Gesellschaft | Schule

5 Tage Galgenfrist

Innerhalb von zwei Tagen müssen Südtirols Schulbedienstete den Super-GreenPass vorlegen. Kurz vor Weihnachten ist das Chaos in Südtirols Schulwelt vorprogrammiert.
Lehrer
Foto: upi
In Corona Zeiten ist alles möglich.
Einschneidende gesetzliche Maßnahmen werden in einer ähnlichen Geschwindigkeit durchgesetzt, wie sich das Virus verbreitet. Das wird jetzt bei der Umsetzung der Impfpflicht im Südtiroler Bildungsbereich deutlich.
Am späten Montagnachmittag haben der Generaldirektor der Südtiroler Landesverwaltung Alexander Steiner, und die drei Bildungsdirektoren Edith Ploner, Gustav Tschenett und Vincenzo Gullotta ein Rundschreiben unterzeichnet, das Südtirols Schulwelt in den kommenden Tagen vor kaum überwindbare Aufgaben stellen wird. Innerhalb von nur zwei Tagen werden zehntausende Bedienstete im Bildungsbereich ihre Impfstatus schriftlich erklären müssen, gleichzeitig müssen noch diese Woche Hunderte von Suspendierungen eingeleitet und noch vor Weihnachten exekutiert werden. Vor allem aber wird man diese Lehr- und Bildungskräfte noch vor den Weihnachtsferien in den Schulen, Kindergärten und Musikschulen ersetzen müssen.
Das absolute Chaos ist damit vorprogrammiert“, sagt etwa die ASGB-Schulgewerkschafterin Petra Nock.
 

Die Impfpflicht

 
Mit dem Gesetzesdekret Nr. 172 vom 26. November 2021 hat die Regierung Draghi die Impfpflicht zur Vorbeugung gegen die Infektion mit SARS-CoV-2 auch auf das Personal des nationalen Schulsystems sowie auf das Personal der in die Zuständigkeit der Regionen und Autonomen Provinzen fallenden Berufsbildung ausgedehnt. 
Mit dem Rundschreiben „Bestimmungen über die operative Umsetzung der ab dem 15. Dezember 2021 in Schule und Kindergarten geltenden Impfpflicht“ haben die General- und die Bildungsdirektionen jetzt die neuen Spielregeln festgelegt.
Es ist die Übernahme der staatlichen Regelung.
Die neue Impflicht gilt für das Kindergartenpersonal, die Bediensteten der Grund-, Mittel- und Oberschulen, den Schulen der Berufsbildung aber auch für die Südtiroler Musikschulen. Ab sofort wird es nicht mehr möglich sein, dass Bedienstete dieser Bildungseinrichtungen täglich getestet zur Arbeit erscheinen.
 
 
 
Dem Rundschreiben sind zwei Erklärungen beigelegt. Demnach muss jeder und jede innerhalb des 15. Dezember - konkret heißt das innerhalb von zwei Tagen -  die Impfbescheinigung/- dokumentation oder eine bestehende Impfvormerkung vorlegen oder eine Bescheinigung über die Befreiung/den Aufschub der Impfung. Die Impfvormerkung muss innerhalb eines Zeitraums von maximal 20 Tagen liegen.
Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen der Führungskraft den Impfnachweis dann innerhalb von drei Tagen nach Verabreichung der Impfung vorlegen. Bis dahin können sie unter der bisher geltenden 3G-Regelung weiterarbeiten.
Lange Zeit war nicht klar, ob auch eine Genesung gilt. Hier gab es unterschiedliche Rundschreiben der verschiedenen Bildungsdirektionen, die unter der Belegschaft große Verwirrung ausgelöst haben.
Jetzt ist klar, dass auch eine Genesung gilt.
 

Die Suspendierung

 
Das Rundschreiben ging an die Direktionen, die es dann intern an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen. Die Schulführungskräfte müssen die Erklärungen auch am 15. Dezember überprüfen und kontrollieren.
Das Personal, das innerhalb Mittwoch weder Belege über die erfolgte Impfung, die Impfvormerkung oder über die Impfbefreiung vorlegt, wird von der Schulführungskraft aufgefordert innerhalb von 5 Kalendertagen ab Erhalt der Aufforderung den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen.
Wer das nicht tut, darf ab diesem Tag die Schule nicht mehr betreten und wird vom Dienst suspendiert. Demnach endet diese Galgenfrist am 20. Dezember.
Innerhalb der Bildungswelt ist damit längst klar, dass es noch vor den Weihnachtsferien zum großen Crash kommen könnte. Denn ab 21. Dezember werden Hunderte Bedienstete im Bildungswesen ausfallen.
 
