Wirtschaft | Elternzeit für Väter

Vater nicht nur auf dem Papier

Das AFI präsentiert zum Vatertag einen Rückblick auf die letzten fünfeinhalb Jahre, in denen das Familiengeld+ an Väter in Elternzeit ausbezahlt wurde und zieht Bilanz.
Vater mit Tochter
Foto: Pixabay

Während ein längerer Vaterschaftsurlaub nach der Geburt in vielen nordeuropäischen Ländern Standard ist, der sowohl von den einzelnen Betrieben als auch von der Gesellschaft erwartet wird, ist dieser in Italien - und somit auch in Südtirol - noch immer die Ausnahme: 2020 wurden nur etwa 82 der rund 5.200 Kinder, die im selben Jahr in Südtirol geboren wurden, über den obligatorischen Vaterschaftsurlaub von zehn Tagen hinaus von ihren Vätern betreut.

Eine Zahl die sowohl die gesellschaftlichen Erwartungen als auch die finanziellen Unmöglichkeiten vieler Familien, Vaterschaftsurlaub zu beziehen, widerspiegelt. Das Landesfamiliengeld+, das seit 2016 in Südtirol ausbezahlt wird, soll hier Abhilfe schaffen und Väter dazu ermächtigen und motivieren, die Pflegearbeit für einige Monate zu übernehmen. Denn wie der Geschäftsführer des Arbeitsförderungsinstituts AFI/IPL, Dieter Mayr, erklärt, führt der Weg zu einer tatsächlichen Chancengleichheit unweigerlich auch über eine Elternzeit der Väter.

Kurz vor dem Vatertag am 19. März, hat das AFI nun einen Rückblick auf die letzten fünfeinhalb Jahre seit der Einführung des Landesfamiliengeldes+ präsentiert.

 

Während der obligatorische Mutterschaftsurlaub nach beziehungsweise um die Geburt fünf bis sieben Monate beträgt, beschränkt sich der obligatorische (und bezahlte) Vaterschaftsurlaub hingegen auf zehn Tage. Wollen sich arbeitende Eltern über diesen Zeitraum hinaus um ihre Kinder kümmern, haben beide Elternteile die Möglichkeit, auf insgesamt zehn Monate fakultative Elternzeit zurückzugreifen, wobei nur in den ersten die ersten sechs Monate ein Einkommen von 30 Prozent garantiert wird. Jeder weitere Tag muss von den Betroffenen selbst finanziell gestemmt werden.

“In vielen Fällen hängt die Mutter die bezahlten sechs Monate an ihren obligatorischen Mutterschaftsurlaub an”, erklärt die Vizedirektorin des AFI Silvia Vogliotti. “Für den Vater bleibt in vielen Fällen also nur die Möglichkeit, auf einige Monate unbezahlte Elternzeit zurückzugreifen.” Eine Tatsache, die dazu führt, dass nur sehr wenige Väter ihren Anspruch auf Elternzeit auch tatsächlich wahrnehmen: Zwischen 2017 und 2019 haben laut den Daten der INPS auf gesamtstaatlicher Ebene nur 190.539 Väter in einem abhängigen Arbeitsverhältnis, fakultative Elternzeit beantragt. Das entspricht in etwa 20 Prozent aller AntragstellerInnen (für Südtirol steht hier kein direkter Vergleichswert zur Verfügung).

 

Nur wenige Väter nehmen ihren Anspruch auf fakultative Elternzeit wahr.

 

Durch das Landesfamiliengeld+, das seit 2016 an Väter in Elternzeit ausbezahlt wird und zwischen 400 und 800 Euro im Monat vorsieht, sollen auch Väter dazu motiviert und ermächtigt werden, Elternzeit zu beanspruchen. In den letzten fünfeinhalb Jahren haben in Südtirol insgesamt 465 Väter Elternzeit in Kombination mit dem Landesfamiliengeld+ in Anspruch genommen. Rund ein Fünftel von ihnen hat die Höchstsumme von insgesamt 2.400 Euro über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten beziehen können (800 Euro im Monat). “Diese Väter wären ohne das Landesfamiliengeld im Fall einer Elternzeit ohne Einkommen gewesen”, so Vogliotti. “Viele von ihnen hätten mit großer Wahrscheinlichkeit also gar keine Elternzeit genommen”. Genaue Statistiken dazu, inwieweit sich das Landesfamiliengeld+ auf die Anzahl der Väter in Elternzeit auswirkt, gibt es noch keine. Sowohl der Direktor des Arbeitsförderungsinstituts Stefan Perini als auch Vogliotti sind sich aber der positiven Auswirkung der Maßnahme gewiss.

