Umwelt | Mobilität

Mit dem Postauto in die Berge

Die Mobilität ist beim Bergsport der wichtigste Erzeuger von CO2-Emmissionen. Deshalb bemüht sich der AVS darum, bei Vereinstouren auf Privatautos zu verzichten und mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß zum Ausgangspunkt der Tour zu kommen.
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Warten auf den Bus
Foto: Hugo Vincent, SAC
  • Die Mobilität ist beim Bergsport der wichtigste Erzeuger von CO2-Emmissionen. Deshalb bemüht sich der AVS darum, bei Vereinstouren auf Privatautos zu verzichten und mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß zum Ausgangspunkt der Tour zu kommen. Der Schweizer Alpenclub (SAC) ist dem Südtiroler Alpenverein da schon einen Schritt voraus. Die Sektion Uto (Zürich) des SAC macht zum Beispiel über 90 % ihrer Vereinstouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Stefan Hatt (Ressort Umwelt) und Erich Suter (Co-Tourenchef Alpinismus) von der Sektion Uto reden darüber, wie ihre Sektion das geschafft hat. Außerdem erzählt Benno Steiner (Fachleiter Landschafts- und Klimaschutz) dem AVS, welche Position der Zentralverband des SAC, zu den Themen Klimaschutz und Vereinstouren einnimmt.

  • „Wenn man richtig rechnet, müsste man immer mit dem Zug fahren.“

    Stefan Hatt (Ressort Umwelt) und Erich Suter (Co-Tourenchef Alpinismus), SAC-Sektion Uto

  • Wie viele Touren unternimmt die Sektion Uto mit öffentlichen Verkehrsmitteln?

    Stefan: Wir haben um die 12.000 Mitglieder und machen insgesamt 1.3000 Touren pro Jahr. Letztes Jahr waren 97 % der Touren als ÖV-Touren ausgeschrieben.

    Erich: Meistens ist Zürich Hauptbahnhof der Startpunkt. Von dort hat man einen super ÖV-Anschluss in alle Regionen.

    Ist es ein Sektionsziel, so viele Touren wie möglich mit dem ÖV zu machen?

    Erich: Ja. Seit ca. 10 Jahren haben wir das Ziel, möglichst viele Touren mit dem ÖPNV zu machen. 

    Was sind die konkreten Argumente, den ÖPNV für den Weg zum Berg zu verwenden?

    Erich: Für mich als Organisator ist es viel einfacher. Ich sage einfach: Treffpunkt ist Hauptbahnhof Zürich beim Zug. Damit ist alles erledigt. Sonst musst du Autos und einen Treffpunkt organisieren, dann sagt einer der Fahrer plötzlich ab und du musst noch ein Auto organisieren. Das ist extrem mühsam. Deshalb mache ich eigentlich nur ÖV-Touren. 

    Stefan: Wir kennen die Mitglieder oft nicht, weil wir eine große, etwas anonymere Sektion sind. Wenn man sich im Zug trifft, kann man die Leute oft schon gut einschätzen. Man sieht die Teilnehmer nicht zum ersten Mal am Tourenstartpunkt und klettert dann schon mit ihnen, sondern hat zwei Stunden Vorlauf.
    Außerdem haben wir als Sektion das CO2-Null-Ziel. Wir stoßen 80 t CO2 pro Jahr mit unseren 1000+ Touren aus. Unser Ziel ist es natürlich, den CO2-Footprint so gering wie möglich zu halten und das geht primär mit dem ÖV.

    Gibt es auch Nachteile?

    Erich: Die Flexibilität. Gerade im Winter, die Schneeverhältnisse sind nicht überall gleich gut, da wäre man schneller mit dem Auto an einem Ort. Auch Frühlingstagesskitouren gehen mit dem ÖV fast nicht, weil man viel zu spät am Start ist und viel zu früh wieder zurück sein muss. Da müsste man eine Zwei-Tagestour machen mit Übernachtung.

    Stefan: Der Winter ist etwas kritisch, weil man nicht so früh starten kann. Teilweise ist auch die Rückkehr etwas problematisch. Gerade wenn nur ein Postauto pro Stunde fährt, dann muss man genau um 17.05 Uhr im Furkapass oben stehen, sonst muss man runter laufen. 

    Es überwiegen eher die Vorteile?

    Erich: Auf jeden Fall. Zum Beispiel kann man eine Tour an einem Ort starten und an einem anderen wieder herunterkommen. Das ist ein Riesen-Vorteil.

  • Auf was muss man bei der Organisation einer Tour mit den öffentlichen Verkehrsmitteln achten?

