Politisches Jahrbuch

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Tut die Politik wirklich alles, um die Menschen zum Wählen zu bewegen? Im Hinblick auf die anstehenden Gemeinderatswahlen in Bozen könnte man einen anderen Eindruck gewinnen. Der Wahltermin wurde auf ein Datum gelegt, an dem viele Menschen und Familien (sofern sie es sich noch leisten können) ab dem 1. Mai den sogenannten Ponte nutzen – für ein verlängertes Wochenende, um eben ein paar Tage abzuschalten und verdienterweise aus den engen Tälern und Städten Südtirols zu entkommen. Wer aber legt ein Wahldatum ausgerechnet auf den 4. Mai? „Da müsste man bei den zuständigen Stellen nachfragen“, meinte Günther Pallaver auf die entsprechende Frage von SALTO bei der Vorstellung der POLITIKA 2025.
Auch Überraschungen sind bei diesen Wahlen möglich.
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POLITIKA-Vorstellung bei Europe Direct: Elisabeth Alber, Günther Pallaver, Alice Engl und Theresia Morandell Foto: SALTO
In der 18. Ausgabe des wissenschaftlichen Jahrbuchs war der Rückgang der Wahlbeteiligung ein wiederkehrendes Thema. Nutzt man diesen unglücklichen Termin zumindest dafür, das Jahrbuch vorzustellen? „Wir nutzen natürlich die Gelegenheit“, sagt Günther Pallaver, „und zwar im doppelten Sinn. Die POLITIKA wurde tatsächlich erst vergangene Woche gedruckt – da warten wir nicht lange. Außerdem enthält die Ausgabe einen Beitrag zu den Gemeinderatswahlen des vergangenen Jahres, als in fünf Gemeinden Südtirols gewählt wurde. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich durchaus Tendenzen für die anstehenden Wahlen am Sonntag ablesen. Etwa die sinkende Wahlbeteiligung“, meint der Politologe. „Eine zweite Tendenz“, sagt er zu SALTO, „ist die weiterhin geringe Präsenz von Frauen. Und eine dritte: Auch Überraschungen sind bei diesen Wahlen möglich.“ Alice Engl stellte in ihrem Beitrag zur EU-Wahl fest: „Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu 2019 um 13 Prozentpunkte – ein Tiefstwert in Südtirol.“ Wer dabei die Gewinner und Verlierer waren, wird im Jahrbuch ausführlich analysiert. Neben Pallaver und Engl sprach auch Mitherausgeberin Elisabeth Auer im Bozner Europahaus. Sie besprach verschiedene Kapitel im Buch und hob zentrale Themen hervor.
Was ist nun also der Inhalt dieser "volljährigen Ausgabe"? Andreas Maurer etwa schreibt über das fragmentierte Europäische Parlament – eine Steilvorlage für Rechtsextreme und Europaskeptiker, Lukas Mariacher über soziales Sein und ethnisches (Un-)Bewusstsein. Ferdinand Karlhofer analysiert das Debakel der Volkspartei in Innsbruck, während Sieglinde Rosenberger und Gilg Seeber den rechtsautoritären Trend bei der österreichischen Nationalratswahl 2024 untersuchen. Uwe Fromm befasst sich mit der letzten Bundestagswahl in Deutschland. Ebenfalls enthalten ist die Begründung der Jury zur politischen Persönlichkeit des Jahres: Johanna Mitterhofer – eine Stimme für Gleichberechtigung und Familienvielfalt.Immer weiter nach rechts?: Die Wahlen zum europäischen Parlament führten zu erheblichen Sitzgewinnen für Parteien des rechten Spektrums. Mehrere Beiträge analysieren das Gesamtwahlergebnis zum EU-Parlament sowie die Ergebnisse in Italien, Trentino und Südtirol sowie das Abschneiden ethnoregionaler Parteien. Ebenso werden die österreichische Nationalratswahl 2024 und die deutsche Bundestagswahl 2025 unter die Lupe genommen. Foto: Edition RaetiaGünther Pallaver selbst liefert zwei Beiträge: einer zur historischen und künftigen Entwicklung Europas, ein weiterer in Form einer Rezension des Buches Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, die „Paneuropa-Union“ und der Faschismus 1923–1944. Das Werk von Michael Thöndl stellt zugleich einen Beitrag zur Erforschung der Europa-Idee im faschistischen Italien dar. Theresia Morandell berichtete über die vorgezogenen Gemeinderatswahlen 2024, über Trends sowie über ungültige und weiße Stimmen. In der POLITIKA bietet sie Ergebnisse, Diskussionen und einen Ausblick. Weitere Beiträge stammen von Katharina Crepaz und Marc Röggla, die sich mit interethnischen und interkonfessionellen Parteien beschäftigen – mit Fallstudien aus Südtirol und Nordirland. Marco Brunazzo beleuchtet die Wahlen 2024 in Trient, Emanuele Massetti widmet sich ethnoregionalen Parteien, und Renate Mumelter liefert mit Aus dem Bauch ein Essay, das auch auf den Fall der Bozner Goethe-Schule eingeht – ein Thema, das Parteien in Wahlkampfzeiten gerne aufgreifen, vor allem wenn sie in anderen Bereichen ideenlos oder säumig sind. Das Jahrbuch ist bei Edition Raetia erschienen.
Der Essay von Renate Mumelter aus POLITIKA 2025 ist ab morgen (1. Mai) auf SALTO als Gastbeitrag einsehbar.
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