 
Laut Schätzungen der Schulverwaltung sind derzeit noch rund 15 Prozent des Bildungspersonals ungeimpft. „Wir gehen davon aus, dass sich am Ende so zwischen 8 und 10 Prozent suspendieren lassen“, sagt SSG-Gewerkschafterin Petra Nock. Immer wieder hätten sich in den vergangenen Wochen Lehrerinnen und Lehrer gemeldet, die sich lieber sechs Monate lang - so lange gilt eine mögliche Suspendierung - suspendieren lassen als sich zu impfen.
 

Die Personalsuche

 
Die große Frage, die bisher aber von der Bildungsdirektion noch von der Politik geklärt wurde: Wie ersetzt man diese suspendierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
 „In den Direktionen geht man davon aus, dass die anderen Lehrkräfte den Großteil der Stunden der suspendierten Kolleginnen und Kollegen übernehmen werden“, heißt es bei den Schulgewerkschaften. Genau das dürfte aber wohl mehr Wunschdenken als Realität sein.
Unter dem Titel „Ersatzpersonal“ steht im Rundschreiben der Bildungsdirektionen:
Um suspendierte Lehrkräfte der Grund-, Mittel und Oberschulen zu ersetzen, vergibt die Führungskraft befristete Verträge, die automatisch enden, wenn die Suspendierung endet.“
Auch das dürfte einmalig sein. Denn das heißt, dass ein solcher Ersatzlehrer einen Auftrag übernimmt und nach fünf Wochen entscheidet sich die suspendierte Lehrkraft doch noch zur Impfung zu gehen und kehrt an ihren Arbeitsplatz zurück.
Der Ersatz darf dann wieder gehen.
Schöne Berufsaussichten sind das.
 
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Stereo Typ Di., 14.12.2021 - 13:05

Wie beim Gesundheitspersonal pfeift man jetzt einfach auf bewährte und erfahrene Lehrkräfte. Sie sind beliebig austauschbar, ein besonderes Engagement lohnt sich nicht. Hauptsache, man ist geimpft. Eine bittere Erfahrung. Dass man stets getestet war und wohl nicht wesentlich zum Infektionsgeschehen beigetragen hat, spielt keine Rolle. Ich bin sprachlos.

Di., 14.12.2021 - 13:05 Permalink
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Johannes Kager Di., 14.12.2021 - 15:07

Innerhalb zwei Tagen stimmt nicht, denn das Gesetz und der zeitliche Rahmen sind ja seit Ende November bekannt.
Außerdem wurde bereits am 03. Dezember eine Mitteilung gez. von Herrn Tschenett an alle Führungskräfte gesendet, welche das Vorgehen skizzierte. Diese wurde den Lehrpersonen weitergeleitet.

Di., 14.12.2021 - 15:07 Permalink
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gorgias Di., 14.12.2021 - 16:02

Man hätte als Termin den 30. Juni dieses Jahres festlegen sollen. Wer sich bis dahin nicht impfen lassen will, der kann dann die Sommerferien als Suspendierter genießen. Wer befristet angestellt ist, braucht sich dann auch nicht mehr für das nächste Schuljahr bewerben.
So hätte man sich organisatorisch besser darauf vorbereiten können.

Di., 14.12.2021 - 16:02 Permalink
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Stefan S Di., 14.12.2021 - 17:04

Das paradoxe ist oder eigentlich schon tragische, es trifft genau die welche man doch so sehr schützen wollte in der Pandemie, Kinder und Pflegebedürftige.
Blinder Aktionismus welcher zu Himmel schreit....

Di., 14.12.2021 - 17:04 Permalink
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Martin Sitzmann Mi., 15.12.2021 - 12:30

Die Dame auf dem (pixabay?) Foto ist nicht Frau Nock. Daher ist die Bildunterschrift etwas missverständlich. Das nur so nebenbei.

Dass man beim derzeitigen Personalmangel auch noch Supplenten suchen soll, die nicht einmal wissen, wie lange sie angestellt sind, ist schlicht eine Zumutung. Aber dafür ist Rom verantwortlich, nicht Bozen.
Ganz so plötzlich muss der/die Supplent/in dann doch nicht wieder gehen:
Wenn die Suspendierung einmal ausgesprochen ist, bleibt sie bis zum Nachweis des abgeschlossenen primären Impfzyklus bestehen - d.h. bis zur erfolgten und dokumentierten 2. Impfdosis. Bei den mRNA-Impfstoffen, die derzeit verimpft werden, bedeutet das, dass die Vertretung noch mindestens 3 Wochen bleiben kann, sobald der/die Stelleninhaber/in sich endlich zur Impfung entschlossen hat.

