Gesellschaft | Mobilitätspolitik
Verkehrswende oder Aktionismus?
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Südtirol – die Musterregion für aktive Mobilität in den Alpen
Wir haben bald Wahlen und da entwickeln die Kandidierenden ein gutes Gespür dafür, was für die Menschen wichtig ist. Aus meiner Sicht erfreulich ist der Umstand, dass alle politischen Lager erkannt haben, wie zentral und wichtig Radfahren und Zufußgehen zusammen mit anderen Formen der aktiven Mobilität in Zukunft sein werden. Die Vorschläge blühen aus allen Kanälen: Da noch schnell einen Radschnellweg planen, dort einen gefährlichen Straßenabschnitt etwas entschärfen, schnell mal die Kinder, Senioren, die Eltern mit Kinderwagen vor den gefährlichen Autos schützen. Das ist gut und wichtig!
Erleben wir den von vielen ersehnten Paradigmenwechsel in Richtung Nachhaltigkeit in der Mobilitätspolitik oder handelt es sich bei vielem, was heute verkündet wird, eher um Mobilitätskosmetik? Tatsächlich: Wenn man die Erklärungen anhört, die uns von allen Seiten entgegenschallen, rücken Fahrräder und Zufußgehende in den Focus der großen und der kleinen Politik und es werden ambitionierte Ziele verkündet, wie etwa 20% mehr Radverkehr bis 2030.
Schaut man aber die Budgets und die laufenden Planungen näher an, kommt dieses hoffnungsfrohe Bild ins Wanken: Parkgaragen, Autostraßenabschnitte und -brücken, teure Umfahrungen und andere Infrastrukturmaßnahme pro Auto haben auch in Südtirol weiterhin erste Priorität und binden den allergrößten Teil der verfügbaren Mittel. Der öffentliche Raum wird weiterhin von den offensichtlich so bequemen Blechkisten dominiert, die uns hurtig - oder eben auch nicht! - überall hinbringen und dann das machen, was sie weltweit im Schnitt über 23 Stunden am Tag tun: Herumstehen.
Eines ist klar: Das Auto wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch eine Rolle spielen, aber seine Bedeutung im Mobilitätsmix wird abnehmen, wie es uns entwickelte Weltregionen zeigen, etwa in den skandinavischen Ländern, aber auch in Asien und Südamerika. Und es wird auch weiterhin und natürlich auch in Südtirol Mobilitätsanforderungen geben, bei denen das Auto das Mittel der Wahl ist, etwa in ländlichen Regionen.
Aber es gibt in Südtirol acht Städte und einige räumliche Agglomerationen, in denen sich heute der Großteil der Autofahrten abspielt und wo es sehr große Umschichtungspotenziale gibt.
Hier sehe ich das Potenzial, Südtirol nicht nur in Form von Ankündigungen, sondern auch mit einem detaillierten und finanziell ausreichend unterlegten Aktiv-Mobilitätsplan zu einer Musterregion nachhaltiger Mobilität zu entwickeln.
Es kann uns nicht egal sein, wie wir uns künftig im Raum bewegen und welche „Beweg“-Gründe wir dafür haben. Was für uns gilt, gilt auch für die „Südtiroler auf Zeit“, die Gäste der Destination Südtirol, denen wir neben alternativen Anreiseformen auch Möglichkeiten und vor allem Informationen geben müssen, wie sie ihren Urlaub ohne Auto erlebnisreich, schonend und nachhaltig verbringen können. Und: das klappt nur, wenn wir BürgerInnen es ihnen vormachen.
Südtirol hat in diese Richtung bereits einige wichtige Schritte unternommen, es fehlt aber nach wie vor an klaren Prioritäten in Richtung Förderung der Aktiv-Mobilität und der öffentlichen Beförderungsalternativen, die noch sehr hohe Ausbaupotenziale haben.
Zu oft werden klare Entscheidungen gemieden und in allen Bereichen ein bisschen etwas getan, um alle irgendwie zufrieden zu stellen. Das funktioniert immer weniger und wir merken, dass es noch kein wirkliches Umdenken in Form einer landesweiten Ökologisierung des Personentransportes gibt.
Man hört ja schon wieder von Ausbauplänen für die Pustertal-Schnellstraße, Riesenumfahrungen der Töll, Tunnels unter dem Sellastock und anderen Träumen der automobilen Fortschreibungslogiker.
Zukunft sieht anders aus. Wir müssen heute, jetzt, die Grundlagen dafür schaffen!
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