Wirtschaft | Stadtmarketing
Christians Befremden

Foto: IDM
Es ging wie beim Nudelschmelzen.
Am Montag traf sich die Gesellschafterversammlung der Genossenschaft Stadtmarketing Bruneck. Es sollte nach der Diebstahl-Affäre und der beschlossenen strategischen Umgestaltung der Beginn eines Neustarts sein. Dabei spielte die Tatsache, dass vor einem halben Jahr ein Unbekannter mit einem Schlüssel in das Büro des Stadtmarketing marschierte, die Kombination des Safe kannte und so 10.000 Euro Bargeld mitnahm, anscheinend keine Rolle mehr.
In der offiziellen Pressemitteilung wird der skurrile Vorfall erst gar nicht mehr erwähnt. Dort heißt es:
„Am 28.05.2018 fand die ordentliche Gesellschafterversammlung der Stadtmarketing Bruneck Genossenschaft statt. Die Anwesenden haben sich für die Beibehaltung von 5 Verwaltungsräten ausgesprochen. Peter Summerer (SSV Bruneck), Martin Huber (Tourismusverein Bruneck Kronplatz Tourismus) und Markus Frenes (HDS) wurden als neue Verwaltungsräte ernannt.
Die Gesellschafterversammlung genehmigte ebenso einstimmig die inhaltliche Neuausrichtung der Genossenschaft. Nachfolgend ein Auszug der neuen Aufgaben:
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360° Denkwerkstatt für die Entwicklung von Bruneck
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Führung eines Coworking und Startup Spaces
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Schaffung einer digitalen Plattform zur Darstellung von Angeboten aus denBereichen Wirtschaft, Sport+ Freizeit, Soziales, Kultur sowie Aus- undFortbildung
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Management der Veranstaltungssäle
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Bewirtschaftung der öffentlichen Werbeflächen“
Aus den wenigen Zeilen wird klar, dass man alles tut, damit wieder Ruhe in das Brunecker Stadtmarketing einkehrt.
Doch das dürfte nicht so einfach werden.
Die Anfrage
Am 14. Mai haben sieben Brunecker Gemeinderäte eine äußert detaillierte Anfrage zu den Vorgängen rund um das Stadtmarketing gestellt. Die Gemeinderäte Walter Huber, Claudia Renzler, Christina Niederkofler Cont (alle Bürgerliste), Cornelia Brugger und Bernhard Hilber (Gemischte Fraktion), sowie Hans Peter Niederkofler und Johanna Schmiedhofer Ganthaler (Grüne) schreiben in der Anfrage:
„Die jüngsten Vorgänge rund um das Stadtmarketing Bruneck werfen u. a. Fragen zu seiner Rolle und Funktionsweise auf, die schon in früheren Jahren Gegenstand von Anfragen und Diskussionen waren. Das Stadtmarketing ist zwar nicht Teil der Gemeindeverwaltung, wird aber von der Gemeinde zu einem wesentlichen Teil finanziert und nimmt auch Aufgaben wahr, die im öffentlichen Interesse sind.“
Es folgen dann 15 Detailfragen zur Funktionsweise der Genossenschaft Stadtmarketing, zur Neudefinition der Rolle und Aufgaben des Stadtmarketings, zum Diebstahls im Büro im November 2017 und zum Rücktritt dreier Verwaltungsräte der Genossenschaft.
Die Anfrage steht auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Brunecker Gemeinderates. Der zuständige Stadtrat Christof Baumgartner wird die Antwort verlesen. Dass es dabei zu einer kontroversen Diskussion kommen wird, liegt nicht nur am Inhalt der Antwort.
Der Eklat
Bereits im Vorfeld kam es zu einem Eklat. Der SVP-Landtagsabgeordnete und Präsident des Stadtmarketing, Christian Tschurtschenthaler, lud die sieben Brunecker Gemeinderäte vorab zu einer Aussprache ein. Das Treffen sollte am selben Tag der Gesellschafterversammlung im Büro des Stadtmarketings stattfinden.
Das Problem aber: Es ging niemand hin.
„Wir haben es nicht für sinnvoll gehalten“, sagt Gemeinderätin Cornelia Brugger, „vor der Gemeinderatssitzung auch noch ein Aussprache zu machen“. Auch vor dem Hintergrund, dass es Christian Tschurtschenthaler ist, der die Anfrage schriftlich beantwortet hat.
