Wirtschaft | Milchwirtschaft

Milchtisch eingerichtet

Die Südtiroler Milchwirtschaft gerät immer stärker unter Druck. Sennereien wie auch Landesregierung suchen nach Auswegen.
Milch
Foto: Othmar Seehauser
Wie berichtet, ist die Südtiroler Milchwirtschaft durch die gestiegenen Produktionskosten unter enormen Druck geraten. Vonseiten der Politik wurde nun ein „Milchtisch“ eingerichtet, berichtet Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. An den Treffen nehmen neben Mitarbeitern des Ressorts auch Bauernbund-Vertreter, Vertreter des Sennereiverbandes und des BRING (Beratungsring Berglandwirtschaft) teil.
 
Beraten wird dabei über Möglichkeiten, wie man die Landwirte mit kurzfristigen Hilfsmaßnahmen unterstützen könne, die vor allem aufgrund der Ukraine-Krise notwendig geworden sind. Der Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine hat nämlich zu einem erheblichen Anstieg der Futter- und Düngemittelpreise sowie der Energiekosten geführt. 
Im Rahmen des „Milchtisches“ – ein erstes Treffen fand Montag letzter Woche statt, weitere werden folgen – werden kurzfristige Hilfsmaßnahmen ausgelotet, die sowohl auf staatlicher wie auch auf Landesebene angewendet werden könnten. Auch über mittelfristige Unterstützungsmöglichkeiten für die Berglandwirtschaft – und hier in erster Linie für die Viehwirtschaft – wird beraten. „Es geht nicht nur um Beiträge, sondern um die künftige Ausrichtung der Berglandwirtschaft. Dafür wird es mehrere Maßnahmen brauchen, die im Rahmen des Milchtisches ausgelotet werden“, so Landesrat Schuler. Ein entsprechendes Programm soll nun ausgearbeitet werden.
Über die Details, was dieses Programm enthalten soll oder welche Vorstellung die Landesregierung bezüglich der zukünftigen Berglandwirtschaft hat, ist derzeit allerdings noch nichts bekannt.
 
 
 
 

Zusammenarbeit ausgelotet

 

Neben dem „politischen Milchtisch“ haben auch die Südtiroler Sennereien bereits zwei Sitzungen abgehalten, in denen es hauptsächlich um die Umsetzung der Zukunftsvision ging, die Landesrat Schuler im vergangenen Jahr angestoßen hat. „Wir befinden uns mitten in den Gesprächen, in denen wir versuchen, die weiteren Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten, um die Milchwirtschaft noch effizienter aufzustellen“, sagt Joachim Reinalter Salto.bz. gegenüber. Der Obmann der Bergmilch Südtirol zeigt sich mit dem bisherigen Gesprächsverlauf zufrieden. Der Eindruck, dass es keine Zusammenarbeit innerhalb der Milchhöfe gebe, täusche, denn tatsächlich habe man es in den vergangenen Jahren geschafft, die Südtiroler Milchmenge zu hundert Prozent zu verarbeiten. „Ein Meilenstein“, betont Reinalter. Zwar agiert jeder Sennerei-Betrieb eigenständig auf dem Markt – aufgrund der Konkurrenzregel ist es nicht möglich, als ein Betrieb aufzutreten – es liegt aber im Interesse aller, wenn die Preise für die erzeugten Produkte steigen. Besorgt zeigt sich der Obmann über die derzeitige Situation, die er als Krisenmoment beschreibt.
 

Im Krisenmodus

 

Die Südtiroler Milchwirtschaft hat in den vergangenen 30 Jahren für überdurchschnittliche Auszahlungspreise gesorgt und befindet sich nun zum ersten Mal in einer Krisensituation, die dazu geführt hat, dass man voraussichtlich das Jahr 2022 aus eigener Kraft nicht positiv abschließen könne. Man benötige die Unterstützung der öffentlichen Hand und man hoffe, gemeinsam diese schwierige Situation überbrücken zu können, ohne dass Mitglieder die Milchproduktion einstellen, erklärt Reinalter.
Auslöser für diese „Krisensituation“ sei der rapide Preisanstieg bei den Produktionskosten gewesen, der im Juli des vergangenen Jahres plötzlich einsetzte: Energie, Verpackungsmaterial und Zusatzstoffe haben sich innerhalb kürzester Zeit extrem verteuert. „Bereits im Sommer wurden Verhandlungen mit den Einkaufsgemeinschaften der Handelsketten aufgenommen, um die Verträge an die geänderte Kostensituation anzupassen“, so Reinalter und erklärt, dass es nicht gelungen sei, die gesamten Preissteigerungen unmittelbar an den Handel weiterzugeben.
 
