Po secca
Foto: Rastelli
Umwelt | Trockenheit

Drama am Po

Die dramatische Trockenheit in weiten Teilen Norditaliens löst Besorgnis aus. Der Po gleicht teilweise einem Rinnsal. In vielen Gegenden ist die Ernte gefährdet

Noch hat der Sommer offiziell gar nicht begonnen. Doch der Wassermangel nimmt besonders auf der Nordhälfte der Halbinsel so dramatische Ausmasse an wie sonst bestenfalls im August. Der Spiegel des Lago Maggiore liegt sechs Zentimeter unter dem Nullpunkt - der tiefste Wert seit 80 Jahren. Eine Folge der Tatsache, dass in den Alpen 40 Prozent weniger Schnee gefallen ist als der durchschnittliche Mittelwert. Im Mündungsdelta an der Adria ist der Wasserstand des Po so niedrig, dass das Salzwasser bei Flut weit in die Reisfelder eindringt und sie gefährdet. Bei Reggio, wo Italiens grösster Fluss im Schnitt 1800 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führt, ist mit 320 Kubikmeter ein historischer Tiefpunkt erreicht.

Giancarlo Mantovani, Vorsitzender des consorzio di Bonifica del Delta, schüttelt ungläubig den Kopf: "Vicino alla foce i campi di soia si sono seccati e alcune risaie sono state abbandonate." Das Salzwasser im Fluss ist nur noch wenige Kilometer von der Trinkwasseranlage des Ponte Molo entfernt. Mantovani befürchtet, dass wie im Krisenjahr 2006 aus den Wasserhähnen der Bürger nur noch Salzwasser fliessen könnte. In der Lomellina, einem der bekanntesten Reisanbaugebiete Italiens, ragen nur noch gelbe Halme aus dem vertrockneten Erdreich. Die Bewässerungskanäle sind leer. Die ultimative Forderung der Reisbauern: die E-Werke in den Alpen - von Cuneo bis zur Valtellina müssen gezwungen werden, ihre Schleusen teilweise zu öffnen - dagegen gibt es Widerstand. An der Trockenheit gut verdient haben bisher nur die Versicherungsgesellschaften. Mittlerweile haben auch sie aufgehört, entsprechende Verträge abzuschliessen. Die akute crisi idrica betrifft bisher das Gebiet von 125 Gemeinden. Die autorità distrettuale dell'alto Po spricht von der "secca peggiore in 70 anni." Mehrere Hersteller von  Mineralwasser haben den Betrieb eingestellt.

Die ultimative Forderung des Reisbauern: die E-Werke in den Alpen - von Cuneo bis zur Valtellina müssen gezwungen werden, ihre Schleusen teilweise zu öffnen - dagegen gibt es Widerstand.

In der Lombardei  haben in den ersten fünf Monaten des Jahres die Niederschläge um fast 60 Prozent abgenommen. Zahlreiche Gemeinden  in Piemont und der Lombardei werden mit Tankwagen versorgt. 25 Gemeinden der Provinz Bergamo haben nächtlichen Wasserverbrauch untersagt. In der Valtellina haben die Bürgermeister die Bewässerung der Gärten verboten. Der lombardische Präsident Attilio Fontana erwägt bereits die Ausrufung des Notstands: "Chiederemo lo stato di emergenza."

 

Die Associazione consorzi di bonifica spricht von einer situazione drammatica. Nach Daten des Consiglio nazionale delle ricerche sind in Italien seit Dezember 40 Prozent weniger Niederschläge gefallen. In einigen Gegenden des Nordens wurden zwischen Dezember und April überhaupt keine nennenswerten Niederschläge registriert. Auch der Vorschlag, über den Mincio Wasser aus dem Gardasee in den Po zu leiten, wurde von der Comunità del Garda abgelehnt. Die comunità del Garda spricht von einer "situazione di attenzione, ma non gravissima".

Dagegen schlägt der Bauernverband Cia-agricoltori italiani Alarm: "Si rischia il 50 per cento della produzione. Le piogge sono più che dimezzate rispetto al 2021."