Mi., 15.12.2021 - 12:30 Permalink
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Stefan S Mi., 15.12.2021 - 17:03

Antwort auf von Martin Sitzmann

"Aber dafür ist Rom verantwortlich, nicht Bozen."
Aber Ihnen ist schon bewusst das dies an der paradoxen Situation nichts ändert.
"bedeutet das, dass die Vertretung noch mindestens 3 Wochen bleiben kann" aha, da warten jetzt lauter Vertreter-innen und sind ganz scharf darauf einen prikären Arbeitsplatz ohne festgelegten Zeithorizont zu übernehmen. Ist aber auch kein Geheimnis das die öffentliche Hand statistisch gesehen mit die größten Anbieter von prikären Arbeitsverhältnisse sind.
Wer den Politikverdruss weiter fördern will handelt genau so!

Mi., 15.12.2021 - 17:03 Permalink
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Martin Sitzmann Mi., 15.12.2021 - 17:28

Antwort auf von Stefan S

Ich bin zu 100% Ihrer Meinung und habe ja geschrieben, dass diese Arbeitsverhältnisse eine Zumutung sind: für die Leute, die so eine Stelle annehmen sollten, und für die Leute, die diese Leute irgendwo in den ausgetrockneten engen Ritzen des Südtiroler Arbeitsmarktes mit der Lupe suchen sollen...

Mi., 15.12.2021 - 17:28 Permalink
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Katja Renzler Mi., 15.12.2021 - 18:56

Es wird wohl ein frommer Wunsch der Schulführungskräfte bleiben, dass sich die geimpften Kolleg*innen nur so darum reißen werden, die ausfallenden Lehrpersonen zu ersetzen- denn jede*r in der Bildungswelt ist seit langem auf dem Zahnfleisch unterwegs. Auch wir Lehrpersonen. Irgendwann muss auch mal genug sein mit dem vorausgesetzten Idealismus möglichst zum Nulltarif.

Auch glaube ich kaum, dass so viele Pensionist*innen anbeißen werden. Jene, die ich kenne, sind alle heilfroh, dass sie Corona nicht mehr mitmachen müssen.

Und angehende Lehrpersonen (d.h. jene in Ausbildung) sind meiner Meinung nach gut beraten, prioritär einmal ihr Studium abzuschließen, um sich dann um einen besserbezahlten Job im naheliegenden Ausland zu bewerben.

Ende Gelände: Wile E. Coyote lässt grüßen! Und Roadrunner biept hämisch dazu.

Mi., 15.12.2021 - 18:56 Permalink
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Elisabeth Garber Mi., 15.12.2021 - 21:06

Antwort auf von Katja Renzler

Heute im Mittagsmagazin gab's einen tollen Anruf. Eine Frau hat erzählt, dass in der Grundstufe ihres Kindes eine Kellnerin unterrichte und dass sie an deren Kompetenzen (schon irgendwie) zweifle, dann war noch die Rede von einer Studentin, die die ganze Zeit (stundenlang) irgendwas mit den Kindern spiele, weshalb diese Studentin so narrisch beliebt sei und zwar bei allen Kindern. Habe mich mit meinem Käsebrot in der Mittagspause fast verschluckt wegen des komischen Telefonats.

Mi., 15.12.2021 - 21:06 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 15.12.2021 - 19:04

Provokation: Ungeimpftes Schulpersonal ist ab 23.12. suspendiert (mit allen Konsequenzen). Solange bis Status geklärt. Die "ErstsatzspielerInnen" beginnen ihren Einsatz mit 24.12. und erhielten so zumindest 2 Wochen bezahlten Urlaub, der den anderen eigentlich gar nicht zusteht. = Ansporn auf beiden Seiten. Wie geschrieben: Provokation!

Mi., 15.12.2021 - 19:04 Permalink
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Profil für Benutzer Katja Renzler
Katja Renzler Mi., 15.12.2021 - 19:17

Antwort auf von Klemens Riegler

Coole Provokation- ist aber meines Wissens nicht möglich. Gewöhnlicherweise wird kurz vor Ferien so gespart, dass vakante Posten über wenige Tage (alles bis max.10 Tage) durch gewöhnliche Supplenzen vonseiten der Kolleg*innen überbrückt werden müssen. Eine Anstellung einer schulexternen Lehrperson wird also erst nach den Weihnachtsferien möglich sein. Vielleicht irre ich mich aber auch.

Jedenfalls: Freiwillige vor ;-)

Fast möchte ich sagen: Endlich DIE Gelegenheit für alle jenen, welche gerne dem Lehrpersonen-Bashing frönen. Nix wie ran an den Futtertrog! *Ironie off*

Mi., 15.12.2021 - 19:17 Permalink