Kultur | Salto Afternoon
Mäandernder Elefant
Franceschini ist Begründerin des seit 1995 aktiven, internationalen Kollektivs „Futurefarmers“, in welchem Künstler:innen, Anthropolog:innen, Architekt:innen und Landwirt:innen zusammenfinden um alternative Neuordnungen für soziale, politische und Natur-Räume vorzuschlagen. Der Großvater der amerikanischen Künstlerin und Designerin stammt aus Luca, weitere genealoigische Untersuchungen zum Verwandtschaftsverhältnis zu einem prominenten Salto Redakteur haben wir keine angestellt.
Als Teil des Langzeitprojekts „Flux“ von Lungomare haben sich die Futurefarmers mit der Flusslandschaft Bozens auseinandergesetzt, von Freitag bis Sonntag trägt dieses Engagement entlang des Eisackufers in der Trientstraße Früchte. „Ein Sound-Festival für den Elefanten“ ist der dritte Akt dieser Langzeitarbeit „Ein Mäander, (Kom)positionen mit dem Fluß“ und sieht diverse weitere Akteure involviert: die Künstler:innen Guillermo Galindo (Mexiko Stadt) und Ellis Blauw (Brüssel), sowie die lokal aktiven Gruppen Ultra Alto und Riverlivers (Lorenzo Oliva Laffargue, Gaia D’Inzeo, Sarah Binkowski aus dem Studium Eco-Social Design). Informationen zu Akt 1 und 2 kann man hier nachlesen.
Erdacht ist das Festival, welches sich um das orographisch linke Flussufer des Eisack (Trienterstraße) abspielen wird, als kollektiver Akt der Kreativität mit Aktionen verschiedenster Art und der Offenheit für Beiträge der Teilnehmer. Geschenke an den Elefanten sind auch willkommen. „Futurfarmers“ hat dabei metaphorisch das Flussbett ausgehoben, in welchem sich Fluss und Elefant bewegen werden. Welche Überlegungen hat sich Amy Franceschini zu den Bozner Flusssystemen gemacht?
Salto: Frau Franceschini, es gab im vergangen Jahr bereits mit „(Kom)positionen mit dem Fluss“ klangbasierte Arbeiten am Flussufer. Waren die eine Art Prototyp fürs Festival oder wird es anders gestaltet?
Amy Franceschini: Heuer ist das dritte Jahr unserer Zusammenarbeit mit Lungomare an ihrem „Flux“-Projekt. Es hat mehr als ein Schlendern, ein zielloses Gehen mit einer Gruppe von Flussfreunden begonnen. Wir haben musikalische Instrumente entwickelt, die vom Fluss betrieben werden, als Möglichkeit mit diesem zu interagieren und zu sehen, was wir als nächstes tun sollten. Allein durch unsere Anwesenheit mit den, wie wir sie nennen, relationalen Objekten, nähern sich Menschen uns an, werden neugierig und stellen Fragen. Später beginnen sie, ihre eigenen Geschichten zum Fluss zu erzählen und es schien uns wichtig, den Fluss als einen Protagonisten zu behandeln.
Letztes Jahr war das weniger ein Festival und mehr eine dreitägige Präsenz am Ufer. Es ging darum, Leute zu involvieren und sie dazu zu bringen zu hinterfragen, welche Beziehung sie zum Fluss haben, was gut funktioniert und neue Aufmerksamkeit auf den Fluss gelenkt hat. Parallel haben wir uns darum bemüht, einen „reellen“ Wandel einzuleiten, was die Regeneration des Flusses anbelangt, auch weil er lange Zeit ein Ort der Angst war. Deshalb ist Teil des Projekts auch eine neue Vorstellung vom Fluss zu schaffen, mit jenen, die den Fluss nutzen, aber auch mit der Gemeinde Bozen.
Wenn wir von Vorstellungen und Bildern sprechen: Für das Festival haben Sie auch den Elefanten als Symbol gewählt. Warum? Dieser ist ein prominenteres Bild in Brixen als in Bozen…
Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe. Manchmal beginnt „Futurefarmers“ mit etwas und sagt: Der Elefant hat keinen Sinn, er schafft Sinn. Wir hatten natürlich von Soliman gehört, welcher als Geschenk an den Neffen des Kaisers von Portugal aus nach Wien transportiert wurde und die Nacht am Brenner verbracht hat. Das Bild eines Elefanten in den Alpen war recht exotisch. Es gibt auch noch die Geschichte von Hannibal und seinen Elefanten, was im Hintergrund eine Rolle spielt. Weiters gibt es die Metapher eines Elefanten im Raum („The elephant in the room“ im Englischen gebräuchlicher, nach einem russischen Sprichwort, bürgert sich zusehends im Deutschen ein), was meint, dass es ein offensichtliches Problem gibt, das niemand ansprechen möchte.
Oft haben unsere Arbeiten eine politische Komponente oder werden politisiert, auch wenn sie es nicht von sich aus sind. Wir schaffen lieber etwas, das viele Anknüpfungspunkte hat: Indem wir ankündigen, dass dieser Elefant kommt und ein Soundfestival für ihn veranstaltet wird, regen wir schon die Fantasie der Menschen an. Die überlegen sich dann, was der Elefant im Raum sein könnte. Eine Gruppe von Studenten etwa befasst sich mit Menschen, die am Fluss leben und dem Thema Migration. Vielleicht ist auch der Umstand wichtig, dass der Elefant eine Präsenz schafft, welche am Fluss deplatziert ist. Die Flüsse in Bozen sind in Wirklichkeit mehr wie Maschinen, wodurch sich die Verbauung des Flusses in der Deplatzierung des Elefanten spiegelt. Für uns ist das Bild des Elefanten deutungsoffen und wir arbeiten mit verschiedenen Gruppen zusammen, die gebeten wurden, eigene Vorstellungen und Ideen auf den Elefanten zu projezieren.
