Umwelt | Dolomiten
UNESCO Welterbe: Ein Schuss nach hinten?
Foto: Ismaele Pianciola
Während eines Interviews mit Salto.bz hatte Judith Egger, Referentin für Natur und Umwelt des AVS, Bedenken dazu geäußert, ob die Auszeichnung UNESCO Welterbe etwas Gutes für unsere Dolomiten gewesen sei: „Der Verein hat sich damals jahrelang dafür eingesetzt, dass die Dolomiten diese Auszeichnung erhalten. Unsere Hoffnung war, dass somit noch mehr Gebiete unter Naturschutz gestellt werden würden, um zum Welterbe dazugehören zu dürfen. Zudem wollten wir einfach, dass die Einzigartigkeit unserer Berge anerkannt wird“, erklärte Egger. „Doch es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass der Schuss beinahe nach hinten losgegangen ist, zumindest von meinem Standpunkt aus gesehen. Die Auszeichnung wurde für Marketingzwecke ausgenutzt und hat somit Touristenmassen angelockt, die nun potentiell negative Auswirkungen auf die Natur der Gebirge haben.“
Auf Basis dieser Aussage hat Salto.bz die Referentin der Provinz Bozen für das Dolomiten UNESCO Welterbe von der Landesabteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung, Elisabeth Berger, um eine Aufklärung gebeten: „Um von der UNESCO zum Welterbe ernannt zu werden, muss ein Gut einzigartig sein, das heißt es muss außergewöhnliche und für die gesamte Menschheit wesentliche Eigenschaften aufweisen. Im Falle der Dolomiten sind die landschaftliche Schönheit sowie die geologische und geomorphologische Bedeutung diese einzigartigen Eigenschaften. Welterbe der UNESCO ist somit eine Zertifizierung von Einzigartigkeit und eine große Auszeichnung für ein Gebiet und keine touristische Marke, auch wenn sie von einigen als solche verwendet wird", erklärt die Referentin.
Auf die Kritik gegenüber dem Massentourismus antwortet sie: „Das Phänomen des Massentourismus, so schwierig die hohe Anzahl an Touristen oft auch zu verwalten ist, ist nicht so einfach zuzuordnen. Der Welterbetitel ist nur zum Teil mit der Zunahme der Attraktivität der Dolomiten in Verbindung zu bringen.“
„Wir haben es mit einem neuartigen Phänomen zu tun, dass plötzlich spezifische Hotspots große Menschenmassen anziehen“, meint die Referentin und bezieht sich damit auf die Orte, welche durch Film- oder TV-Aufnahmen oder durch virale Posts auf Instagram, Facebook sowie anderen sozialen Medien plötzlich sehr populär werden.
Für Serien und Filmaufnahmen ist die Halbinsel Dubrovnik, welche als Kulisse für die Serie Game of Thrones gedient hat und infolgedessen von Serienfans überrannt wurde, ein gutes Beispiel. Auf lokaler Ebene haben wir den Pragser Wildsee, der dank der TV Serie „Un passo dal cielo“ berühmt wurde.
„Wir haben einige große Hotspots in den Dolomiten in Südtirol, dazu gehören der Pragser Wildsee, Villnöss, die Drei Zinnen und die Seceda. Ein Teil der Menschenmassen, welche diese Orte aufsuchen, wollen nur „das bekannte Foto“ schießen oder die Örtlichkeit besuchen, die sie in Filmen oder Werbeaufnahmen gesehen haben und sind dann wieder weg", kritisiert Berger.
Laut der Referentin kommt der „Konsumtourist“, um die Landschaft zu „konsumieren“, so wie er das Essen eines Restaurants konsumieren würde. Dieses Verhalten ist daher die größte Herausforderung für ein Gebiet.
Das Phänomen der Instragammability, also wenn ein Ort (oder auch ein Gegenstand) besonders ästhetisch ist und sich daher perfekt zum Fotografieren und Posten eignet, ist bereits bekannt. Dass dies nun auch Verkehrs- und Sicherheitsprobleme mit sich bringt (man brauche nur an den Pragser Wildsee zu denken), hat dazu geführt, dass sich immer mehr Personen für eine Kontingentierung gewisser Gebiete aussprechen.
„Zu diesen Phänomenen hat sich nun auch das ‚Phänomen COVID‘ gesellt‘, erklärt Berger, laut der man es überall dort beobachten kann, wo besondere Naturgebiete vorzufinden sind. „Als die COVID Maßnahmen gelockert wurden, hat die Welt einen zusätzlichen Ansturm an Menschen erlebt, die vorher nie irgendeinen Bezug zur Natur in ihrem Leben hatten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass so viele wochen- und monatelang in ihren Häusern abgeschottet waren.“
Wenn die Neufindung der Natur in sich kein Problem darstellt, ist es aber, laut Berger, die Zunahme der Besucher der Hotspots, gekoppelt mit Unkenntnis über das richtige, respektvolle Verhalten in diesen oft sensiblen Landschaften.