    Stefan: Es kann sein, dass der Zug oder das Postauto voll sind und man auf dem Rückweg stehen muss. Aber bis jetzt hat es in meiner Erfahrung immer geklappt. Mit dem Auto steht man sonst halt im Stau auf der Straße.

    Erich:  Man muss den Tag wirklich straff durchplanen, damit man den Zug oder das Postauto noch rechtzeitig erreicht. Darauf muss man sicher mehr achten, als wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Den letzten Bus, den musst du einfach erwischen. Das ist sicher erschwerend, aber auch planbar. Ich würde das nicht überbewerten. 

    Es braucht also einfach gute Organisation, dann klappt das?

    Erich: Es gehört sowieso zur Planung dazu, dass man Alternativen plant oder vorausschauend gewisse Situationen überlegt. Ich glaube es ist nicht extrem anders, als wenn man mit dem Auto anfährt.

    Stefan: Und ich empfinde es schon deutlich weniger stressvoll: Du musst die Fahrer organisieren, dann hat der eine Sorgen mit den Winterpneus… Mit den Autos gibt es tausende Schwierigkeiten bei der Organisation, mit dem Zug sagt man einfach: Wir treffen uns am Bahnhof. Punkt.

    Es ist also eigentlich weniger Organisationsaufwand?

    Stefan: Wir steuern das auch ein bisschen. Normalerweise bekommt der Tourenleiter seine Reisespesen vergütet. Wenn er aber das Auto nimmt, dann bekommt er das nicht. Andere Sektionen, zum Beispiel Laegern, die ziehen bei der Anreise mit dem Auto pro Teilnehmer noch zwei Franken ein. Dieses Geld wird dann für Hüttensanierungen und andere CO2-sparende Maßnahmen in der Sektion verwendet. 

    Erich: Aber es gibt schon noch Autotouren. Zum Beispiel die Eiskletterer, die sind eine spezielle Gruppe und sind extrem wetterabhängig. Die gehen praktisch nur mit dem Auto, weil sie einfach flexibel sein müssen. Das sind aber relativ wenige, vielleicht 10 Touren im Winter. 

    Also kann man mit dem Öffinetz in der Schweiz einen Großteil der alpinistischen Aktivität durchführen?

    Erich: Zumindest von den großen Städten aus ist vieles möglich. Wenn du irgendwo auf dem Land wohnst und zuerst mit den Öffis irgendwo hinfahren musst und dann noch einmal umsteigen, verkompliziert das natürlich alles. Unsere Mitglieder wohnen alle in der Region Zürich und sind öffimäßig extrem gut angebunden.

    Stefan: Außerdem gibt es noch das Alpentaxi und den Skitourenbus. Mit denen kann man an vielen Orten die letzten Kilometer nach der letzten Haltestelle überbrücken.

    Wie nehmen die Mitglieder die Touren mit Öffis an?

    Erich: Negatives Feedback ist mir nicht bekannt.

    Stefan: Es ist halt so Usanz. Ich habe eigentlich nur Positives gehört. Zum Beispiel wird es geschätzt, dass man im ÖV zusammensitzen kann und es vielleicht sogar einen Speisewagen gibt.

    Hat man als ein Alpenverein oder Alpenvereinssektion eine gewisse Verantwortung?

    Stefan: Als Umweltbeauftragter würde ich antworten: Wir folgen der Strategie vom Zentralverband des SAC, die ist Null CO2-Emissionen bis 2030. Das heißt, wir müssen auch unsere 80 t CO2-Ausstoß minimieren und kompensieren, weil ganz bekommen wir die nicht weg. Als Sektion aber würde ich sagen: Der Grund ist nicht „missionarisch“. Es ist halt wirklich angenehmer mit dem ÖV, das hat sich etabliert und im Nebeneffekt erzeugen wir auch weniger CO2.

    Werden die Leute durch die Sektions-Touren auch selbst sensibler für das Thema?

    Stefan: In der Schweiz ist das System so, dass man sich mit 120 oder 190 Franken pro Jahr ein sogenanntes „Halbtax“ kaufen kann. Damit fährt man zum halben Preis mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Damit ist der Preis des ÖVs deutlich unter den Fahrtkosten mit dem Auto. Die meisten haben das und sagen dann: „Ich habe ja eh ein Halbtax, dann kann ich auch mit dem Zug fahren.“ Wenn man richtig rechnet, müsste man eigentlich immer mit dem Zug fahren.

    Habt ihr auch eine Regelung für Fernreisen?

