Gesellschaft | PISA 2018:Sonderheft

Rezension zur neuen Broschüre

In einer neuen aufwendig gestalteten Broschüre stellt die deutsche Bildungsdirektion die Ergebnisse von PISA 2018 vor. Das INFO-Spezial-Heft ist ansprechend gestaltet.
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 Rezension zur neuen Broschüre der Bildungsdirektion

Nun ist das ansprechend  aufgemachte INFO-Spezial zu PISA 2018 erschienen mit einer Fülle von Daten, Tabellen und Grafiken, alles schön farbig gestaltet . (http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/deutschsprachige-schule/angebote/informationsschrift-kindergarten-schule.asp ).Das 14-köpfige Team (8 von der Evaluationsstelle unter der Leitung von Martin Holzner und 6 von der Bildungsdirektion) zuzüglich mehrerer externer Stellen  hat sich große Mühe gegeben und ein bei diesem gut dotierten Personalstand auf knapp 50 Seiten ein angemessenes Werk von hoher Qualität geliefert. Die seit Dezember 2019 vorliegenden Daten stammen vom INValSI in Rom, der nationalen Evaluationsstelle, deren Fachbereichs- Leiter Roberto Ricci auch einen Beitrag für dieses Heft verfasste. Die Datenqualität ist wie erwartet hervorragend  und hielt einer Überprüfung durch den Autor dieser Zeilen stand.

Man findet in diesem Heft neben den schon bekannten Tabellen zu den Ergebnissen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften die Aufschlüsselung geschlechtsspezifischer Unterschiede, den Vergleich der Anzahl der Bücher zu Hause (das kennt man von den Kompetenztests und ist dort der einzige etwas billige aber ausreichend effektive Hinweis auf den soziokulturellen Hintergrund der Schüler/innen), eine Abhandlung über den ESCS, dem OECD-Index des sozialen Status, weiters Einblicke in die Kompetenzstufen, Beobachtungen zu den Schularten. Wohltuend für den Leser ist bezüglich der internationalen Ergebnisse die Beschränkung auf wenige für uns interessante Länder, was dem Informationsgehalt kaum Abbruch tut. Vollständige Tabellen findet man hier: http://www.schulevaluation.it/PISA_2018_Ergebnisse.html .

Bildungsgerechtigkeit

Endlich traut man sich auch aufzuzeigen, dass der soziokulturelle Hintergrund des Elternhauses einen entscheidenden Einfluss auf den Lernerfolg der Kinder hat. Bisher hat man diesen Zusammenhang vor allem in den letzten beiden PISA-Runden verschämt verschwiegen. Vor allem die Bildungslandesrätinnen und –räte waren darauf bedacht, diesen Einfluss für die deutsche Schule in Südtirol zu verneinen. Dies alles findet man unter den Kapiteln zur „Bildungsgerechtigkeit“, die für jeden Fachbereich extra untersucht worden ist. Was den Autor dieser Zeilen besonders freut, ist die Tatsache, dass man sich offensichtlich  von seiner Veröffentlichung  http://www.schulevaluation.it/Bildungsgerechtigkeit.htm  hat inspirieren lassen, woraus man Beschreibungen von Zusammenhängen  z.T. wörtlich übernommen hat, allerdings ohne zu zitieren oder eine Urheberschaft anzugeben, eine südtiroler Besonderheit, auf der ganze Universitätskarrieren gründen, deshalb lasse man Nachsicht walten.  

