Wirtschaft | Tourismus

Neue Tourismuskultur für Südtirol

Der Tourismus hat Südtirol reich gemacht – inzwischen sind aber auch die Schattenseiten spürbar. Ein neues Konzept soll die Gästeströme in maßvolle Bahnen lenken.
LTEK PK 28. April
Foto: LPA
Ein ambitioniertes Ziel für den Südtiroler Lebensraum hat sich die Landesregierung mit dem neuen Landestourismuskonzept 2030+ (LTEK) gesetzt: Es soll nicht weniger als den Weg bereiten hin zu einer neuen Tourismuskultur. Entwicklung wird zwar weiterhin zugelassen, aber in maßvolle Bahnen gelenkt.
Tourismuslandesrat Arnold Schuler stellte gestern (28. April) das Konzept gemeinsam mit Harald Pechlaner von der EURAC Research und Hansi Pichler, Präsident von IDM Südtirol, vor. „Der Tourismus war in Südtirol mit sehr viel Pioniergeist verbunden und hat in der Folge wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beigetragen“, erklärte eingangs Landesrat Arnold Schuler. Davon zeugen auch die rund 10.000 Betriebe mit ca. 40.000 Beschäftigten, die im Gastgewerbe tätig sind. In erster Linie handelt es sich dabei um Familienbetriebe.
 
Immer mehr machen sich aber auch die Schattenseiten bemerkbar.
 
Immer mehr machten sich aber auch die Schattenseiten bemerkbar, weshalb man den Tourismus in zukunftsweisendere und ressourcenschonendere Bahnen lenken möchte, so Schuler. Die wissenschaftliche Grundlage für das neue Konzept wurden vom Center for Advanced Studies von Eurac Research und IDM Südtirol erarbeitet. Wie der Tourismuslandesrat betonte, sollen die Erhebungen nicht nur der Landesregierung als Entscheidungsgrundlage dienen, sondern auch den Gemeinden wertvolle Daten für die Erstellung ihres eigenen Tourismuskonzeptes liefern. Schuler wies bei dieser Gelegenheit auf Treffen auf Bezirksebene hin, bei welchen demnächst das Konzept den Gemeinden und Bürgern vorgestellt werden soll.
 

Soll-Szenario

 

„Ambition Lebensraum soll zum Ausdruck bringen, dass mittel- bis langfristig kein Tourismus gegen den Willen der Bevölkerung entwickelt werden kann“, betonte Harald Pechlaner, wissenschaftlicher Leiter des Projekts. Aufgabe sei es gewesen, eine tiefgreifende Analyse sowohl nach Innen als auch nach Außen durchzuführen, die ein Szenario über mögliche Entwicklungsstrategien liefern sollte. Zudem musste das neue Konzept mit Fragen der Raumordnung und -planung verknüpft werden.
Das Soll-Szenario für Südtirols Tourismus sieht unter anderem eine nachhaltige Verkehrs- und Mobilitätskultur sowie Infrastruktur vor, weiters eine raumverträgliche Entwicklung und einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Rund um die Diskussion wie Tourismus zukünftig gestaltet werden soll, müssen die Menschen miteinbezogen werden, damit die Zustimmung weiterhin erhalten bleibt, erklärte der Professor und betonte, dass qualitative und quantitative Erweiterung nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
Ein zentraler Punkt der Studie war der sogenannte „Tourism Exposure“ sprich das Ausmaß der touristischen Exponiertheit. Jede Gemeinde verfügt über ein gewisses Maß an touristischer Exponiertheit, „die einen weniger, die anderen mehr.“ Untersucht habe man dabei unter anderem das Verhältnis der vorhandenen Betten in Relation zu der zur Verfügung stehenden Fläche.
 
 
 

TourisMUT

 

„Diese neue Tourismusstrategie läuft unter dem Motto TourisMUT“, erklärte IDM-Präsident Hansi Pichler. Dieses Leitmotiv sei dabei durchaus als ein Appell an die Politik, die Touristiker und die gesamte Bevölkerung zu verstehen, mutige Entscheidungen zu treffen. Die Innovation spiele dabei eine treibende Rolle. Angetrieben von der Vision, Südtirol zum begehrtesten, nachhaltigen Lebensraum Europas zu entwickeln, hat IDM Südtirol eine inhaltliche Strategie für Südtirol auf Basis der Erkenntnisse der durchgeführten Workshops erarbeitet. Das Ergebnis ist ein Wertekanon, der es touristischen Unternehmen ermöglicht, gute, zukunftsorientierte und vor allem wertbasierte Entscheidungen zu treffen. Dazu zählen Werte wie Identitätsbewusstsein, Naturverbundenheit, Innovationsmut und Gemeinschaftsverantwortung.
 

Normative Umsetzung

 

Die ersten Schritte für die Umsetzung seien bereits definiert worden, betonte Schuler. Neue Kriterien zur Einstufung der Betriebe sind in Ausarbeitung. Eine nachhaltige Ausrichtung und die Verwendung von regionalen Produkten werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Eine Kontingentierung der Bettenzahl, anhand derer man die Entwicklung der Anzahl der Betten messen, beobachten und steuern kann, soll gesetzlich geregelt werden. Die genaue Bettenanzahl pro Betrieb, pro Gemeinde und auf Landesebene wird im Rahmen des Gemeindeentwicklungsprogramms erhoben werden. „Den Gemeinden werden in der Startphase außerdem Betten zur Verfügung gestellt, die innerhalb der nächsten zehn Jahre auszugleichen und in erster Linie für die Erweiterung der kleinen Strukturen gedacht sind“, so Landesrat Schuler.
Das LTEK 2030+ diene als Ausgangspunkt, wobei einige Aspekte laut Landesrat zurzeit noch zur Diskussion stehen: etwa die Festlegung der Grenzen in Bezug auf jene Kategorien, die von der Bettenkontingentierung ausgenommen sind – die Ortszentren sowie der Urlaub auf dem Bauernhof (UaB). Genaue Kriterien sind noch nicht definiert, Überlegungen gehen aber in Richtung einer Erhöhung vom Mindestviehbesatz im Grünland und einer Unter- und Obergrenze im Obst- und Weinbau.