Politik | Energiewende

Photovoltaik ja, aber wo und wie?

Stehen in Südtirols Apfelwiesen schon bald Photovoltaik-Anlagen? Auf einem Gipfel werden sich heute die zuständigen Landesrät:innen mit dieser Frage auseinandersetzen.
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Foto: Fraunhofer ISE
Teil des italienischen Wiederaufbaufonds (PNRR), der insgesamt 191,5 Milliarden Euro umfasst, sind Investitionen in erneuerbare Energiequellen, in Wasserstoff, in die Kreislaufwirtschaft und in eine nachhaltigere Landwirtschaft. Für „die grüne Revolution und den ökologischen Übergang“ werden 59,46 Milliarden (31,05 % der PNRR-Gelder) eingeplant. Zu diesem Bereich gehören auch 1,1 Milliarden Euro für Agri-Photovoltaik.
Wird dieser Plan tatsächlich umgesetzt, könnten rund 0,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr durch Agri-Photovoltaik eingespart werden.
Mit den PNRR-Geldern für Agri-Photovoltaik und der Energiekrise, die durch den Konflikt zwischen dem Westen und Russland in der Ukraine verursacht wurde, muss sich die Landesregierung endlich mit der Energiewende auseinandersetzen. Noch sind Freiflächen wie Parkplätze, Gärten oder Apfelwiesen für Solarenergie in Südtirol ein Tabu und Anträge für Fördermittel aus dem nationalen Wiederaufbaufonds für Agri-Photovoltaik deshalb nicht zulässig.
Italien will bis Ende 2024 die Auftragsvergabe für die Photovoltaik-Anlagen abschließen. Bis zum Juni 2026 soll der Bau der Anlagen fertig sein und die Stromproduktion starten. Das Ziel ist eine Kapazität von 1,04 Gigawatt für eine Produktion von mindestens 1.300 Gigawattstunden pro Jahr. Wird dieser Plan tatsächlich umgesetzt, könnten rund 0,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr durch Agri-Photovoltaik eingespart werden.
 

Politische Entscheidung ausständig

 
Die Landesregierung steht nun vor der Frage, ob die Kombination von Solarenergie mit der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen auch in Südtirol sinnvoll ist. Das Thema Agri-Photovoltaik war bereits im April dieses Jahres im Landtag debattiert worden, als der Landtagsabgeordnete Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol) einen Beschlussantrag für ein Pilotprojekt im Versuchszentrum Laimburg eingebracht hatte. Sein Antrag wurde wegen Bedenken zum Landschaftsbild am 6. April mehrheitlich abgelehnt.
 
 
„Agri-Photovoltaik ist eine Möglichkeit, um erneuerbare Energien zu forcieren“, sagt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Allerdings habe Südtirol geografische Voraussetzungen, die sich von anderen Regionen Italiens, wie beispielsweise die Poebene, unterscheiden. Außerdem sei das Landschaftsbild sowohl für den Tourismus als auch für die Bevölkerung von großer Bedeutung. Der Landesrat wirkt noch unentschlossen, mahnt aber gleichzeitig zu raschem Handeln, um den Südtiroler Landwirtschaftsbetrieben gegebenenfalls die Beantragung für Fördermittel für Agri-Photovoltaik zu ermöglichen.
Ein informelles Treffen mit den zuständigen Landesrät:innen ist für heute, den 3. August, geplant. Daran teilnehmen werden Maria Hochgruber Kuenzer (Raumordnung und Landschaftsschutz), Arnold Schuler (Landwirtschaft), Daniel Alfreider (Infrastruktur) und Giuliano Vettorato (Energie und Umwelt).
Auch Hochgruber Kuenzer steht der Technologie offen gegenüber, will aber zuerst das Potential der bebauten Flächen für Photovoltaik ausschöpfen. Hier gebe es noch viele ungenutzte Möglichkeiten, beispielsweise soll die Nutzung von Flachdächern erleichtert und die neueste Technik für Solarenergie verwendet werden. „Die Landschaft ist unser Kapital“, erinnert die Landesrätin. Zudem betont sie, dass die Nutzung von Agri-Photovoltaik erst am Anfang stehe und weitere Forschungsarbeit nötig ist.
 

Gespräche laufen

 
„So zu tun, als wäre das eine Doppelnutzung, wäre zu einfach“, erklärt Hochgruber Kuenzer. Dennoch wäre für sie denkbar, einzelne Grünflächen über die Bauordnung von Gemeinden für Agri-Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. „Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Photovoltaik einzusetzen und es sind noch viele Fragen offen, die diskutiert und beantwortet werden müssen.“
Ich halte nichts von pauschalen Verurteilungen und Ablehnungen - Siegfried Rinner
Wenn das Land sich für Agri-Photovoltaik entscheidet, kann es selbst die Rahmenbedingungen dafür bestimmen. So soll der bürokratische Genehmigungsprozess für den Bau, die Modernisierung, den Ausbau der Energieanlagen und die erforderlichen Infrastrukturarbeiten erleichtert werden.
 
 

Voraussetzungen

 
In Südtirol ist es zurzeit noch nicht möglich, Photovoltaik auf Freiflächen zu bauen. Grund dafür ist der Landschaftsschutz: „In Südtirol steht jede unbebaute Fläche unter Landschaftsschutz, in Italien gibt es viele sogenannte weiße Flecken, die nicht unter Landschaftsschutz stehen“, erklärt Siegfried Rinner, Direktor des Südtiroler Bauernbundes.
Der Nutzen von Agri-Photovoltaik scheint auch in Südtirol groß zu sein: Der Klima Club Südtirol geht davon aus, dass 500 Hektar Fläche notwendig sind, um einen Großteil des Energiebedarfs der Privathaushalte und Betriebe zu decken. 500 Hektar entsprechen 2,72 Prozent der Anbaufläche für Äpfel in Südtirol, es müsste also nicht jede Apfelplantage Agri-Photovoltaik verwenden.
Für Rinner ist Photovoltaik eine wichtige Technologie, um sowohl unabhängiger von fossilen Brennstoffen, als auch unabhängiger von dem russischen Erdgas zu werden. „In den letzten Jahren war Photovoltaik wirtschaftlich nicht mehr so interessant“, so Rinner. Trotz der zuletzt wieder steigenden Kosten für Solarmodule sei Photovoltaik angesichts der Energiekrise jetzt aber neu zu beurteilen. Es brauche die Diskussion, wo Agri-Photovoltaik in Südtirol sinnvoll ist und wo nicht. „Das sollte von Projekt zu Projekt bewertet werden. Ich halte nichts von pauschalen Verurteilungen und Ablehnungen.“