Das demonstrative Fernbleiben der Opposition hat bei der Brunecker SVP für nachhaltige Verärgerung gesorgt. Der zuständige Stadtrat Christoph Baumgartner, der zudem amtierender Verwaltungsrat der Genossenschaft Stadtmarketing ist, schreibt am Dienstag den sieben Gemeinderäten:
„Um Sie möglichst umfassend und transparent zu informieren hat der Präsident des Stadtmarketing Bruneck, Christian Tschurtschenthaler, die Einbringer der Anfrage für den 28.05.2018 um 18.00 Uhr zu einer Aussprache in den Räumen des Stadtmarketing eingeladen. Dies um alle gestelten Fragen und auch andere Fragestellungen ausführlich zu beantworten. Leider hat keines der in der Anfrage angeführten Gemeinderatsmitglieder dieser Einladung Folge geleistet.“
Noch deutlicher wird Christian Tschurtschenthaler selbst. Der Stadtmarketing-Präsident meint einleitend in der Anfragebeantwortung:
„Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
bevor ich Ihnen Ihre Fragen schriftlich beantworte, möchte ich mit größtem Befremden feststellen, dass niemand unsere Einladung zu einem Gespräch am 28. Mai 2018 angenommen hat. Mit Ausnahme von Gemeinderätin Cornelia Brugger, hatte es sogar niemand für Wert befunden, sich zu entschuldigen.
Uns wäre es wichtig gewesen, die Fragen nicht nur schriftlich zu beantworten, sondern in einem Gespräch näher auf die Fragen einzugehen. Dies alles im Sinne der Transparenz.“
Die Antwort
Die erwähnte Transparenz fällt in der schriftlichen Antwort eher stenographisch-vage aus. Das wird am brisantesten Teil der Anfrage und der Tschurtschenthaler Antwort deutlich.
Dort heißt es:
Dort heißt es:
Zur Erinnerung: Salto.bz hat die Affäre am 18. April 2018 enthüllt.
Die Vergesslichkeit
Obwohl die Antwort des Stadtmarketing-Präsidenten auf die detaillierten Fragen der sieben Gemeinderäte durchaus bemüht ist, enthält sie doch einen Schönheitsfehler.
Unter dem Titel „Zum Rücktritt dreier Verwaltungsräte der Genossenschaft Stadtmarketing“ wird in der Anfrage auch gefragt:
„Mit welcher Begründung wurden die Rücktritte eingereicht?
Tschurtschenthalers Antwort:
„Nachstehend die Rücktrittsschreiben der einzelnen Verwaltungsräte“.
Beigefügt sind dann die Kopien der Rücktrittschreiben von Barbara Pizzinini, Luca Manzolli und Thomas Baumgartner. Die Schreiben vom 9. und 10. April 2018 sind alle nur zwei Zeilen lang und enthalten keinerlei Begründung sondern nur die Standardformel „erkläre meinen sofortigen Rücktritt als Verwaltungsrat“.
Von welcher Güte diese Transparenz des Stadtmarketings dabei ist, wird klar, wenn man weiß, dass alle drei zurückgetretenen Verwaltungsräte wenig später auf der letzten Sitzung des alten Verwaltungsrates darauf bestanden haben, dass die Gründe für ihren Rücktritt ausführlich im Sitzungsprotokoll festgehalten werden. Dieses Protokoll hat man den Gemeinderäten jetzt aber wohlweislich vorenthalten.
„Wir werden auf der heutigen Sitzung dieses Sitzungsprotokoll des Verwaltungsrates verlangen“, kündigt Gemeinderätin Cornelia Brugger an.
Zur einer Diskussion dürfte aber auch die Nachbesetzung im Stadtmarketing führen. Denn der neue Verwaltungsrat der Genossenschaft Stadtmarketing besteht ab sofort aus fünf Männern. 2010 wurde in Südtirol ein Gleichstellungsgesetz erlassen, dass wie vom Staatsgesetz vorgeschrieben, in allen öffentlichen Gremien und Ämter ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vorschreibt.
Die Genossenschaft Stadtmarketing Bruneck ist zwar ein privater Verein auf dem diese Bestimmungen nicht angewandt werden müssen, der Hauptfinanzier ist aber die öffentliche Hand. 2017 waren es fast 600.000 Euro. Knapp 54 Prozent davon zahlte die Gemeinde Bruneck, 1,89 Prozent das Land.
Ob die reine Männergesellschaft deshalb angemessen ist? Auch mit dieser Frage wird sich der Brunecker Gemeinderat heute beschäftigen müssen.
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