Wirtschaft | Energiepreise

Abstrafung für grüne Energie

Der Südtiroler Energieverband geht mit dem "Decreto Sostegni" hart ins Gericht: "Unternehmen, die angesichts der Klimakrise alles richtig gemacht haben, werden bestraft."
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Foto: Greta Karlegger

"Sie erzeugen 'grüne' Energie aus Sonne, Wind oder Wasser, ersetzen teure Rohstoffimporte – und werden jetzt trotzdem bestraft", kritisiert der Südtiroler Energieverband SEV das am 27. Januar in Kraft getretene Dekret der italienischen Regierung, das die stark steigenden Strompreise abfedern soll. Um die Unterstützung energieintensiver Unternehmen zu gewährleisten, sollen ausgerechnet die Produzenten erneuerbarer und nachhaltiger Energie die Ausgleichszahlungen stemmen.

 

Das Dekret

 

Konkret sieht das neue Dekret einen komplizierten Ausgleichsmechanismus vor: Photovoltaik-Anlagen, Windparks, und Wasserkraftwerke mit einer Leistung von mehr als 20 Kilowattstunden werden – unter bestimmten Umständen – zur Rückzahlung von "Extraprofiten" verpflichtet, die aufgrund der hohen Strompreise entstanden sind. "Damit werden viele Unternehmen, die angesichts der globalen Klimakrise eigentlich alles richtig gemacht haben, nicht belohnt, sondern beziehen Prügel", erklärt dazu der Generaldirektor des Südtiroler Energieverbands SEV Rudi Rienzner.

 

Und weiter: "Die Ausgleichszahlungen treffen einen wichtigen Zukunftsbereich, der laut den Vorgaben des europäischen Green Deals eigentlich ausgeweitet und gefördert werden sollte", so Rienzner. Südtirol, das jährlich knapp sieben Gigawattstunden erneuerbare Energie erzeugt und weniger als die Hälfte davon selbst verbraucht, wird davon besonders getroffen.

Für den Pressesprecher des SEV Klaus Hartig fußt die getroffene Maßnahme auf einer einfachen populistischen Überlegung: Produzenten von erneuerbarer Energie haben aufgrund der steigenden Strompreise Gewinne geschrieben; diese schöpfen wir jetzt ab. Wie Rienzner betont, würden die meisten E-Werke für die in ihren Anlagen produzierte Energie jedoch Terminverträge abschließen, die auf Preisen beruhen, die viele Monate vor der eigentlichen Lieferung festgelegt werden. Von Gewinnmitnahmen könne in diesen Fällen also keine Rede sein, so Rienzner. Gleichzeitig betont der SEV, dass Produzenten erneuerbarer Energien unterstützt und ausgebaut und nicht abgestraft werden müssten, um einen unabhängigeren und somit auch preislich stabileren Energiemarkt zu schaffen.

 

Ausbau und Unterstützung nötig

 

Verantwortlich für die Preisrallye auf dem Strommarkt ist - so der SEV - der Anstieg der Preise für fossiles Gas. Dieser Brennstoff kostet heute 80 Euro pro Megawattstunde (MWh). In den vergangenen Jahren lag der Durchschnittspreis bei 20 Euro pro MWh. Italien erzeugt 50 Prozent seines Strombedarfs mit fossilem Gas und 90 Prozent davon werden importiert. Angesichts dieser Abhängigkeit und eines nahezu unveränderten Anteils der erneuerbaren Energien von 41 Prozent am nationalem Produktionsmix kostete Italien die Versorgung mit elektrischer Energie im Jahr 2021 nach vorläufigen Schätzungen 75 Milliarden Euro. Hätte das Land die Ziele des europäischen Green Deals mit einem Anteil der erneuerbaren Energieträger von 72 Prozent an der nationalen Stromerzeugung schon heute erreicht, würde diese hohe Gesamtrechnung – laut Berechnungen des Branchenverbands Elettricità Futura – auf 44 Milliarden Euro sinken.

Der Ausgleichsmechanismus aus dem Decreto Sostegni sei daher "kein brauchbares Mittel zur Eindämmung der derzeitigen Notlage" heißt es auch in einem am 28. Januar veröffentlichten und – neben vielen anderen – von Elettricità Futura und Italia Solare, von Greenpeace, Legambiente und WWF Italia sowie von Verbraucherschutzorganisationen unterzeichneten Appell. Ihre Schlussfolgerung ist eindeutig: Nur der Ausbau der Produktion erneuerbarer Energie könne dazu beitragen, die hohen Strompreise wirksam zu reduzieren.