Politik | Aus dem Blog von Lorenz Gallmetzer

Königin Merkel, die Milliardäre und die Gerechtigkeit

Im Herbst vergangen Jahres meldeten deutsche Medien Rekordgewinne der Reichen. So titelte die konservative „Die Welt“*: „Deutschlands Milliardäre sind so reich wie nie“ – und: „Deutschlands Superreiche sind reicher denn je.“

Mein salto-Beitrag über die „Königin Merkel und das deutsche Modell“ ist erfreulicherweise auf Interesse gestoßen. Dabei setzen sich die meisten Kommentar-Autoren mit ganz grundsätzlichen Fragen der Wirtschaftspolitik – und wiederholt – mit einem Vergleich zu Italien auseinander. Das ist sehr interessant. Ich hatte in meinem Beitrag eigentlich nur darauf aufmerksam machen wollen, welche enormen „sozialen Kollateralschäden“ die Reformen der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder (Agenda 2010 und Hartz IV) mit sich gebracht haben und dass der Preis für den deutschen Wirtschaftsboom mitten in den Krisenjahren unter anderem einen drastischen sozialen Abstieg erheblicher Teile der deutschen Bevölkerung zur Folge hatte. Jeder 7. Haushalt ist arm oder armutsgefährdet.

Weil blog-Beiträge ja nicht zu lang sein sollen, hatte ich die Kehrseite der Medaille vernachlässigt. Während nämlich jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis in der stärksten Wirtschaftsmacht Europas ein sogenanntes „atypisches“ ist (Teilzeit, Mini-jobs, Leiharbeit etc.), von denen die Leute schlecht, oft kaum und sehr oft gar nicht leben können, hat sich der Reichtum der Millionäre und Milliardäre ständig vermehrt.

Keine Lehren aus der Finanzkrise

Auch aus der schlimmsten internationalen Finanzkrise seit den berüchtigten 1920er Jahren wurden keine ernsten Konsequenzen gezogen. Während in Deutschland, wie in ganz Europa, die Notenbanken – also wir Steuerzahler – Rettungspakete bis zur Billionenhöhe garantieren, um Banken, Finanzinstitute, Versicherungen und Spekulanten vor dem crash zu retten, spekulieren die schon wieder höchstfröhlich in alter Manier, zahlen ihren Brokern und Managern schon wieder Boni in Millionenhöhe pro Jahr und widersetzen sich erfolgreich jeglicher vernünftigen Neuordnung der Finanzindustrie.

Da handelt es für mich dann nicht mehr um einen  Disput über verschiedene Modelle und Philosophien der Wirtschaftspolitik, da geht es schlicht und einfach um soziale Gerechtigkeit.

Demokratische Gemeinwesen, die mutwillig und aus reiner Profitgier die Verarmung eines Fünftels ihrer Bevölkerung, die Verarmung ganzer Landesteile und Staaten sowie das Verkommen lebenswichtiger Infrastruktur in Kauf nehmen, müssen nicht nur mit großen Zweifeln an ihrer Legitimität rechnen. Sie müssten sich vor allem darüber Sorgen machen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nachhaltig beschädigt wird, dass Politikverdrossenheit, nationalistischer Populismus, Kleinkriminalität und soziale Spannungen in Armutsregionen rasch anwachsen. Wollen wir bald in einer Zivilisation leben, in der – wie in den USA schon weit verbreitet – der gehobene Mittelstand und die Reichen in „gated communities“, also in abgeschlossenen und eingezäunten Siedlungen, mit Privatpolizei, Videoüberwachung und gepanzerten Limousinen leben?

Diese Gefahr haben auch viele der Reichen längst erkannt. Als erster der Finanzmagnat und drittreichste Mann der Welt, der Amerikaner Warren Buffet. Er forderte eine kräftige Mehrbesteuerung der Milliardäre. Ebenso 16 prominente Unternehmer Frankreichs in einem Appell. In Deutschland hat sich nur ein halbes Dutzend vergleichbarer Großkapitalisten zu ähnlichen Aufrufen hinreißen lassen, gemeinsam mit Intellektuellen á la Günter Grass. Aber immerhin.

Die Verantwortung Deutschlands in Europa

Und zur Rolle und Verantwortung Deutschlands bei der Krisenbewältigung in Europa möchte ich zwei ältere Zitate anführen. Sie stammen aus der Zeit, in der in Deutschland besonderer Unmut über die Hilfspakete für Griechenland und andere Krisenstaaten aufgekommen war. Den Deutschen eindringlich in Erinnerung gerufen hat der sozialdemokratische Alt-Kanzler Helmut Schmidt deshalb die historische Verantwortung seines Landes und die Notwendigkeit einer steten und berechenbaren Außenpolitik angesichts der enormen deutschen Handelsbilanzüberschüsse „chinesischen Ausmaßes“ Zitat: „Alle unsere Überschüsse sind in Wirklichkeit die Defizite der anderen (…) Es handelt sich um eine ärgerliche Verletzung des einstmals von uns zum gesetzlichen Ideal erhobenen „außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.“ In die gleiche Kerbe schlug der CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf:  „Seit es den Euro gibt haben wir im EU-Bereich rund achthundert Milliarden Bilanzüberschuss erwirtschaftet. (…) und bezahlt wurde er von den Ländern, in die wir exportiert haben.(…) Die Folge ist, dass in diesen 8-9 Jahren wir im Grunde genommen (…) im Jahr 100 Milliarden Subvention für unsere Wirtschaft bekommen haben.“ Beide – Schmidt und Biedenkopf – appellierten an die Deutschen, sich daran zu erinnern, dass sie ohne die Hilfe der USA und der Nachbarn wohl kaum aus den Trümmern der Nazikatastrophe wieder auferstehen hätten können und dass sie deshalb heute zur europäischen Solidarität verpflichtet sind.  Schmidt: “Aber zwangsläufig wird auch eine gemeinsame Verschuldung unvermeidbar werden (Eurobonds!). Wir Deutschen dürfen uns dem nicht national-egoistisch verweigern.“

*Links zu Die Welt Deutschlands Milliardäre sind so reich wie nie und zu Format.at Trend-Ranking: Die 100 reichsten Österreicher

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Benno Kusstatscher Mi., 12.03.2014 - 00:43

Ich finde es etwas verkürzt, die Schröderschen Reformen nur unter dem einen Licht zu beurteilen. Es war notwendig, etwas zu tun und es wurde getan. Ohnedem würde Deutschland heute nicht so selbstbewusst dastehen. Allerdings ist auch die Kritik an den Folgen berechtigt, und es muss endlich wieder gegengesteuert werden. Bleibt die Frage, warum der allgemeinen Einsicht keine Taten folgen.

Mi., 12.03.2014 - 00:43 Permalink
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Jutta Kußtatscher Mi., 12.03.2014 - 15:54

Antwort auf von Alfonse Zanardi

Herr Zanardi, wobei wir den Kelch sofort an Lorenz Gallmetzer persönlich weiterreichen möchten, der für salto.bz mit seinen Beiträgen weitere Fenster in die Welt öffnet. Lorenz Gallmetzer gebührt die Gratulation und ein herzlich Willkommen von uns allen!
Es gilt mit salto.bz noch viele Fenster zu öffnen.
Jutta Kußtatscher

Mi., 12.03.2014 - 15:54 Permalink