Mittlerweile hinken wir seit vier, fünf Monaten den extremen Preisanstiegen hinterher.
 
Die Verträge zwischen den Sennereien und den Einkaufsgemeinschaften – in Italien gibt es fünf große Einkaufsgemeinschaften – werden normalerweise einmal im Jahr ausgehandelt. „Mittlerweile hinken wir seit vier, fünf Monaten den extremen Preisanstiegen hinterher“, betont Reinalter.
Der Handel seinerseits muss die Preisanstiege wieder an die Konsumenten weitergeben und fürchtet den Verlust von Marktanteilen und Umsatzeinbrüchen. „Der Handel versucht natürlich mit allen Mitteln zu bremsen, weil er fürchtet, Kunden zu verlieren.“ Ein unheilvolles Rad wird in Gang gesetzt: Preisangst führt zu Inflation, Inflation wiederum zu Lohnerhöhungen. Die Politik ihrerseits ist darauf bedacht, die Situation bzw. die Inflation nicht noch weiter anzuheizen. „Wenn wir sämtliche Preissteigerungen, welche sowohl Milchhöfe als auch Bauern betreffen, ausgleichen wollten, dann reden wird von 20 Prozent, die wir an den Handel weitergeben müssten“, erklärt der Obmann und betont: „Das ist einfach extrem viel.“
 
 

Das letzte Glied in der Kette

 

„Den Sennereien ist sehr wohl bewusst, dass der Bauer als letztes Glied dieser Kette die vollen Folgen zu tragen hat. Deshalb ist es das gemeinsame Ziel der Politik und Milchhöfe, mit Hilfsmaßnahmen diese schwierige Situation zu überbrücken – bis man in der Lage ist, den gesamten Preisanstieg an den Handel weiterzugeben“, so Reinalter.
Die Preise steigen nicht nur für Energie und beim Verpackungsmaterial, sondern auch beim Rohstoff Milch. Neuseeland, einer der weltweit größten Milch-Produzenten, hat den Export eingeschränkt, in den USA sinkt die Produktion ebenso wie in Europa, was sich wiederum im Preis niederschlägt. „Dieser Trend sollte dabei helfen, unseren Produktpreis dementsprechend anheben zu können, um wieder ein gesundes Verhältnis zwischen Kosten und Erlös herzustellen“, erklärt Reinalter.
 
Wir werden uns im Jahr 2022 sehr schwertun, alle Kosten abzufangen.
 
Auf die gestiegenen Milchpreise angesprochen, erklärt der Obmann, dass man hier unterscheiden müsse. Die sogenannte „Spotmilch“, die nicht durch Verträge mit Sennereien gebunden und auf dem Markt frei verkauft wird, kostet bereits teilweise über 50 Cent pro Liter. Der Auszahlungspreis der Molkereien an die Bauern hat dagegen die 50 Cent Marke noch nicht erreicht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die geringe Verfügbarkeit in den kommenden Monaten eine Preissteigerung zur Folge haben wird.
Die deutschen Bauern, die früher mit ungefähr 30 Cent pro Liter leben mussten, freut es natürlich, wenn es Richtung 50 Cent geht. „Leider Gottes sind bei uns 50 Cent der Standardpreis – inzwischen müssten es weit über 60 Cent sein, damit die bäuerlichen Betriebe kostendeckend wirtschaften können“, erklärt der Obmann der Bergmilch und betont, dass man derzeit unter Hochdruck daran arbeite, dass auch auf der „Erlösseite mehr herausschaut“. „Wir werden uns im Jahr 2022 sehr schwertun, alle Kosten abzufangen, weshalb von unserer Seite ein Appell an die Politik ergeht, Hilfen für die Bergbauern vorzusehen, damit wir Zeit für die nötigen Anpassungen haben.“
 
 
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Hansi Kafmann Di., 05.04.2022 - 13:18

Wie sehr wir uns durch unsere Monokulturen und Produktionen abgängig machen sehen wir gerade in Kriesenzeiten. Dabei könnten wir jetzt lernen. Es wäre eine gute Gelegenheit. Wenn wir immer nur mit Steuergeldern Verluste ausgleichen dann macht unser Kunde irgend wann nicht mehr mit. Es wäre besser die Produktion den lokalen Bedürfnissen anzupassen als damit auf der halben Welt hausieren zu gehen. Es wird Nachfrage nach Produkten geben die wir heute nicht liefern können und auch wollen. Desshalb sollten gerade solche Betriebe unterstützt werden die bereit sind neue Wege zu gehen.

