Politik | Verkehr
Touristische Völkerwanderung regeln
Foto: Judith Egger / AVS
Die Dolomitenpässe sind durch ihre landschaftliche Schönheit und der hohen Anzahl an Straßenkurven bei vielen beliebt. Vor allem im Sommer steigt die Belastung durch den motorisierten Verkehr für Anreiner:innen, Umwelt und Klima.
Anfang des Jahres forderten deshalb zahlreiche Südtiroler Umweltverbände aller drei Sprachgruppen (AVS, CAI, Lia da Mont, Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Heimatpflegeverband, Mountain Wilderness, WWF, Lia per Natura y Usanzes, Italia Nostra und Nosc Cunfin) bei einem Treffen mit Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider Lösungen und strenge Verkehrskontrollen auch auf anderen viel befahrenen Passstraßen außerhalb des Dolomitengebietes für diesen Sommer.
Nationales Pilotprojekt
Das Problem ist altbekannt und wird bereits seit Jahren diskutiert. Während sich die bisherigen Maßnahmen allein auf die Provinz bezogen, hat Alfreider nun ein nationales Pilotprojekt für die Zugangsregulierung der Dolomitenpässe initiiert. Schließlich betrifft das Verkehrsproblem in den Dolomiten nicht nur Südtirol, sondern auch die Provinz Trient und die Provinz Belluno in der Region Veneto.
Es wird derzeit unter der Federführung Südtirols verfasst und voraussichtlich im Herbst unterschrieben - Daniel Alfreider
In dem Gebiet der vier Dolomitenpässe Grödernjoch, Sellajoch, Passo Campolongo und Passo Pordoi leben rund 32.000 Menschen. Im Rekordjahr 2019 besuchten von Mai bis Oktober über 5 Millionen Menschen den Sellastock, 58 Prozent der Gäste kamen aus Italien, 42 Prozent aus dem Ausland.
Projektvorstellung in Rom
„Wir haben letzte Woche unser Projekt zur Verkehrsregelung auf den Dolomitenpässe in Rom den beiden zuständigen Ministern vorgestellt“, teilt Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider mit. Mit dabei waren auch die Vizepräsidentin des Veneto, Elisa De Berti, und der Tourismuslandesrat von Trient, Roberto Failoni, weil dieses Projekt rund um den gesamten Sellastock nur funktionieren könne, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
Das Ziel der neuen Regelung ist, bis 2030 die derzeitige Nutzung von Motorrädern und Autos von 92 Prozent auf 42 Prozent zu senken.
„Der Codice della Strada erlaubt nur bedingt Sperren, deshalb wollen wir für die experimentelle Realisierung einer digital gesteuerten Zugangsregulierung ein Abkommen mit den Ministern Vittorio Colao und Enrico Giovannini erreichen“, sagt der Landesrat. So ein Abkommen würde normativ helfen. „Es wird derzeit unter der Federführung Südtirols verfasst und voraussichtlich im Herbst unterschrieben.“
Low-Emission-Zone
Die Kosten für die Zugangsregelung zu den Dolomitenpässen werden auf mindestens 20 Millionen Euro geschätzt, die Finanzierung ist noch unklar. Das Konzept der „Low-Emission-Zone“ baut dabei auf bereits umgesetzte Maßnahmen wie dem digitalen Buchungssystem in Prags und den neuen Fahrradspuren zum Grödner Joch und Sellajoch auf. Um Wettrennen auf den Straßen zu vermeiden, führte die Provinzregierung in Trient 2020 sogar eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 Kilometer pro Stunde auf einigen Berg- und Passstraßen ein.
Das Ziel der neuen Regelung ist, bis 2030 die derzeitige Nutzung von Motorrädern und Autos von 92 Prozent auf 42 Prozent zu senken. Der öffentliche Verkehr und das Radfahren hingegen sollen von derzeit 8 Prozent auf 58 Prozent steigen. Zudem ist angedacht, dass bis 2050 auf den Dolomitenpässen nur noch elektrifizierte Fahrzeuge im Individualverkehr (20 %) fahren, die große Mehrheit der Menschen soll dann aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad (80 %) unterwegs sein. Diese Vision begeisterten Motorradfahrer:innen und Fototourist:innen nahezulegen, könnte für die landeseigene Marketingorganisation IDM eine der größeren Herausforderungen sein.
Buchungssystem und Auffangparkplätze
„Das Problem beginnt bereits dann, wenn jemand ins Auto steigt, um zu einem Pass zu fahren“, so Alfreider. Er selbst wohnt in einem Haus an der Passstraße Richtung Grödner Joch und kennt die Problematik aus erster Hand. Daher will er nicht nur selektive Maßnahmen umsetzen, sondern ein umfassendes Maßnahmenpaket ausarbeiten, das bereits die Abfahrtsorte miteinbezieht, Auffangparkplätze vor den Pässen ermöglicht und vor allem Alternativen schafft. „Von den Auffangparkplätzen kann dann mit dem Bus, der Seilbahn oder dem Rad weitergefahren werden“, so Alfreider.
Kernstück der Zugangsregulierung ist ein digitales Buchungssystem. „Die Kontingentierung mit dem digitalen Buchungssystem für die Straße zum Pragser Wildsee funktioniert bereits recht gut“, so der Landesrat. Allerdings sei dieses Projekt mit einer Straße als Sackgasse, viel einfacher zu realisieren und zu handhaben als das gesamte Straßennetz rund um die Sellagruppe.
Die Details für die Zugangsbestimmungen sollen deshalb in enger Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden Canazei (Trient), Livinallongo del Col di Lana (Belluno), Corvara im Gadertal und Wolkenstein in Gröden erarbeitet werden.
Verkehrskontrollen
Ein weiteres Problem bei der Verkehrsbelastung sind die sogenannten „frisierten“ Motorräder, die lauter sind als vorgesehen. Deshalb wurden im heurigen Sommer die Verkehrskontrollen intensiviert und die Ortspolizei erhält Schulungen für die Lärmmessung. „Der Regierungskommissär Vito Cusumano, Ordnungskräfte, verschiedene Vertreter:innen der Gemeinde und aus dem Tourismus sind in den Abmachungen involviert“, erklärt der Direktor des Motorisierungsamtes, Markus Kolhaupt. Bisher wurde auf dem Grödnerjoch, der Mendel und auf den Straßen Richtung Timmelsjoch und Jaufenpass Kontrollen durchgeführt, weitere werden folgen.
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"Die Kosten für die
"Die Kosten für die Zugangsregelung zu den Dolomitenpässen werden auf mindestens 20 Millionen Euro geschätzt"
Strasse sperren - das würde wohl kaum was kosten...
Leider vergisst man bei
Leider vergisst man bei diesem Thema die anderen Strassen die auch als Rennstrecke benutzt werden. Zum Beispiel die kurvenreiche Strasse nach Cavalese: auch hier haben Mensch und Tier ein Recht auf Ruhe!
20.000 € für die
20.000 € für die Verkehrsregelung auf den Berg- und Passstraßen?
Den Privatverkehr total sperren und den von der Hotelerie Beiß-gehemmten Gemeindepolizisten den Maulkorb abnehmen!
Dafür braucht es kein Abkommen mit anderen Gemeinden und Provinzen, nur ein wenig Mut, die unsinnige Verschwendung von fossilen Brennstoffen für ein Foto auf der Scheitelhöhe und die kindischen Sucht nach Geschwindigkeit, ganz einfach zu verbieten!