Aus den Daten stechen vor allem drei positive Aspekte hervor: Die Väter gehören unterschiedlichen Altersschichten (20-56 Jahre) an, arbeiten nicht nur in den Städten, sondern in ganz Südtirol und stammen zudem aus allen Wirtschaftssektoren.

 

Seit der Einführung der Maßnahme ist die Zahl der Väter, die das Landesfamiliengeld beziehen, mit circa 100 Vätern pro Jahr in etwa stabil geblieben. Grund dafür dürfte nicht zuletzt der einschneidende Effekt der Pandemie und den damit verbundenen Sozialmaßnahmen gewesen sein. “Vor der Pandemie haben wir einen leichten, aber stetigen Anstieg von Vätern in Elternzeit beobachten können”, so Vogliotti. “Seit Beginn der Pandemie wurde dieser Trend etwas ausgebremst. Wir hoffen aber, dass er jetzt wieder Fahrt aufnehmen wird. Das Landesfamiliengeld für Väter in fakultativer Elternzeit ist eine einmalige Gelegenheit, um eine neue Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter zu fördern”. 

Dabei ist sich Vogliotti allemal bewusst, dass hier nicht nur der wirtschaftliche Faktor eine wichtige Rolle spielt: “In Südtirol ist es in vielen Familien und Betrieben noch immer nicht Usus, dass Väter eine Elternzeit in Betracht ziehen. Hier muss noch viel Sensibilisierungsarbeit geleistet werden”. Was besonders wirksam sei, sei der Dominoeffekt in Betrieben: “Ein Kollege, der sich für eine Elternzeit entscheidet, kann oft eine ganze Reihe weiterer dazu motivieren.”

 

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Martin Ancient Mo., 21.03.2022 - 09:56

Als direkt Betroffener, ich war im vergangenen Jahr für 6 Monate bei unserem Nachwuchs zu Hause - eine Zeit die ich im Übrigen nie mehr missen möchte und zu jeder Zeit als die richtige Entscheidung gesehen habe - muss ich leider festhalten:

Wäre ich nicht in einer eher privilegierten Situation bzgl. Einkommen und damit einem Polster aus Erspartem gewesen, wäre die Elternzeit für meine Partnerin und mich aus finanzieller Sicht wohl kaum stemmbare gewesen. Anreiz, auch den Vätern vermehrt Zugang zu einer unvergesslichen Zeit zu ermöglichen, Mütter zu entlasten und Kleinkinder nicht schon vor dem ersten Geburtstag in Betreuungseinrichtungen unterzubringen, ist leider auch das gut gemeinte Familiengeld + nicht. Es bräuchte hier ein nochmals deutlich besseres finanzielles Auffangnetz.

Gesellschaftlich scheint auch die Südtiroler Bevölkerung sich weiterentwickelt zu haben. Es kann an der Blase liegen, in der ich mich bewege, aber im Grunde habe ich persönlich nur Zustimmung und zum Teil, in erster Linie seitens des männlichen Teils, Bewunderung für diesen Schritt erfahren. Ich hatte ebenfalls Glück mit meinem Arbeitgeber. Wenngleich diesem am Ende kein Mitentscheidungsrecht zufiel, hat er sich dennoch sehr kooperativ gezeigt.

Mo., 21.03.2022 - 09:56 Permalink
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Stereo Typ Mo., 21.03.2022 - 11:05

Unerwartet hat die Pandemie eine Tür für Väter geöffnet. Sie können fallweise in Smart Working arbeiten und so endlich Beruf und Familie vereinen - ohne weniger Leistung zu bringen. Ich jedenfalls bin viel präsenter und meine Familie dankt es mir.

Mo., 21.03.2022 - 11:05 Permalink
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Martin Ancient Di., 22.03.2022 - 11:28

Antwort auf von Stereo Typ

Das ist absolut richtig. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist deutlich besser geworden, auch die Work-Life Balance hat sich für mich persönlich als Pendler sehr verbessert.
Leider habe ich von einzelnen Bekannten bereits erfahren, dass so manche Unternehmensleitung das Rad wieder zurückdrehen bzw. zurückdrehen möchten, mit zum Teil schwer nachvollziehbaren Begründungen. Ich persönlich habe erlebt, dass vor allem Manager älterer Generationen (explizit nicht alle) einen, in der Regel nur subjektiv wahrgenommenen Kontrollverlust über die eigenen Mitarbeiter beklagen. Narzisstisch veranlagte Managertypen haben aus offensichtlichen Gründen mit dem Home Office ebenso ihre Probleme.

Di., 22.03.2022 - 11:28 Permalink