Umwelt | Brixen

Wo Licht, da Schatten

Eine Kunstinstallation des Water Light Festivals sorgt bei Naturmuseumsdirektor David Gruber für helle Empörung. Die Organisatoren bieten den Dialog an. Gruber winkt ab.
Licht aus Brixen
Foto: foto-webcam.eu

Wenn David Gruber dieser Tage nach Brixen blickt, denkt er unweigerlich an New York. Seit Ende April findet in der Bischofsstadt am Eisack die vierte Ausgabe des Water Light Festival statt. Organisiert von der Brixen Tourismus Genossenschaft und gesponsert von der Firma Durst, will die Veranstaltung für “ein respektvolles Bewusstsein mit der Natur und einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser” sensibilisieren. An 24 Locations haben 34 internationale Künstler 29 Licht-Kunstinstallationen eingerichtet, die noch bis 22. Mai bestaunt werden können. Einer der ausstellenden Künstler ist der Finne Kari Kola. Er hat an der Widmannbrücke, dort, wo Eisack und Rienz zusammenfließen, ein Lichtelement installiert, das blaues Licht in den Himmel strahlt. Täglich von 21 bis 24 Uhr. “Sound of Light” heißt das Kunstwerk – das bei David Gruber für helle Empörung sorgt. “Es muss abgeschaltet werden”, wünscht sich der Direktor des Naturmuseums Südtirol. Bei den Veranstaltern und in der Kunstwelt stößt er mit seiner Forderung auf wenig Verständnis.

 

Ver(w)irrte Vögel und Insekten

 

Seit 2011 gibt es in Südtirol ein Landesgesetz, mit dem Lichtverschmutzung vorgebeugt und eingeschränkt werden soll. Lichtverschmutzung wird als “jede Form von künstlichem Licht, das außerhalb der zu beleuchtenden Bereiche gestreut wird, wo es keinen eigentlichen Beleuchtungszweck erfüllt, vor allem, wenn es über den Horizont hinaus gerichtet ist” definiert. Im Jänner 2022 wurde das Gesetz – auf Wirken von Landeshauptmann Arno Kompatscher – ergänzt und konkretisiert. In Art. 1 Absatz 4 heißt es nun: “Die Verwendung beweglicher oder fixer Projektionsscheinwerfer (Skybeamer) ist verboten.”

Ob es sich bei der Lichtinstallation an der Brixner Widmann-Brücke technisch gesehen um einen solchen Skybeamer handelt, ist nicht ganz klar. Das aber hält David Gruber nicht davon seiner Kritik ab. “Fakt ist, dass hier blaues Licht kerzengerade nach oben geleuchtet wird – so stark, dass der Leuchtstrahl kilometerweit zu sehen ist, bis nach Rein in Taufers.” Und das sei eine Katastrophe, für Zugvögel und nachtaktive Insekten. “Wir befinden uns inmitten der Migrationsphase der Zugvögel, die von solchem Licht abgelenkt werden und die Orientierung verlieren können”, erklärt der Direktor am Naturmuseum Südtirol. Denn Zugvögel flögen auch nachts.

 

Gruber verweist auf eine Studie der US-amerikanischen Cornell University von 2017. Ornithologen haben damals die Auswirkungen der Lichtinstallation “Tribute in Light” untersucht, mit der am Gelände des ehemaligen World Trade Centers in New York jährlich am 11. September den Opfern der Terroranschläge gedacht wird. Die Forscher stellten fest: Innerhalb von 20 Minuten nachdem die beiden Leuchtstrahler angeschaltet wurden, drängten sich bis zu 16.000 Vögel in einem Umkreis von einem halben Kilometer um die bis zu 6.600 Meter hohen Lichtsäulen. Inzwischen hat man in New York reagiert: Das Licht wird alle 20 Minuten abgeschaltet, um den Vögeln den Weiterflug zu ermöglichen. Auch bei nachtaktiven Insekten sorge das starke, vertikal in den Himmel geschossene blaue Licht in Brixen für Orientierungslosigkeit – und sie gehen zugrunde, fährt Gruber fort. Ihm geht es um eine moralische Frage: “Wenn uns der Einsatz gegen das Artensterben etwas Wert ist, dann muss diese Lichtinstallation sofort ausgeschaltet werden. Denn aus ökologischer Sicht ist sie eine eindeutige Katastrophe.”

 

Wie hell ist verträglich? 

 

In Brixen hat man mit diesen Vorwürfen wohl nicht gerechnet. Rai Südtirol hat am Sonntag mit dem Geschäftsführer der Brixen Tourismus Genossenschaft Werner Zanotti gesprochen. Das blaue Licht an der Widmannbrücke soll “zum Ausdruck bringen, wie wichtig, wie prägnant dieser Wasserort für Brixen und Umgebung und für Südtirol ist”, erklärt Zanotti die Absicht des Künstlers Kari Kola. Das wolle er dem Künstler nicht verbieten. Da die Lichtinstallation von 60 LED-Strahlern betrieben wird, sei sie auch gesetzeskonform, so der Touristiker. Zanotti zeigt sich aber dialogbereit und bietet Gruber ein Gespräch an, um sich “ernsthaft damit auseinanderzusetzen, inwieweit diese Licht-Kunstinstallation verträglich ist”.

 

Kunst, Künstler und Kunstwerke können und sollen Diskussionen auslösen, findet auch die Geschäftsführerin des Südtiroler Künstlerbundes Lisa Trockner. Dabei könne man auch lernen, “wie man zukünftig besser mit unserer Welt, mit unseren Ressourcen umgeht”, so Trockner zu Rai Südtirol.

Museumsdirektor Gruber sieht hingegen keinen Diskussionsbedarf. “Die Faktenlage ist eindeutig, diese Lichtverschmutzung muss ein Ende finden.” Er sieht allgemein eine fehlende Sensibilität für das Thema. “Licht ist gut und positiv konnotiert, steht für Entwicklung und Fortschritt. Aber die Schattenseiten des Lichts werden nicht gesehen.” Heller sei nicht immer besser – das zeige auch die Stoßrichtung des Landeshauptmannes mit seiner Gesetzesinitiative gegen Lichtverschmutzung, so Gruber. Er vergleicht Lichtverschmutzung mit Zigarettenrauch: “Lange Zeit wurde Rauchen in Innenräumen akzeptiert, es war normal, dass man nach einem Lokalbesuch nach Zigarette stank. Mittlerweile hat sich das vollkommen geändert. Und so wird es auch mit der Lichtverschmutzung kommen.”