Kultur | Salto Weekend

„Anstoß über Leerstände nachzudenken“

Ein Anstoß zum Kennenlernen und zum Nachdenken über den Ort Basis, der seit 4 Jahren die Kaserne in Schlanders prägt, ist das „DenkMal“-Festival heute und morgen.
DenkMal 2021
Foto: BASIS Vinschgau Venosta
Das ehemalige Versorgungsgebäude im Kasernenareal in Schlanders wurde zum Standort für Wirtschaft, Kreativwirtschaft, Handwerk, Bildung, Kultur und Soziales. Besondere Schwerpunkte gibt es in den Bereichen nachhaltiger Kreislaufwirtschaft und beim New European Bauhaus, ist aber auch als Spielstätte für Veranstaltungen gestartet. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei das „DenkMal“ ein. Salto.bz hat mit Paul Kofler von der Basis über das Festival, welches sich aus Kunstmarkt, Workshops, Ausstellungen, einem Talk, Straßenmusik, Clubbing und weiteren Elementen zusammensetzt gesprochen.
 
 
Salto.bz: Herr Kofler, spielt beim „DenkMal“ die Unterscheidung zwischen Hoch- und Popkultur eine Rolle? Das Programm sieht nach einem Mix aus.
 
Paul Kofler: Wir verwenden oft den Begriff Kreativwirtschaft, weil er in unseren Augen umfassender ist. Wir machen dabei keine Unterscheidung, ob es sich um einen Restaurateur, einen Bildhauer oder einen digitalen Künstler handelt.
 
Wie ist es mit dem Kunstmarkt: Nach welchen Kriterien wurde da ausgewählt und wer darf dort ausstellen und verkaufen?
 
Ausstellen und verkaufen darf jeder, wir haben das über einem Aufruf geregelt. Wer ausstellen will und sich zeigen will, darf das gerne machen und teilnehmen. Es gibt keine Standgebühr, sondern man soll einfach partizipativ sein und seinen Beitrag leisten. Da ist zum Beispiel der Verein renarro, für angewandtes Recycling mit verschiedenen Materialien, vor allem auch mit Stoff praktiziert. Thomas Biedermann, der in seinen Werken Gedanken und Geschichten auf Skateboards überträgt. Patrick Wieser beschäftigt sich mit Kartographie. Elisa Marigo schafft mit geometrischen Formen abstrakte und figurative Collagen. Verena Thönis Arbeiten gehen von Linien aus. Ich weiß dann noch, dass Diego Zanella Skateboards macht, die man auch verwenden kann und die Bretter selbst ausschneidet und gestaltet. Und das andere ist Karin Shiatsu, die ganzheitliche Massage macht.
 
Es ist wichtig, das den Menschen zu erklären, denn manchmal verwechseln die Leute eine freiwillige Spende mit einem Gratis-Eintritt.
 
Wie wichtig ist Niederschwelligkeit bei den Teilnehmern und beim Publikum?
 
Der Ansatz der Niederschwelligkeit ist einmal durch den offenen Aufruf an die Künstler, welche das Programm mit gestalten gegeben, zum anderen aber auch am Eingang, fürs Publikum. Wir haben keinen fixen Eintritt, aber bitten um einen solidarischen Beitrag. Es ist wichtig, das den Menschen zu erklären, denn manchmal verwechseln die Leute eine freiwillige Spende mit einem Gratis-Eintritt. Ein solidarischer Beitrag ist da eben an die Fragen geknüpft: Wieviel ist mir eine Sache wert, wieviel kann und möchte ich eine Sache unterstützen? Das ist für uns der Unterschied. Das zieht sich bei uns auch außerhalb des Festivals durch: An der Trust-Bar bedient man sich selbst und zahlt einen Unkostenbeitrag.
 
Wie war das in der Vergangenheit, konnte man mit dem Solidaritätsbeitrag kostendeckend arbeiten oder musste man draufzahlen?
 
Letztes Jahr war das Festival anders strukturiert, da war untertags freier Eintritt, da wir es Covid-bedingt als Kunstmarkt deklariert hatten, wodurch der Eingang frei war, wogegen das Clubbing am Abend mit fixem Eintritt stattfand. Aber ja, ohne die Förderung des Amts für Kultur wäre es schwierig geworden.
 
 
Auf welche Effekte zielt man mit dem „didaktischen“ Teil, den Talks und Workshops des Festivals ab?
 