Berger erläutert, wie mit Projekten, die auf qualitativ hochwertigen Tourismus setzen und die Besucher für Natur und Umwelt sensibilisieren, in Südtirol versucht wird, den aktuellen Tendenzen entgegenzuwirken: „Der Weitwanderweg ‚Dolomites World Heritage Geotrail‘ steht für respektvolles und entschleunigtes Erleben der Dolomiten und soll das Verständnis für diese einzigartige und sensible Bergwelt fördern. In zehn Etappen, die vom Bletterbach bis in die Sextner Dolomiten führen, wird dem Wanderer die geologische Entstehungsgeschichte der Dolomiten erklärt.“
Der Geotrail ist ein Projekt der Landesabteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung, das in Zusammenarbeit mit den Tourismusvereinen des Dolomitengebietes, den Naturparks, IDM Südtirol, dem Landesamt für Geologie sowie AVS und CAI Alto Adige entstanden ist. Ebenso Ergebnis der Zusammenarbeit der Landesabteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung mit den Tourismusvereinen und IDM Südtirol, unterstützt auch von der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, ist das Projekt „Achtsam am Berg“. Dieses ist ein Appell an die Eigenverantwortung von Besuchern und Touristikern, respektvoll mit Natur und Landschaft umzugehen und damit zur Erhaltung des Dolomiten UNESCO Welterbes beizutragen, ausgehend von den Themenschwerpunkten Trinkwasser und Abfallvermeidung.
Diese Maßnahmen werden zurzeit im gesamten Gebiet umgesetzt und sollen dann auf ganz Südtirol ausgeweitet werden.
Der Schutzcharakter der Auszeichnung
Die Auszeichnung „Welterbe der UNESCO“ ist keine Schutzkategorie, wie es beispielsweise ein Nationalpark, Naturpark, Naturdenkmal oder Natura 2000 Gebiet ist.
Zum Zeitpunkt der Ernennung, welche durch die landschaftliche Schönheit und die geologische Bedeutung der Gebirge motiviert wurde, mussten die Gebiete bereits unter Naturschutz gestellt sein. „Das ist eine der Voraussetzung für die Ernennung zum Welterbe durch die UNESCO", erklärt die Referentin.
Das bedeutet aber nicht, dass der Titel aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes nutzlos sei, im Gegenteil: „Die Auszeichnung trägt sehr wohl zum Schutz bei", betont die Referentin mit Nachdruck.
In der Karte: Das UNESCO Weltnaturerbe ist in neun Gebiete unterteilt: Pelmo, Croda da Lago; Marmolada; Pale di San Martino, San Lucano, Dolomiti Bellunesi, Vette Feltrine; Dolomiti Friulane e d'Oltre Piave; Nördliche Dolomiten; Puez-Geisler; Schlern-Rosengarten, Latemar; Bletterbach; Dolomiti di Brenta.
Der Zustand der Dolomiten und insbesondere die Kriterien, aufgrund der die Dolomiten zum Welterbe ernannt wurden, werden regelmäßig von der UNESCO kontrolliert. Diese müssen erhalten bleiben, um den Titel Welterbe weiterhin tragen zu dürfen. Eines dieser Kriterien ist zum Beispiel die Integrität der Landschaft.
Daher kommt laut Elisabeth Berger der Schutzfaktor: „Die Ernennungskriterien und die Gefahr, diese zu verletzen und deswegen die Auszeichnung zu verlieren, hat im Dolomiten UNESCO Welterbegebiet dazu beigetragen, dass verschiedene Projekte nicht umgesetzt wurden."
Es gibt aber ein Risiko, welches das UNESCO Komitee in seinen letzten Berichten identifiziert hat: Der touristische Druck und die dazugehörigen Infrastrukturen stellen für den zukünftigen Erhalt des Weltnaturerbes die größte potentielle Gefahr dar.
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2022 minhs 2009 = 13
2022 minhs 2009 = 13
Es sind nicht 14, sondern 13 Jahre.
Glaubte wirklich jemand, IDM
Glaubte wirklich jemand, IDM und Konsorten wünschten sich diese Auszeichnung, um die Landschaft zu schützen?
Antwort auf Glaubte wirklich jemand, IDM von Manfred Gasser
Mit an Leichenfledderei
Mit an Leichenfledderei grenzender Selbstverständlichkeit, benutzt die Hotelerie seit jeher die Landschaft, die arbeitenden Menschen, die Tiere (Almabtriebe), Brauchtum, religiöse Prozessionen, Hochzeiten usw., um Gäste anzulocken und während ihres Aufenthaltes im Land zu unterhalten.
Dass die Ausweisung als UNESCO Welterbe in der Klamottenkiste der IDM landen wird, wurde von den Politikern in mit dieser Absicht betrieben.
Ein Schuss nach vorne: ein
Ein Schuss nach vorne: ein neuer Hotspot in Südtirol mit garantierter "Instragammability": eine Seilbahn vom Bozner Waltherpark in die Ötzi Museumsmeile "Gartenpark" im "Rosengarten-Gartl". Alles finanziert von einem Kulturfreund-Sponsor. Warum nicht ?
Der Eingeborene hat den
Der Eingeborene hat den Vorteil, auch unbekanntere Ziele zu finden, die, abgesehen von einigen unerschrockenen Touris, ruhig sind.