Umwelt | Baugewerbe

„Wir brauchen die Natur, sie uns nicht“

Baueingriffe in die Natur sind unvermeidbar. Die Umweltverbände Südtirols plädieren jedoch für einen achtsamen Umgang mit der Natur und wollen deshalb dabei helfen, das Bauen umweltfreundlicher zu gestalten.
Leitfaden für Eingriffe in die Natur
Foto: SALTO
  • Wo gebaut wird, geht Natur verloren – davon sind der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der Heimatpflegeverband und der Alpenverein Südtirol überzeugt. Das Artensterben nehme bedrohliche Ausmaße an und müsse gestoppt werden, weshalb dem achtsamen Umgang mit der Natur oberste Priorität zugesprochen werden müsse. Genau aus diesem Grund haben die drei Verbände einen Praxisleitfaden entwickelt, der Technikern, Planern, Behörden, Bauherren, Handwerkern und allen, die sich mit Eingriffen in die Natur beschäftigen, den Weg zu einem achtsamen Umgang mit der Natur weisen soll, um einen neuen Ansatz für den Bau von Projekten zu bieten. Das praxisorientierte Dokument stellt ein Nachschlagewerk dar, um Eingriffe in die Natur und ihren Ausgleich zu bewerten, Umweltbelange beim Bau von Strukturen von Anfang an mitzubedenken und die praktischen Anforderungen der Planung von Bauprojekten mit den Erfordernissen eines sinnvollen Natur-, Landschafts- und Biodiversitätsschutzes so gut wie möglich in Einklang zu bringen.

     

    „Wir brauchen die Natur, aber die Natur braucht uns nicht.“

     

    Des Weiteren ist eine Checkliste für die Kompensation der „angerichteten Schäden“ enthalten. Es sei nämlich wichtig, so Elisabeth Ladinser, Vizepräsidentin des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, dass man beim Bauen die Ökologie nicht außen vor lässt und die Natur berücksichtigt. „Wir brauchen die Natur, aber die Natur braucht uns nicht“, kommentiert sie. 
    Die drei Verbände sind sich sicher, dass der Leitfaden einen Beitrag dazu leisten kann, wenig sinnvolle Eingriffe in die Umwelt zu vermeiden und notwendige Eingriffe abzumildern oder zu kompensieren. „Aus unserer Sicht entsteht eine Win-Win-Win-Situation“, meint Florian Trojer, Geschäftsführer des Heimatpflegeverbandes, „Bauherren und Techniker erhalten mehr Planungssicherheit und Akzeptanz, Behörden und Beamte bekommen mehr prüffähige Rahmenbedingungen und die Gesellschaft profitiert von mehr Natur und Landschaft.“

  • Eingriffe in die Natur: Wo neu gebaut wird, muss die Natur oft Platz machen. Foto: Marco Agnoli
  • Kompensieren als letzter Ausweg

    „An erster Stelle sollte es vermieden werden, zerstörerische Eingriffe in die Natur und Landschaft zu tätigen“, erklärt Georg Simeoni, Präsident des Alpenvereins Südtirol. Sollte dies nicht möglich sein und die Baumaßnahme hinterlässt Schäden, gelte es, die Folgeschäden für Natur und Landschaft abzumildern. Dafür brauche es in Zukunft auch die Funktion der ökologischen Baubegleitung, denn nur eine Fachperson vor Ort auf der Baustelle könne rechtzeitig und schützend eingreifen. Ist schließlich auch das Mildern nicht möglich, müsse kompensiert werden, so Simeoni.
    Da in Südtirol auch in Zukunft noch gebaut werden wird, egal ob Straßen, Speicherbecken, Firmengebäude oder Wohnprojekte, erklärt der Praxisleitfaden, wie in solchen Fällen methodisch vorzugehen ist, um echte ökologische Ausgleichsmaßnahmen umzusetzen. Dabei müssen Größe und ökologische Wertigkeit der Verlustfläche vollständig durch eine Ersatzfläche ausgeglichen, sprich kompensiert werden. Diese aus naturschutzfachlicher Sicht korrekte Vorgehensweise ist für das Land Südtirol neu, weshalb die drei Verbände alle Planerinnen und Planer motivieren möchten, zukünftig diesen Weg bei Eingriffen in Natur und Landschaft einzuschlagen.

     

    „Wir sind gewillt, in diese Richtung zu handeln.“

     

    Das Projekt wird auch von der lokalen Politik unterstützt. So zeigt sich etwa der Landesrat für Raumordnung, Peter Brunner, erfreut über die Ausarbeitung der Broschüre. Er unterstreicht, dass der Leitfaden nicht nur den Umsetzern der Projekte dienen kann, sondern vor allem auch den Initiatoren, damit sich diese im Voraus bewusst sind, dass die Umwelt respektiert werden muss.  „Wir sind gewillt, in diese Richtung zu handeln und sehen diesen Leitfaden als einen wichtigen Schritt“, so Brunner. Er sieht die Broschüre auch als Sensibilisierungsinstrument, damit Südtirol einen wesentlichen Beitrag für die Umwelt leisten kann. Auch Gemeindeverbandspräsident Andreas Schatzer stimmt in diesen Chor ein und hebt die Natur als wichtiges Gut in Südtirol hervor, das gepflegt und unterstützt werden müsse.

  • Der Leitfaden

    Am 28. November 2024 sind Gemeinde- und Bautechniker zu einer Tagung nach Bozen eingeladen, wo in die Thematik eingeführt wird. Für das Jahr 2025 sind weiters Online-Weiterbildungen und Exkursionen geplant. Der Leitfaden kann hier als PDF heruntergeladen werden.