Mit diesen Teilen des Festivals und auch mit dem Namen „DenkMal“ wollen wir zum nachdenken anregen und das Potential, solcher Leerstände, wie wir deren viele in Südtirol haben, aufzeigen und gleichzeitig das Bedürfnis der Bevölkerung zeigen, solche auch zu nutzen, auch niederschwellig und einfach, wie in der Kreativwerkstatt, in der es nur Strom und Internet gibt und einen leeren Raum, den sich die Leute selbst einrichten. Das ist oft schon ausreichend. Die Kreativwirtschaft, die wir in ihren verschiedensten Facetten versuchen zu präsentieren, ist ein Wirtschaftszweig, von dem Menschen leben können und außerdem ein starker Faktor bei der Überlegung, wo man den Lebensmittelpunkt haben möchte. Eins ist die Arbeit, aber wenn ich kein erfüllendes oder befruchtendes Freizeit- oder Kulturangebot habe, ist das für manche auch entscheidend, nicht in den ländlichen Raum zurückzukehren, wenn sie das aus der Stadt kommend vermissen.
 
Die Basis ist auch ein potentiell konsumfreier Raum, was auf dem Land selten ist: Man kann dort Zeit verbringen, ohne unbedingt Geld ausgeben zu müssen. Zieht man damit ein eigenes Publikum an?
 
Wir merken vor allem, dass die Mauern, die so ein Areal mit sich bringt und auch über Jahre geschlossen waren, teilweise noch in den Köpfen drin sind. Jeder, der mal hinter die Mauern blickt und diesen Freiraum für sich wahrnimmt, kommt gern wieder. Freiflächen wie die Wiese und der Gemeinschaftsraum, wo sich immer auch Menschen finden, die sich untereinander austauschen, sind dadurch befruchtend und belebend. Das Publikum ist wirklich ein breites, das könnte das Spezielle sein. Es sind Kinder, die an einem Workshop wie „Coding for kids“ teilnehmen, wo sie das Programmieren von Computerspielen lernen, dann kommen die Eltern… Auch sind die Leute der Kreativwerkstatt da und teilweise Pensionisten, die vom Bahnhof nachhause eine Abkürzung nehmen. Es ist ein breites Spektrum, in Altersklasse, wie auch in der Herkunft. Wir haben auch viele internationale Besucher hier.
 
...weil es nur miteinander und nicht parallel oder nebeneinander funktionieren kann.
 
Nun ist es so, dass die Basis nicht die gesamte Drusus-Kaserne einnimmt und schon länger die Verwendung des restlichen Komplexes diskutiert wird. Gibt es Entwicklungen, über die Sie näher informiert sind?
 
Es hat vor der Basis schon einen Verwendungsplan gegeben, mit der Basis ist der Bedarf aufgekommen, das neu zu diskutieren, weil es nur miteinander und nicht parallel oder nebeneinander funktionieren kann. Gemeinsam mit der Initiativgruppe wollen wir einen Dialog aufbauen, damit wir das Areal miteinander gestalten können, so dass die Bedürfnisse miteinander umgesetzt werden können.
 
Auf welche Dauer ist das Projekt Basis derzeit ausgelegt? Spricht man hier noch von temporärer Nutzung?
 
Die funktionelle Sanierung des Gebäudes wurde mit EU-Geldern realisiert, aber Besitzer des Gebäudes in dem ich mich jetzt gerade befinde ist die Gemeinde Schlanders. Für eines der Nebengebäude haben wir derzeit eine Möglichkeit der temporären Nutzung bis 2030.
 
 
Ist das Festival ein Beitrag zum Dialog, indem man Menschen von Außen ans Areal heranführt?
 
Diese Situation haben wir immer noch oft, dass auch Personen, die unweit von hier wohnen herein kommen und zum ersten mal sehen, was hier stattfindet, mit wem man reden kann und welches die Abläufe hier sind. Ein breiteres Verständnis dafür ist auch Ziel des Festivals, insbesondere als Dialog. Wir haben auch den Talk „Breaking the Silos“, in dem es darum gehen soll bestehende Strukturen aufzubrechen und ein erweitertes Denken anzuregen. Man sieht dann, was man selbst geben kann, sei es Zeit oder Raum und welches sind die Ressourcen die man vielleicht auch anderweitig nutzen kann.
 
Stichwort „DenkMal“: Sind auch andere Baumassen aus der Zeit des Faschismus Thema oder geht es hier ganz um die Kaserne?
 
Nein, der Titel ist in erster Linie als Anstoß zu verstehen, mal über diese Leerstände wie Kasernenareale nachzudenken: Leerstände die jahrelang nicht zugänglich gemacht werden und zwischenzeitlich für andere Dinge genutzt werden könnten. Der Fokus beim Festival liegt nicht generell bei Denkmälern, auch wenn es unterm Jahr bei uns als Projekt mitspielt. Wir erhalten auch von anderen Gemeinden Anfragen, welche Erfahrungen wir gesammelt haben.