Einfluss der Schularten

Es wäre interessant gewesen, genauer auf die Clusterung der PISA-Leistung aufgrund der Schulart einzugehen, d.h. zu schauen, wie sich Schulwahl und Leistungsfähigkeit gegenseitig beeinflussen. Dazu wäre eine Mehrebenenanalyse naheliegend gewesen, die aber vom INValSI in Rom nicht geliefert worden ist und die Möglichkeiten der Evaluationsstelle wahrscheinlich übersteigt.  Aber auf jeden Fall hätte man die Schularten genauer unter die Lupe nehmen können . Was nicht leicht ist, denn nach der missglückten Oberstufenreform von 2011, angetreten um die Bildungslandschaft zu vereinfachen, sind Sammelsuriumdirektionen entstanden, wo es nicht nur schwierig ist, die Schularten auseinander zu halten, sondern auch die Charakteristiken der Oberschulen verloren gegangen sind. Es sind Eitelkeiten von Lokalpolitikern und Direktoren bedient worden, Klarheit wurde nicht geschaffen, im Gegenteil. Die Lehranstalten sind abgeschafft worden, in der Hoffnung die Schüler/innen in die landeseigenen Berufsschulen zu schleusen, was kläglich gescheitert ist. Schaden genommen hat  die Bildungsgerechtigkeit durch das reduzierte Angebot. Aus Handelsschulen und späteren LeWiTs sind, wenn sie nicht abgeschafft wurden, plötzlich Wirtschaftsgymnasien geworden (Sind das nun Gymnasien oder Fachoberschulen?), die hauptsächlich wegen des tüchtigen Lehrpersonals und der guten Führung , trotzdem!, funktionieren.

Wenn man von Gymnasien spricht  meint man damit die humanistischen Gymnasien und Realgymnasien auf der einen Seite und Sozialwissenschaftliche und Kunstgymnasien auf der anderen Seite. Die Unterschiede sind groß und es wäre angebracht, da mal genauer hinzusehen, die Evaluationsstelle hat die Daten der einzelnen Schulen. Ähnliches gilt für die (echten) Technologischen Fachoberschulen im Vergleich zu den Wirtschaftsoberschulen.

Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Schule

Man hätte auch auf den großen Unterschied zwischen der italienischen und der deutschen Schule eingehen können (siehe den aufschlussreichen Beitrag  von Lucio Giudiceandrea auf salto.bz https://www.salto.bz/de/article/02012020/la-scuola-specchio-della-societa). Auf gesamtstaatlicher Ebene ist man sich endlich des Problems mit der Leistung des Südens bewusst geworden, thematisiert es und bringt es sogar im Parlament zur Sprache.  In dieser Broschüre tritt  der Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Schule ganz deutlich in den Tabellen und Grafiken hervor, auf die Gründe wird nicht eingegangen. Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang eine gemeinschaftliche Publikation hilfreich gewesen? (Gott behüte, je besser wir trennen, ... wir wissen ja).

Gesamtübersicht - Glossar - Literaturverzeichnis

Am Ende wird eine griffige Gesamtübersicht präsentiert und im Absatz „Gedanken zu PISA 2018“ auf Seite 45 werden Überlegungen zum Nutzen von PISA angestellt.

Das Glossar  ist für sehr schlichte Gemüter gemacht, die man nicht mit dem wissenschaftlichen Hintergrund von PISA belasten will. Dafür werden Begriffe – zum Glück nur kurz – erklärt, die eigentlich jeder Maturant, zumindest aber jeder Lehrer, von mir aus auch jeder Bürger,  kennen sollte. Aber es hat schon INFO’s gegeben, wo einem der Mittelwert erklärt wurde. Das Literaturverzeichnis ist sehr dürftig, es ist nicht erkennbar, nach welchen Kriterien die kleine Auswahl getroffen worden ist.

An dieser Stelle ist ein besonderes Lob für die Medienexperten des Schulamtes (Summerer, Hilber) angebracht, die ihre technischen und editorialen Kenntnisse voll in die Waagschale geworfen haben.

Wirtschaftliche Kompetenz fehlt

Es sei noch darauf hingewiesen, dass eine ganz Sparte fehlt: Der Umgang der Jugendlichen mit Sachverhalten aus der Wirtschaft, kurz die wirtschaftliche Kompetenz. Man hätte nur wenige Tage zuwarten müssen und hätte die Daten gehabt. Es ist nicht  verständlich, warum man das nicht getan hat, wusste man doch, wann die Daten zur Veröffentlichung anstanden. Das sei hier nachgeholt: http://www.schulevaluation.it/financial_literacy_2018.html.

Insgesamt ist es ein gelungenes und lesenswertes Werk, das sich nicht nur Lehrer und Schuldirektoren zu Gemüte führen sollten, sondern auch an der Fakultät für Bildungswissenschaften einen gebührenden Platz einnehmen sollte.