Wirtschaft | Marke Südtirol

Heißes Thema Regionalität

Man kann das beste Produkt haben – wenn niemand davon weiß, lässt es sich nicht verkaufen. Doch welche Chancen ergeben sich für lokale Produzenten? Und wie nachhaltig ist das?
David Frank IDM
Foto: SALTO
  • Wie und was es mit den regionalen Kreisläufen auf sich hat, welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt und wie man sein Produkt am besten an den Mann bzw. die Frau bringt, war Thema der Vollversammlung der Markennutzer des Qualitätszeichens Südtirol, die vor Kurzem von der Agrarabteilung der IDM im Meraner Kurhaus veranstaltet wurde. 

  • Erwin Hinteregger, Generaldirektor der IDM: „Die Marke Südtirol steht für ein sehr hohes Vertrauen.“ Foto: SALTO

    Das Markenzeichen kennzeichnet Lebensmittel mit gesichertem Ursprung sowie geprüfter Qualität und darf nur von land- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnissen aus Südtirol getragen werden, deren Qualität deutlich über dem gesetzlichen Standard liegt. Während sich die Erzeuger zur höchsten Qualität verpflichten, fördert das Land über die IDM die Marketingmaßnahmen für diese Produkte. Wie IDM-Generaldirektor Erwin Hinteregger erklärte, stehe das Qualitätszeichen für ein sehr hohes Vertrauen. Mittlerweile wird es von über 190 Herstellern getragen, über 500 Betriebe und Unternehmen profitieren von den Südtiroler Qualitätsprodukten direkt und indirekt. Besondere Synergien ergeben sich durch die Zusammenarbeit mit dem Tourismus. Die Qualität der Südtiroler Produkte, die auf den Tellern der Gäste angeboten werden, wird sehr wohl wahrgenommen, so Hinteregger, und trage insofern zu einer größeren Bekanntheit bei.

  • Marketing und Tourismus

    „Unser Ziel ist es, die Bekanntheit und Markenschärfe durch verschiedene Maßnahmen nicht nur zu erhöhen, sondern auch Bewusstseinsbildung bei den Konsumenten und Konsumentinnen zu betreiben und die Produktpalette auszubauen“, fasste David Frank, Koordinator des Qualitätszeichens Südtirol, die Zielsetzung der Agrarabteilung zusammen. Ein weiteres wichtiges Anliegen sei es, dass auch die Produzenten selbst als Botschafter für ihre Produkte nach außen treten und in die Entscheidungsprozesse besser eingebunden werden. Wie Frank erklärte, gebe es zehn Produktsektoren bzw. über 30 einzelne Produkte, die das Qualitätszeichen Südtirol tragen. Im Projekt „Regiolaib“, das gerade an den Start gegangen ist, dreht sich alles um das Thema regionales Getreide und Brot. Dieses wird begleitet von einer Kampagne, in welche auch die Bäckereien, die sich daran beteiligen, eingebunden sind. Durch entsprechende Werbematerialien wird der Kunde darauf aufmerksam gemacht, dass das verwendete Mehl in Südtirol hergestellt wurde. 

     

    „Sieben Mal muss laut einer aktuellen Studie ein Konsument heute in Berührung mit einem Thema kommen, damit er darauf aufmerksam wird.“

     

    „Sieben Mal muss laut einer aktuellen Studie ein Konsument heute in Berührung mit einem Thema kommen, damit er darauf aufmerksam wird“, unterstrich Frank die Bedeutung eines zielgerichteten Marketings. Sorgen bereiteten vor diesem Hintergrund das Verschwinden der kleinen Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien und Metzgereien, die zunehmend vom Großhandel verdrängt würden. Auch diese tragen neben den Produzenten zu einem funktionierenden regionalen Kreislauf bei. 

