Kultur | Salto Afternoon

Faule Eier und Opferlämmer

Was sich die Theatermacher*innen Anna Heiss, Martin Bampi und Johanna Porcheddu vom Osterhasen wünschen. Eine (vor)österliche Umfrage in Meran, Brixen und Bozen.
Carambolage
Foto: Carambolage

Was wünschen sich die kleinen Theaterbühnen im Land vom Osterhasen 2021? „1. Ein Körbchen, das nicht 70- oder 90% gefüllt ist, sondern ganz. 2. Offene Löffelohren für unsere Bedürfnisse. 3. Dass wir nicht länger als Opferlämmer einer Repräsentationspolitik herhalten müssen. 4. Keine Versprechungen, die sich als faule Eier entpuppen. 4. Ein paar Zuckerlen für unsere Gäste noch vor dem Sommer“ kontert Anna Heiss von der Gruppe Dekadenz in Brixen humorvoll und schlagfertig. „Keine Eier!“ wünscht sich hingegen Martin Bampi vom Theater Carambolage. Er hofft „auf viele AHA-Fans, die die simplen Grundregeln verinnerlicht haben, sodass die Infektionszahlen niedrig bleiben und Theaterhäuser wieder öffnen dürfen. Kultur ist wichtig und notwendig! Schließlich belegen wissenschaftliche Studien, dass es keine öffentlichen Räume gibt, die unter Einhaltung der Hygienebestimmungen weniger infektiös sind als Theater, Kinos und Museen.“ Johanna Porcheddu vom Theater in der Altstadt in Meran wünscht sich eine „schrittweise Öffnung der Kulturbetriebe. Aber vor allem mehr Beachtung für diesen eigenständigen Bildungs- und Wirtschaftszweig. Ebenfalls wichtig ist natürlich, dass wir die Neugierde und das Verlangen nach Reflexion nicht verlieren.“

Auf alle Fälle hoffen wir, dass die Bestimmungen für alle Bereiche gelten, sprich Gastronomie, Handel, Tourismus usw. und nicht nur für den schon überstrapazierten und übervorsichtigen Kulturbetrieb.

Im Unterschied zu anderen Theater-Anbietern in Südtirol ist das Theater in der Altstadt in den vergangenen Monaten nicht auf den Streaming-Zug aufgesprungen, der viele lokale Bühnen in den internationalen Youtube-Bahnhof beförderte: „Wir haben nach anderen Wegen gesucht: eine Hörspiel-Produktion, Theater im Schaufenster oder theatralische Aktionen aus den ersten Etagen der Laubenhäuser...“ bemerkt Johanna Porcheddu. Anders die Bozner Carambolage. Dort gab es „Improtheater-Vorstellungen live im Facebook-Stream, Theaterproben auf Youtube, ein produziertes Hörbuch per Newsletter, oder ein für unsere Stammkunden abgefilmtes Carambolage-Konzert. Und natürlich das Live-Online-Theater Superspreader von Albert Ostermaier über Zoom“ erzählt Martin Bampi.


Und in Brixen? Vom Anreiterkeller aus wurden zwei Jazzkonzerte, eine Comedy-Show, drei Gesprächsveranstaltungen und eine Theaterproduktion produziert, die gestreamt werden konnten. „Das Abbilden eines Theaterabends ist immer Rudiment, die Integration vom Kameraauge schafft neue, spannende Formen" beobachtet Anna Heiss diese Entwicklung – „Sehr schön war die Erfahrung ein internationales Publikum empfangen zu können, das ausländische Künstler*innen mitgebracht hat. Besonders erfolgreich waren jene Veranstaltungen, die kreativ mit dem Medienmix umgehen.“

Ob und wie eine "kleine Theaterbühne" – in welcher Form auch immer – auf die großen, undurchsichtigen Machenschaften "beschränkter Kulturpolitik" im Land Einfluss nehmen kann? „Auf die Kulturpolitik fürchte ich sehr wenig“, findet Johanna Porcheddu und relativiert im nächsten Satz ihre Skepsis mit Optimismus: „Auf die Kulturproduktion dafür sehr viel. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“

Die Studien sind eindeutig. Das Theater ist einer der sichersten Orte.

„Sog es ins wos es braucht…“ (Sagt uns, was ihr benötigt…) ist ein Satz, den Anna Heiss und ihre Brixner Mitstreiter*innen immer wieder zu Ohren bekommen. „Die Mitarbeitenden des Kulturamts sind aufmerksam und hören sich unsere Wünsche und Nöte an,“ sagt sie – „Entsprechend dem politischen Kurs der Zeit, werden unsere Vorschläge auch umgesetzt. Manchmal wünsche ich mir eine Kulturpolitik, die mit Ideen voranschreitet und nicht in erster Linie auf unsere Impulse reagiert. Im Moment sind die Verhältnisse anders, weil von allen Seiten gezogen und gezerrt wird. Mein Stil ist es nicht, marktschreierisch auf unsere Bedürfnisse zu pochen oder durch Beziehungsarbeit zu taktieren. Mitunter habe ich den Eindruck die Haltung lähmt eine Öffnung, gegen die ja wirklich gar nichts spricht. Die Studien sind eindeutig. Das Theater ist einer der sichersten Orte.

Keine klaren Richtlinien

Wie die Dekadenz will auch die Carambolage „mit der Programmgestaltung Akzente setzen und Impulse geben, die von gesellschafts- und kulturpolitischer Relevanz sind“ meint Martin Bampi und hebt hervor, dass die Carambolage „organisatorisch gut vernetzt ist und im regen Austausch mit den anderen Städtetheatern, den produzierenden Theatern, dem STV sowie grenzüberschreitenden Verbänden aus dem Bereich der Kleinkunst steht. Netzwerke sind nicht nur in Krisenzeiten sehr hilfreich und notwendig, um gemeinsame kulturpolitische Interessen voranzutreiben.“

Und wie wird in die Zukunft geblickt? „Ein Sicherheitskonzept, an dem Vertreter*innen verschiedener Institutionen mitgearbeitet haben, gibt es.“ verrät Anna Heiss, glaubt aber, dass Ansätze wie „reduzierter Eintritt, Abstände einhalten, Datenerhebung usw., Tests und Impfpass aus organisatorischen, juristischen und finanziellen Gründen nur sehr schwer umsetzbar sein werden.“


„Nachdem es bisher keine klaren Richtlinien gibt, wissen wir derzeit nicht, ab wann und unter welchen Bedingungen wir wieder aufsperren dürfen“, bedauert Martin Bampi, sieht aber dennoch hoffnungsvoll einer baldigen Öffnung entgegen. „Sicherlich werden wir keine volle Bestuhlung haben, es wird auch Maskenpflicht herrschen, Abstandsregelungen – das Übliche, was wir schon kennen“, meint dazu Johanna Porcheddu und gibt noch einen abschließenen Hinweis an alle: „Auf alle Fälle hoffen wir, dass die Bestimmungen für alle Bereiche gelten, sprich Gastronomie, Handel, Tourismus usw. und nicht nur für den schon überstrapazierten und übervorsichtigen Kulturbetrieb.“