Zwei bahnbrechende Gerichtsurteile

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Einige junge Studierende hatten das Verfahren auf den Weg gebracht und erhielten Unterstützung vom Staat Vanuatu, der im Unterschied zum Nachbarn Tuvalu zwar noch nicht untergehen wird, aber an Klimawandelfolgen leidet. Am 23.7.2025 urteilte der Internationale Gerichtshof klar: die Klimaschutzkonventionen verpflichten die Staaten rechtlich, die menschengemachten Treibhausgase zu reduzieren. Das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt ist als grundlegendes Menschenrecht zu betrachten, so der IGH. Sein 500 Seiten langes Gutachten könnte zum Meilenstein im internationalen Umweltrecht werden.
Laut IGH stellt die Unterlassung von Klimaschutzmaßnahmen seitens der Staaten – vor allem jener, die am meisten THG ausstoßen – eine völkerrechtswidrige Handlung dar. Somit sind die Staaten rechtlich verpflichtet, aktiv gegen den Klimawandel mitzuwirken. Das bedeutet: die USA mit ihrem derzeitigen drill-baby-drill-Fan an der Spitze handeln also nicht nur dumm und rücksichtslos, sondern auch völkerrechtswidrig. Dieses IGH-Urteil erlaubt es den nachweislich geschädigten Staaten wie eben Tuvalu und Vanuatu, auf Entschädigung zu klagen. Der IGH erklärte, dass die Entschädigung von Fall zu Fall beurteilt werden müsse, aber das Prinzip stellt eine Première das: die Verursacher können zur Kasse gebeten werden. Genau hier können sich Bürger, Klimaschutzorganisationen und ganze Staaten einschalten und eine neue „Ära für die globale Klimagerechtigkeit“ einläuten, wie Greenpeace unterstreicht: „Der US-Präsident Donald Trump kann nicht direkt vom IGH zu mehr Klimaschutz verdonnert werden, aber die IGH-Stellungnahme kann Klimaklagen weltweit, auch in den USA, einen enormen Schub verleihen und als neue Grundlage für Hunderte von laufenden und künftigen Klimaklagen weltweit dienen.“
Für Italien noch wichtiger in Sachen Klimaklagen ist das soeben ergangene Urteil des Kassationsgerichtshofs. Letzte Woche hatte das Gericht einer von 12 Bürgerinnen, Greenpeace und ReCommon erhobenen Klage gegen ENI, die staatliche Depositenbank und das Wirtschaftsministerium als deren Hauptaktionär stattgegeben. Auch fossile Energiekonzerne wie eben ENI müssen die aus dem Pariser Klimaabkommen erwachsenden Verpflichtungen erfüllen. Damit erklärte der Kassationsgerichtshof das 2023 vor dem Gericht von Rom angestrengte Verfahren für zulässig. Der ENI-Konzern und die Cassa Depositi e Prestiti können für die in den letzten Jahrzehnten wider besseres Wissen angerichteten Klimaschäden haftbar gemacht und zu Schadenersatz verpflichtet werden.
In dieser Sache könnten nur Parlament und Regierung auf politischer Ebene entscheiden, hatten ENI geltend gemacht und die Zuständigkeit des Gerichts von Rom angefochten. Die Klage greife in das Grundrecht auf freie Unternehmertätigkeit laut Art. 41 der Verfassung ein und dürfe sich darüber hinaus nur auf CO2-Emissionen beziehen, die in Italien verursacht werden. Tatsächlich verursacht das ENI die meisten Emissionen mit Förderung, Transport und Raffinierung im Ausland, während das in Italien verkaufte Öl und Gas von seinen Kunden verbrannt wird.
Das Höchstgericht folgte dieser Argumentation nicht, sondern hebt gerade die Mitverantwortlichkeit (compliance) der Konzerne bei der Erfüllung der internationalen Klimaschutzabkommen hervor. Dies öffnet neue Möglichkeiten für Klimaklagen: die Verursacher könnten endlich zur Rechenschaft gezogen und über die Haftpflicht zu Schadenersatz gezwungen werden. Das Gericht hielt zweifelsfrei fest, dass eine derartige Klimaklage zulässig ist, weil Bürger in ihrem Grundrecht auf Gesundheit verletzt werden. Somit rückt diese Art von Schaden auf die Ebene von anderen nachweislichen Umweltschäden durch die Ausbringung giftiger Stoffe. Man erinnere sich ans FCKW, das bis 2010 verboten und erfolgreich aus dem Verkehr gezogen werden konnte. Der Kassationsgerichtshof stellte auch klar, dass italienische Gerichte das ENI für die durch Tochterunternehmen im Ausland emittierten Treibhausgase haftbar machen können, weil diese Entscheidungen im Mutterkonzern in Italien getroffen werden. Nun kann das Gericht von Rom tatsächlich prüfen, wieviel Schadenersatz dieser Konzern zu leisten hat, wann immer Auswirkungen des Klimawandels in Italien nachweisbar sind und Menschen direkt zu Schaden kommen. Und das dürfte nicht schwerfallen.