    Erich: In unserem Reglement ist festgelegt, dass wir zwei „Auslandstouren“ pro Jahr bewilligen. Ausland heißt für uns außerhalb des Alpenraumes, wofür ein Flugzeug nötig ist. Meistens gehen sie einmal Sommer nach Kalymnos Klettern und einmal im Winter nach Norwegen für Skitouren. Das sind wirklich nur zwei Touren mit meistens je 10 Teilnehmern, also das nicht sehr viele. 

  • Foto: Hugo Vincent, SAC
  • Könnt ihr als SAC-Sektion einer AVS-Sektion Tipps geben, wie man die Mitglieder und Tourenleiter:innen zu mehr ÖV-Touren motivieren könnte?

    Stefan: Wir haben ein negatives Anreizsystem mit dem fehlenden Kilometergeld. Um etwas Neues zu schaffen, müsste man aber einen positiven Anreiz bieten. Ich weiß nicht, ob ihr ihnen ein Goodie geben könntet; zum Beispiel einen Beitrag an ein Jahresabonnement. Oder indem ihr die Planung vereinfacht, zum Beispiel den Fahrplan zur Verfügung stellt oder in die Tourenanmeldung integriert. 

    Erich: Informationen für die Tourenplanung wären wichtig. Der SAC ist dabei, Touren online zu erfassen und in einer App mit integrierter Fahrplanabfrage zur Verfügung stellen.

     

  • „Wir können Bergsport nicht mehr so betreiben wie früher“

    Benno Steiner, Fachleiter Landschafts- und Klimaschutz SAC

  • Was ist die Linie des SAC in Sachen klimafreundlicher Mobilität?

    Benno: Der Verein hat seit 2021 eine Klimastrategie, das Thema Mobilität bearbeiten wir aber schon länger. Es gab schon Ende der 1990er Jahre Projekte, den Öffentlichen Verkehr zu fördern. Damals gab es spannende Angebote, wie eine Hüttenübernachtung plus zwei Tagestickets für den öffentlichen Verkehr als Kombipaket. Leider konnte dieses nicht längerfristig weitergeführt werden. 
    Heute fördern wir den ÖV auf verschiedenen Schienen: Mit Sensibilisierung schaffen wir Bewusstsein für das eigene Handeln, zeigen die Unterschiede der verschiedenen Mobilitätsformen und gute Beispiele für klimafreundliche Mobilität auf. Außerdem haben wir konkrete Projekte wie den Schneetourenbus, bei dem wir konkret die „letzte Meile“ überbrücken. 

    Ist das ein generelles Problem im Schweizer ÖV-Netz, dass die letzte Meile fehlt?

    Benno: Wir haben ein sehr gut ausgebautes ÖV-System, das vielerorts bis zum Ausgangspunkt der Tour reicht. Im Winter, wenn man zeitkritischer unterwegs ist, ist es etwas schwieriger, aber auch dann sind sehr viele Touren gut mit den Öffis erreichbar. Es gibt aber Ausgangspunkte, die zwar große Parkplätze haben, aber kein ÖV hinfährt. An solchen Orten fahren die Schneetourenbusse. 

    Habt ihr konkrete Sensibilisierungsprojekte oder andere Formen von Kommunikation?

    Benno: Wir bauen verschiedene Aspekte der Mobilität in die Kommunikation ein. Wir versuchen immer, unsere Informationen den Bedürfnissen der Mitglieder und Bergsporttreibenden anzupassen. Oft sind konkrete Hinweise zu bestehenden Angeboten bereits hilfreich. In der Zeitschrift gibt’s zu jedem Tourentipp auch Infos zur Klimafreundlichkeit der Anreise. 
    Auf unserem Tourenportal sind die Touren in der Regel ab der letzten Haltestelle beschrieben. Die App des Tourenportals zeigt außerdem an, wann der nächste Bus an einer Haltestelle fährt. Für die Heimreise ist das super praktisch. 

    Was kann der Zentralverband tun, um die Sektionen bei Touren mit öffentlichen Verkehr zu unterstützen?

    Benno: Wir stellen immer wieder unseren Schneetourenbus bei Veranstaltungen vor. Letztes Jahr haben wir außerdem die Sektionen angefragt, welche Touren von ihrem Standort aus als ÖV-Touren geeignet sind. Wir haben diese gesammelt und auf unserer verbandsinternen Webseite zusammengestellt. Der Austausch unter den Sektionen ist sehr wichtig. Die Sektion Uto (Zürich) macht 97 % ihrer Touren mit Öffis, die Sektion Aarau hat eine umfassende Liste von Eintages-Skitouren mit ÖV.

    Was sind eure Argumentationen für ÖV-Touren?

