Kultur | Salto Afternoon
Fokus auf die nächste Generation

Foto: Silvia Giovanelli
Bei der Base Camp Session gestern Abend im Kapuziner-Park war das gut zu sehen. Während die Sängerin Ana Čop der Einladung von Cellist und Schlagzeuger Kristijan Krajncan zum gemeinsamen musizieren folgte, gab Pauli Lyytinen die Bühne ganz an das junge Ville Lähteenmäki Trio ab. Die 94 geborene Sängerin Ana Čop steht schon mitten auf der Karriereleiter, hat mehrere Millionen Suchresultate auf Google und einen professionellen Webauftritt, das Trio wurde Anfang des Jahres gegründet, hat einige tausend Suchresultate und eine Facebook-Seite mit 120 Likes. Ein Kontrast, den ich nicht aufzeigen möchte, um irgendjemanden zu schmähen, sondern um eine Dynamik des Jazzfestivals zu verdeutlichen, denn im Moment in dem die Musiker:innen auf der Bühne stehen, ist das einerlei.
Für die Dramaturgie des Abends war es sinnvoll die reduzierteren Klänge von Čop und Krajncan im Programm zuerst zu platzieren. Auch das ist Jazzfestival, bei vielen Festivals wäre das zwangsweise der Slot der „Vorband“. Nach einem melancholisch gestrichenem Cello-Intro, das ins Picking überging, macht sich ein Flüstern hörbar, aus kürzester Distanz gerade laut genug für das Mikrophon. Mit Loop-Building und Glöckchen-Akzenten seitens Krajncans und engen Textschlaufe vom Glauben an Elemente der Natur präsentierte man sich in den ersten beiden, von Čop auf englisch gesungenen Liedern, welche die Stimmkontrolle der Künstlerin - erweitert durch live Anwendung von Hall und digitaler Modulationen - unter Beweis stellten, spirituell meditativ.
Mit dem Wechsel zur Slowenischen Muttersprache, lies man stärkere Folk-Einflüsse spüren und fand für einem bosnischen Song, mit einem am Cello getrommelten, von einer Kick Drum unterstützen Rhythmus, der tanzbar und mitreisend war. Die Stimme Čops ging in rhythmischen Spielereien auf, wurde abstrakt um sich anschließend einem ins Englische übertragenem Gedicht des jung verstorbenen, für die Slowenische Literatur ausgesprochen wichtigen Zwischenkriegs Poeten Srečko Kosovel zu widmen. Man zeichnete und arbeitete mit musikalischen Mitteln das Bild des letzten Menschen aus, der einen Sonnenaufgang erlebt, bei dem es keine Nationen mehr gibt. Ein europäischer Gedanke?
„The Well“ und „Requiem“ die Titel der letzten beiden Songs, stammten weder aus dem traditionellen Liederkanon, oder aus dem Repertoire Čops, sondern Krajncans Feder. In ersterem wurde von der Sängerin mit Stimm-Samples ein Chor aufgebaut, der mit zunehmenden Elementen und rückwärts abgespielten, auch verzerrten Vocals in vielfältigen Gesangs-Stilen zusehends unheimlicher wurde. Das zurückgenommene Cello stieg mehr und mehr ein und kulminierte im lautesten, aggressiven Moment des Abends bislang. Am Ende, im letzen Song ein Cello, das nicht angriffslustig, sondern fließend wie Wasser war. Kristijan Krajncan zeigte sich technisch in bester Form und emotional ganz und gar seinem Instrument hingegeben.
Ville Lähteenmäki Trio
Das junge Trio aus Finnland und Norwegen mit Ville Lähteenmäki (Bassklarinette, Querflöte), Nicolas Leirtrø (Bass) und Trym Saugstad Karlsen (Drums) trägt seine Einflüsse aus den 60er und 70er-Jahren - etwa Pharoah Sanders und Albert Ayler - offen zur Schau und fackelt nicht lang: Wenig Platz zwischen den Songs lassend und kaum einen Moment der Stille erlaubend, wird von Anfang an mit Nachdruck gespielt und ein gemeinsamer, die Musiker antreibender Rhythmus aus vorweggenommenen Solo-Passagen gefunden, was weniger den Eindruck einer recht strikten Set-List wie bei Čop und Krajncan vermittelt und mehr den spielerischen Charakter einer Jam-Session hat.
Trotzdem große Dringlichkeit, gerade in den Tracks in denen Lähteenmäki eine kreischende Bassklarinette einer verspielteren Querflöte vorzog. Mit letzterer wird der Sound schon mal leicht kitschig: der leichte Regen auf dem Zeltdach des im Hintergrund zeichnet ohnehin smoothe Stücke noch eine Spur weicher. Als kleine Zugabe für ein kurzes und kurzweiliges Set gab’s vom gleichnamigen Album Albert Aylers von ’64 ein überschwängliches „Ghosts“, das fast schon an der Nachtruhe von 23 Uhr kratzte.
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