  • Zukunftsperspektiven der Qualitätsmarke Südtirol: Zu den bestehenden Produktgruppen sollen in den kommenden Jahren noch weitere hinzukommen. Foto: IDM Agrarmarketing
  • Ein Schwerpunkt für die kommenden Jahre liege auf der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sich beide Bereiche immer weiter voneinander entfernt, durch Sensibilisierung und Aufklärung versuche man nun wieder die Kluft zu überbrücken. Eine eigene Arbeitsgruppe soll dazu Lösungsvorschläge und Konzepte ausarbeiten. In diesem Kontext ist das Event „Gustoso“ entstanden, das am 19. November stattfindet. Es soll als Austausch-Plattform für Anbieter lokaler Produkte und Gastronomiebetriebe dienen, die sich bei dieser Gelegenheit kennenlernen und ins Gespräch kommen können. „Das Ziel ist es, dass im Anschluss dieser Veranstaltung langjährige Lieferbeziehungen entstehen“, so Frank.

     

  • Global, regional, egal?

    Zur Bedeutung der Herkunft bei der Lebensmittelvermarktung hielt Christian Fischer von der Freien Universität Bozen ein interessantes Referat. Der Agrarwissenschaftler führte dabei den Anwesenden einige Zahlen und Fakten vor Augen, insbesondere zum Thema Umweltauswirkungen, die einiges Staunen auslösten. So lautet eine Aussage, dass Regionalität nicht gleichbedeutend mit Nachhaltigkeit und geringem CO₂-Ausstoß ist, sondern dies im Wesentlichen vom Produkt selbst bzw. von den Produktions-Bedingungen abhängt. Wie der Agrar-Experte erklärte, habe er dieser Thematik eine ganze Vorlesungsreihe gewidmet. Daraus sind  zwei Bücher entstanden, wobei der erste Teil vor Kurzem unter dem Titel „Nahrungsversorgungssysteme heute und morgen“ erschienen ist.

  • Christian Fischer: „Wir sitzen alle in einem Boot und wir brauchen unsere Nachbarn, so wie sie uns brauchen. Regionalität sollte bis zu einem gewissen Grad ausgebaut werden; dieses Konzept sollte aber nicht zur Religion werden bzw. in eine extreme Form wie dem Regionalismus münden.“ Foto: SALTO
  • Was ist den Verbrauchern bei der Nahrungsmittelauswahl wichtig? Dieser Frage ist vor Kurzem das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO der Handelskammer nachgegangen, berichtete Fischer. Die Befragten nannten als wichtigsten Grund gesunde Lebensmittel bzw. dass sie frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen sein sollen, des Weiteren waren Tierwohl und „guter Geschmack“ Aspekte, nach denen ausgewählt wurde. In einer EU-weiten Studie, die im Jahr 2020 durchgeführt und bei der über 30.000 Personen befragt worden waren, lautete das wichtigste Kriterium, dass die Lebensmittel nährstoffreich sein sollen, als zweitwichtigster Aspekt wurde „pestizidfrei“ genannt. In Österreich und auch in Südtirol – insbesondere bei der deutschen Bevölkerung – spielt die Regionalität und Lokalität eine zentrale Rolle. 

  • Christian Fischer: Der Agrarwissenschaftler über die Frage, wo die in Südtirol produzierten Lebensmittel konsumiert werden. Foto: SALTO