    Benno: Das wichtigste Argument ist natürlich die Klimafreundlichkeit. 
    Für Überschreitungen von A nach B bietet sich der ÖV an. Das ergibt spannendere Touren, als wenn man wieder an den gleichen Ort zurückmuss. Die gemeinsame Anreise im Zug kann man gut nutzen: für die Vorbesprechung der Tour, fürs Kennenlernen oder den Materialcheck. So startet man bewusster in die Tour. Auch auf der Heimfahrt kann man auf die Tour zurückblicken, darauf anstoßen und das Erlebnis ausklingen lassen. 
    Und schließlich muss niemand nach einer ermüdenden Tour das Auto lenken. Dies erhöht die Sicherheit.

    Erreicht ihr mit euren Maßnahmen nicht einfach die Personen, welche meistens sowieso schon ohne Privatauto unterwegs?

    Benno: Das mag sein. Wir versuchen deshalb, die Sektionen zu motivieren, ihre Touren mit ÖV durchzuführen. Dann erfahren auch „Auto-Menschen“ den ÖV und sehen: Es geht auch mit dem ÖV! Wenn sie dann das nächste Mal privat eine Überschreitung machen, reisen sie auch einmal mit dem ÖV. 

    Habt ihr schon Rückmeldung bekommen, ob das funktioniert?

    Benno: Gerade in ländlichen Regionen hören wir: Wir kommen mit dem ÖV nicht weg. Städtische Sektionen haben es da einfacher. Es gibt Ausgangspunkte von Touren, die einfach viel schneller erreichbar sind mit dem Auto. Andere Strecken gehen fast nur mit dem Zug – zum Beispiel vom Mittelland ins Wallis. 

    Die Möglichkeiten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Bergsport anzureisen, sind mit der momentanen Infrastruktur also begrenzt?

    Benno: Wir sehen in der Schweiz, dass die Mobilitäts-Infrastruktur stark ausgelastet ist. Für Ausbauten muss enorm viel Energie und Geld investiert werden. Eigentlich bräuchte es einen gesellschaftlichen Wandel. Im Moment spüre ich den Anspruch: „Ich will immer überall hinkönnen.“ Auch wenn wir alle Mobilität auf den ÖV verlagern, haben wir grundsätzlich zu viel Mobilität, sei es für Arbeit, sei es für Freizeit. Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, wie viel verträglich ist. Wir als Alpenvereine sind auch Teil dieser Gesellschaft. Das ist ein Spannungsfeld, denn eigentlich wollen wir ja den Bergsport fördern und die Leute motivieren, in die Berge zu gehen. Vielleicht wäre eine Lösung, wenn eine Tour am Morgen nicht erreichbar ist, dass ich mir dafür mehr Zeit nehme und am Vorabend mit dem ÖV anreise. Nach der Übernachtung – die außerdem Wertschöpfung in die Region bringt – starte ich die Tour direkt vor der Unterkunft. 

    Ist es die Verantwortung der alpinen Vereine, sich hier selbst in die Pflicht zu nehmen?

    Benno: Ja irgendwie schon. Wir sehen was in den Bergen abgeht, sind aber auch ein Teil davon und tragen Mitverantwortung. Wir müssen versuchen, als Teil der ganzen Gesellschaft unseren Beitrag zu leisten. Wie stark wollen wir als Verband oder als Sektion Teil dieser schnellen Konsumgesellschaft sein? Schnell in die Berge, schnell auf den Gipfel, schnell wieder zurück. Hat man dann wirklich was von den Bergen und dem Naturerlebnis? Wir wollen etwas leisten und etwas erreichen, aber man sollte sich dafür mehr Zeit nehmen. Warum nicht zum Beispiel noch einen Tag anhängen und in der Hütte das Erlebnis noch einmal setzen lassen? 

    Also auch als Beitrag zur Entschleunigung.

    Benno: Ja, ich glaube wir müssen diese Diskussion führen, denn sonst schaffen wir die Wende zu einer nachhaltigen Gesellschaft nicht. 

    Kann man einen Wandel beobachten, dass die Leute sensibler werden?

    Benno: Ja. Gerade unter den Bergsteigenden ist sicher das Bewusstsein für die Veränderungen da. Wir werden Bergsport nicht mehr so betreiben können wir früher. Damit ist der Grundstein gelegt, damit wir auch ins Handeln kommen. Wir als Alpenverein können nicht das ganze System ändern – aber einen Beitrag leisten und mitarbeiten können wir.

    Interview: Philipp Ferrara, Mitarbeiter im AVS-Referat Natur & Umwelt