Di., 05.04.2022 - 13:18 Permalink
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Hansi Kafmann Di., 05.04.2022 - 13:18

Wie sehr wir uns durch unsere Monokulturen und Produktionen abgängig machen sehen wir gerade in Kriesenzeiten. Dabei könnten wir jetzt lernen. Es wäre eine gute Gelegenheit. Wenn wir immer nur mit Steuergeldern Verluste ausgleichen dann macht unser Kunde irgend wann nicht mehr mit. Es wäre besser die Produktion den lokalen Bedürfnissen anzupassen als damit auf der halben Welt hausieren zu gehen. Es wird Nachfrage nach Produkten geben die wir heute nicht liefern können und auch wollen. Desshalb sollten gerade solche Betriebe unterstützt werden die bereit sind neue Wege zu gehen.

Di., 05.04.2022 - 13:18 Permalink
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Ludwig Gruber Di., 05.04.2022 - 13:57

Bis vor Kurzem war "true cost" eine Idee, um den Wahnsinn hinter den Kulissen sichtbar zu machen. Das dürfte aktuell gerade vom Tisch sein, weil unsere ignorante Abhängigkeit, die Abkehr von der natürlichen Kreislaufwirtschaft und unsere Intensivlandwirtschaft erstmals schon in der Preisbildung Kosten weit über dem Verkaufserlös verursachen. Da reden wir noch gar nicht von Kollateralschäden, Tierschutz, Erhaltung der bäuerlichen Kultur, Folgen für unser Klima oder Hausverstand.
Aber wir haben auch gelernt, dass solche Verwerfungen in der Vergangenheit als vorübergehende Krise gehandhabt wurden und alle Player so schnell wie möglich zu dem System zurück kommen wollten, in dem die Schulden, die Abhängigkeiten und der vertrautet Verlauf angesiedelt sind.

Di., 05.04.2022 - 13:57 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mi., 06.04.2022 - 00:29

Es ist davon auszugehen, dass die Milchproduktion im Berggebiet kostenintensiver ist, als in der Ebene. Dass Milch und Milchprodukte von außen billiger sind, ist leider nicht im Sinne vom regional einkaufen. Der Konsument entscheidet halt auch anhand des Preises, die Qualität sieht man dem Produkt nicht an.
Auf der anderen Seite passen sich die Löhne nicht der Inflation an. Da sind einige gute Ideen nötig.

Mi., 06.04.2022 - 00:29 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 06.04.2022 - 10:34

Das Problem ist: wenn jetzt kurzfristig der Preis für Milch und Milchprodukte steigt, dann bleibt er auch höher, wenn in einem zweiten Moment die Belastung für die Erzeuger wieder sinkt. Was nach dem Ende des Krieges ja wieder möglichsein müsste. Deshalb darf der Preis nicht steigen, sowie z. B. unsere Renten auch nicht steigen!

Mi., 06.04.2022 - 10:34 Permalink
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Klemens Riegler Sa., 09.04.2022 - 14:16

Bei diesem Thema gibt es in Südtirol immer einen komischen Beigeschmack; Die bisher unbeantwortete Frage ist jene nach der Gewinnspanne: Warum ist der Unterschied zwischen dem Milchpreis (den ein Südtiroler Bauer erhält) und dem Verkaufspreis im Laden (den der Kunde bezahlt) soviel höher als andernorts? Und das trotz geförderter Genossenschaften oder mitfinanzierten Einrichtungen wie dem Sennereiverband, öffentlich finanzierte Institutionen wie Laimburg, BRING usw. Bei den fürstlichen Gehältern der Direktoren und der höheren Ebenen würde ich mir besseres Management und Wirtschaften erwarten ... zugunsten der Milchbauern + Kunden.
p.s. Milchwirtschaft ist natürlich prinzipiell zu überdenken. Kuhmilch ist ein Lebensmittel das niemand braucht, keinen Mehrwert für den menschlichen Organismus darstellt oder sogar der Gesundheit gar nicht förderlich ist. Ein teilweiser Umstieg auf andere Tiergattungen, Getreide,- Gemüseanbau usw., wäre sinnvoller und würde den Milchpreis stärken ... natürlich nur solange Kuhmilch oder Kuhmilchprodukte noch gekauft werden.

Sa., 09.04.2022 - 14:16 Permalink