithium-Vorkommen verfügt, auch die Reserven an Seltenen Erden sollen sehr hoch sein.

Die jahrzehntelangen Kriege und die politisch instabile Lage haben bis jetzt eine wirtschaftlich effiziente Ausbeutung der Bodenschätze größtenteils verhindert. Zudem fehlt die nötige Infrastruktur, es gibt weder eine funktionstüchtige Bergbauindustrie noch die für Exporte notwendigen Straßen oder Eisenbahnlinien, in vielen Gegenden gibt es kein Stromnetz. Derzeit wird nur ein  geringer Teil der vorhandenen Bodenschätze ausgebeutet.

Afghanistans Wirtschaft

Als Folge der jahrzehntelangen Kriege ist Afghanistans Wirtschaft in einem desolaten Zustand. Als eines der ärmsten Länder der Welt ist Afghanistan stark auf Hilfsgelder und Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Laut der Asiatischen Entwicklungs-Bank (ADB) leben fast 50% der Afghanen unter der Armutsgrenze. Seit einigen Jahren gibt es Ernteausfälle durch extreme Dürreperioden, was zu akuter Nahrungsmittelunsicherheit geführt hat. Laut dem UNO-Welternährungsprogramm ist über ein Drittel der afghanischen Bevölkerung von Hunger bedroht.

Nach der Machtübernahme durch die Taliban haben die USA, Medienberichten zufolge, den Großteil von Afghanistans Währungsreserven eingefroren*und auch andere westliche Staaten wollen die finanzielle Unterstützung beenden. Auch der internationale Währungsfonds hat den Zugang Kabuls zu den IWF-Ressourcen vorläufig ausgesetzt und die Weltbank hat die Auszahlungen von Hilfsgeldern gestoppt. Die Taliban brauchen deshalb dringend finanzielle Hilfe und Investitionen von anderen Ländern. China hat bereits Unterstützung angekündigt, die Taliban erhoffen sich auch durch gute Beziehungen zu Peking mehr internationale Anerkennung

Laut Weltbank machten im Jahr 2020 Hilfsgelder über 40% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus.  Fast 30% des Bruttoinlandproduktes muss die afghanische Regierung für die Finanzierung des Militär- und Polizeiapparates ausgeben, Länder mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung geben im Durchschnitt 3% dafür aus. In dem Land mit 33 Millionen Einwohner ist die Arbeitslosigkeit hoch. Wegen der unsicheren Lage, aus Angst vor Krieg und Repressalien von Seiten der Taliban und anderer Milzen, aber auch wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation verlassen viele Afghanen das Land, darunter auch solche mit einem hohen Bildungsniveau, was zu einem massiven Braindrain führt. Politische Instabilität, schwache Institutionen, eine unzureichende Infrastruktur und Korruption haben dazu geführt, dass es kaum einen privaten Sektor gibt. Laut Weltbank arbeiten über 40% der Menschen in der wenig produktiven Landwirtschaft.

Die Rolle des Opiumanbaus in Afghanistan

Viele Bauern bauen Opium** an, dessen Anbau lukrativer ist als der Anbau von Getreide oder von anderen Nutzpflanzen. Der illegale Handel mit Opium gilt als Haupteinnahmequelle Afghanistans. Mit den Einkünften aus dem Opiumanbau finanzieren die Taliban und andere Milizen unter anderem ihre Waffenkäufe.

Laut dem UNO-Weltdrogenbericht stammen über 80 % des weltweit angebauten Opiums aus Afghanistan. Während der 20-jährigen Präsenz der Nato-Truppen hat der Opiumanbau in Afghanistan stark zugenommen. Die Daten der UNODOC (United Nations Office on Drugs and Crime) besagen, dass die Opiumproduktion in Afghanistan von etwa 180 Tonnen im Jahr 2001 auf ein Rekordhoch von 9000 Tonnen im Jahr 2017 anstieg. Die Taliban haben zwar nach ihrer Machergreifung Mitte August 2021 angekündigt, dass sie den Opiumanbau verbieten werden, aber ob es tatsächlich dazu kommt, ist fraglich. In Anbetracht des Einfrierens der finanziellen Hilfsgelder und Währungsreserven aus dem Westen, werden die neuen Machthaber wohl vorerst nicht auf das Geld aus dem Drogenhandel verzichten können.

Eine ungewisse Zukunft

Wie es mit Afghanistans Wirtschaft weitergeht, wird in erster Linie davon abhängen, ob die Taliban die sicherheitspolitische Lage in den Griff bekommen und ob es in Zukunft einen dauerhaften Frieden geben wird. Der Abbau der Bodenschätze wäre eine große Chance, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Um einen umfangreichen und profitablen Abbau der reichen Bodenschätze zu ermöglichen, ist eine einigermaßen politisch stabile Situation im Land am Hindukusch Voraussetzung, sonst werden China und auch andere Länder mit ihren Investitionsplänen zurückhaltend sein.

* Laut dem bisherigen afghanischen Zentralbankchef Adschmal Ahmadi, der aus Afghanistan geflohen ist, befinden sich rund sieben Milliarden Dollar von Afghanistans Devisenreserven in Form von Bargeld, Gold, Anleihen und anderen Investitionen bei der US-Zentralbank (Fed), weitere zwei Milliarden Dollar sind auf anderen internationalen Konten angelegt.

** Opium ist der getrocknete Pflanzensaft der Samenkapseln des Schlafmohns. Aus Opium wird die Droge Heroin hergestellt.

Die Verflechtung von Geld aus dem Opiumanbau, Krieg und Politik zieht sich wie ein roter Faden durch die jüngere Geschichte Afghanistans. Der starke Anstieg des Opiumanbaus in Afghanistan geht auf die 1980er Jahre während der sowjetischen Besatzung zurück. Die verschiedenen Milizen, welche in den Jahren 1979 bis 1989 gegen die sowjetischen Truppen kämpften, finanzierten mit den Einnahmen aus dem Opiumhandel ihre Waffenkäufe, auch nach dem Abzug der Sowjets 1989 spielte der Opiumanbau weiter eine wichtige Rolle. Als die Taliban 1996 die Macht an sich rissen, blieb der Opiumanbau vorerst weiter eine wichtige Einnahmequelle, obwohl Drogen im Islam verboten sind.  Erst 2000 beschlossen die Taliban den Opiumanbau radikal auszurotten und waren damit auch kurzfristig erfolgreich. Im Jahr 2001, vor dem Einmarsch der Nato-Truppen war der Opiumanbau nur mehr ganz gering, doch während der 20-jährigen NATO-Besatzung nahm der Opiumanbau wieder stark zu. Trotz anfänglicher Bemühungen der NATO-Allianz die Opiumproduktion zu stoppen, trugen vor allem korrupte Politiker und Regierungsbeamte dazu bei, dass der Opiumanbau weiter florierte und die verschiedenen „Warlords“ (Kriegsherren) finanzierten sich durch den Opiumhandel. Einer der größten afghanischen „Opium-Warlords“ soll der Bruder von Hamid Karzai, dem Präsidenten von Afghanistan (2001 bis 2014), gewesen sein.