Wir sprechen von einem Fluss, der durch die angrenzende Zivilisation dauerhaft verändert wurde. Soll das Festival eine bleibende Wirkung auf den Fluss ausüben?
Ich hoffe, das Festival wird als Herausforderung verstanden darüber nachzudenken, wie wir mit den Flüssen, gerade in Zukunft, koexistieren können. Letztes Jahr war der Pegelstand sehr niedrig, in den letzten Wochen war er mitunter durch ausgiebigen Regen erhöht. Es geht darum, aufmerksamer zu sein. Dadurch, dass wir als Kollektiv vor Ort sind, werden uns diese Unterschiede deutlicher als wenn wir den Fluss übers Internet beobachten würden. Und ich denke es geht auch darum, verschiedene Menschen zusammenzubringen, die über gewisse Probleme nicht reden würden wenn sie sich andernorts treffen würden. Das Potential dieser Art von Arbeiten ist, dass ihre Poesie uns dazu bringt auf andere Art miteinander in Beziehung zu treten. Menschen mit verschiedenen Vorstellungen vom Elefanten kommen ins Gespräch und reden dann über andere Themen. Für mich ist das mehr ein Ausgangspunkt als eine Lösung.
Ist es für Sie als Künstlerin einfacher, sich mit einem Fluss zu befassen, der mehr oder weniger konstant bleibt oder ist der angesprochene Wandel ein Anreiz?
Ich denke, das war recht herausfordernd weil wir gewisse Vorstellungen davon haben, was ein Fluss ist. Ehrlich gesagt sind Talfer und Eisack mittlerweile mehr Maschinen und es ist wichtig, sich damit zu konfrontieren. Die Flüsse sind Mechanismen privater Energie. Wir müssen hinterfragen wer Zugang zu diesen Maschinen hat und wer sie in Stand hält. Viele der Wasserkraftwerke sind privat und das Projekt holt auch diesen Umstand an die Oberfläche. Indem wir für drei Tage am selben Ort sind, kann man darüber sprechen. Es ist fast als würden wir die Karten verschiedener Sorgen und Wirklichkeiten liefern und die Teilnehmer zeichnen dann ihre jeweils eigenen Routen.
Historisch gesprochen haben sich die Flüsse in Bozen durch den Menschen stark verändert, besonders im 20. Jahrhundert. Befassen Sie sich mit diesen historischen Dimensionen?
Im ersten Jahr, als wir die meiste Zeit damit verbracht haben, zuzusehen und zuzuhören um das Ökosystem der Flüsse und deren Geschichte zu verstehen, hat es uns zum Zusammenfluss von Talfer und Eisack hingezogen. Es ist interessant wer da und wer dort lebt, auf der Stadtseite des Eisacks und am anderen Ufer. Für uns ging es bei den Überlegungen darum, keine Lösungen zu überstürzen. Für Städte und die Stadtverwaltung scheint es häufig die Tendenz zu geben, irgendetwas zu errichten und ein Problem für gelöst zu erklären. Man nutzt gern schnelle Lösungen. Wir haben uns für einen langsameren Prozess eingesetzt, um zu sehen wie unsere Vorschläge angenommen werden und ob sich Input dazu findet. Die Nachfrage nach Sitzgelegenheiten, einer Feuerstelle und Toiletten war groß. Die Stadt hat mit Sitzplattformen reagiert. Ich denke, als Außenstehende haben wir die Gelegenheit das widerzuspiegeln, was vor Ort bereits vorhanden ist. Lebt man selbst an einem Ort so wird man für vieles fast blind.
Welche Teile des Programms denken Sie bieten sich am ehesten jenen vor Ort lebenden Personen an, die vielleicht nicht über eine Affinität zu relationaler Kunst haben?
Ich denke, da gibt es an jedem Tag etwas, da das Projekt auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Es gibt eine Frau, die ein Teeprojekt mit Kräutern aus den Uferzonen des Flusses realisiert und so wie sie ihren Ort gestaltet hat, ist er ziemlich zugänglich, sowie eine Frau aus Marokko, die für Essen sorgt. Ich denke, beides sind recht einladende Momente, Zugangspunkte zu einem Kunstprojekt mit welchem es sonst Berührungsängste gäbe. Bei Workshops sollen Instrumente gemacht werden nur aus dem, was vor Ort vorzufinden ist. Andere zeigen den Besuchern das aquatische Ökosystem im Fluss und es ist ziemlich erstaunlich, dass es hier auch viele Insekten gibt, welche nur in sauberem Wasser leben. Auch wenn dieses Wasser Teil einer Maschine ist, so ist es doch recht gesundes Wasser.
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L'idea mi piaceva ma si
L'idea mi piaceva ma si poteva fare diversamente e in un'altra parte del fiume, più in alto. Decisamente pericolose le installazioni che sembrano giochi nell'acqua per i più piccoli. Anche da un punto di vista della vicinanza a luoghi decisamente poco raccomandabili e della forte corrente la sicurezza lascia a desiderare