    Abgesehen von Milch und Wein, werden in Südtirol aber verhältnismäßig wenig regionale Produkte tatsächlich konsumiert, sprich der Großteil der Äpfel muss exportiert werden, da es in Südtirol nicht genügend Nachfrage gibt. Im Rahmen seines Vortrages kam Fischer auf verschiedene Produktionskonzepte zu sprechen, so unter anderem jenes der geschützten Herkunftsbezeichnungen, die auch in den nordeuropäischen Ländern zunehmend wichtiger werden. Bei „lokalen“ Produkten ergibt sich das Problem der unterschiedlichen Definitionen: In manchen Ländern bedeutet lokal ein Umkreis von 100 Kilometer, in anderen nur wenige Kilometer, sprich es ist eine willkürliche Definition. Insofern komme bei dieser Produktpalette auch eine emotionale Komponente zum Tragen, denn der Produzent ist quasi der Nachbar, den man persönlich kennt. Der Frage, ob es überhaupt möglich wäre, die gesamte Weltbevölkerung lokal zu versorgen, sind einige Forscher nachgegangen. Das Ergebnis lautet, dass letztendlich dies bei nur einem Drittel der Menschheit möglich wäre. Der Grund dafür ist, dass bestimmte Grundnahrungsmittel wie Reis auf bestimmte Anbau-Regionen beschränkt sind. Soll ein beträchtlicher Teil der Menschheit nicht auf den Reiskonsum verzichten, muss dieses Produkt importiert werden. Ein weiteres wichtiges Thema, das Professor Fischer ansprach, betraf die Umwelt und die CO₂-Emissionen. Laut Welthandelsorganisation WTO wird ein Großteil der Emissionen durch die Landwirtschaft (ca. 83 %) verursacht, verhältnismäßig wenig entfällt dabei auf den Faktor Transport (ca. 3 %, inklusive Lagerung und Verpackung). Ein Drittel der globalen Treibhausgase wird durch das Nahrungsversorgungssystem verursacht, so Fischer, die Hälfte davon wiederum durch die Tierhaltung. Vor diesem Hintergrund stelle sich tatsächlich die Frage, wann es sinnvoll ist, etwas lokal zu produzieren oder aus anderen Ländern zu importieren. So haben Vergleichsuntersuchungen gezeigt, dass Äpfel aus Neuseeland, die zu einem bestimmten Zeitpunkt konsumiert werden, einen geringeren CO₂-Fußabdruck aufweisen als in Europa produzierte Äpfel. Den neuseeländischen Äpfeln kommt dabei zugute, dass verhältnismäßig wenig Energie für die Produktion aufgewendet werden muss, lediglich der Transport per Schiff fällt deutlich ins Gewicht. Zum Nachteil für den europäischen Apfel wird hingegen die Lagerung, sprich: Je länger der Apfel in der Lagerhalle ruht, desto höher der Energieverbrauch und damit CO₂-Fußabdruck. „Tatsächlich wird dieser Faktor in Zukunft noch mehr ins Gewicht fallen, weil auch der Transport ‚grüner‘ wird bzw. die entsprechenden Transportmittel umweltfreundlicher“, so Fischer. Kurzum: Manchmal ist es besser, lokal einzukaufen, manchmal ist es besser, global einzukaufen, sprich aus wissenschaftlicher Sicht ist ein Nebeneinander am sinnvollsten. „Wir sitzen alle in einem Boot und wir brauchen unsere Nachbarn, so wie sie uns brauchen. Regionalität sollte bis zu einem gewissen Grad ausgebaut werden; dieses Konzept sollte aber nicht zur Religion werden bzw. in eine extreme Form wie dem Regionalismus münden“, betonte der Agrarwissenschaftler. Und schlussendlich komme auch das Prinzip der Verbrauchersouveränität zum Tragen, wonach die Verbraucher das Recht haben, selbst darüber zu entscheiden, was sie konsumieren wollen und was nicht.

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nobody

Es heißt ja auch "regional und saisonal" und möglichst Bio. Wieso Äpfel in Neuseeland mit einem kleineren CO2-Fußabdruck produziert werden können erscheint auf den ersten Blick unlogisch. Da würde ich mir die Daten gerne genauer anschauen. Es ist davon auszugehen, dass landwirtschaftliche Produktion weltweit in etwa gleich funktioniert. Dass weite Transportwege unsinnig sind, dürfte auf der Hand liegen. Zudem wird vernachlässigt, dass Betriebe zunehmend auf selbst produzierten PV-Strom setzen. Die Recherchen wurden wohl etwas schnell abgearbeitet.

Di., 01.10.2024 - 11:16 Permalink

Die Witterung im heurigen Jahr, hat die geplante Abstimmung der Produktion auf den Bedarf ...???
Bei zu kalten Bodentemperaturen ist im April sogar das Unkraut nicht gewachsen,
-d a s- in der anschließende Dauerregen-Periode die Nutz-Pflanzen unterdrückt - + den Gärtner sehr viel Mühe gekostet hat,
-d i e- dann in der anschließenden Regen-armen Hitze-Periode, trotz Bewässerung recht kümmerliche Erträge gebracht haben!

So., 20.10.2024 - 17:32 Permalink