Politik | Energie

Mehr aus der „Strom-Heimholung“ machen

Nach dem Bettenstopp wird nun über den Strom gestritten. Franz Locher über die Gründe, weshalb Südtirol seiner Meinung nach eine eigene Strom-Regulierungsbehörde braucht.
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Foto: Ivo Corrà
Der II. Gesetzgebungsausschuss unter seinem Vorsitzenden Franz Locher beschäftigt sich derzeit mit zwei Themenbereichen. Während demnächst unter Einbeziehung österreichischer und deutscher Experten das Borkenkäfer-Problem ausgiebig diskutiert werden soll, haben bereits im März und April Anhörungen zur Strom-Thematik stattgefunden, wobei unter anderem Rudi Rienzner, Geschäftsführer des Energieverbandes (SEV) und die römischen Parlamentarier Manfred Schullian und Meinhard Durnwalder angehört wurden. Letztere gaben Auskunft über die rechtlichen Möglichkeiten für die Errichtung einer eigenen Südtiroler Strom-Regulierungsbehörde.
 
 
 
Südtirol ist in der Lage, mit den Großkraftwerken, die teils bereits in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhundert errichtet wurden, sowie neuerer Wasserkraftwerke, Holz-, Müllverbrennungs-, Biogas- sowie Photovoltaik-Anlagen sehr viel Strom zu produzieren. „Wir produzieren in Südtirol ungefähr doppelt soviel Strom, wie wir verbrauchen“, erklärt Locher und verweist auf das Schlagwort der „Heimholung der Wasserkraft“, welches in den 90er und 2000er Jahren ein großes Thema gewesen sei. Bis dato sei die Rückführung der Kraftwerke zwar eine Erfolgsgeschichte gewesen, allerdings stelle die Stromproduktion, die unter Aufsicht der staatlichen Regulierungsbehörde erfolgt, aufgrund des gestiegenen Gaspreises derzeit ein erhebliches Problem dar. „Nachdem Italien rund 50 Prozent seiner Energie aus Gaskraftwerken bezieht und die Energie aus Wasserkraft, die auf gesamtstaatlicher Ebene nur einen geringen Prozentsatz ausmacht, an den Gaspreis gekoppelt ist, fällt uns das nun auf den Kopf“, so Locher. Südtirol produziere zwar genügend Energie aus Wasserkraft, aber durch den Verbund mit dem nationalen Energieverband, sei eine eigene Tarifgestaltung nicht möglich.
 
Der Staat wird uns eine eigene Behörde sicherlich nicht zum Geschenk machen.
 
„Wir müssen uns die Frage stellen, ob eine eigene Regulierungsbehörde angestrebt werden sollte und welchen Nutzen das für unsere Bürger bringen würde“, erklärt der Landtagsabgeordnete und verweist dabei auf das Autonomiestatut, in welchem der Bereich Wasserkraftwerke klar geregelt ist bzw. auch mögliche Verteilungslösungen. Auch eine Studie, die von der Handelskammer und dem Südtiroler Energieverband (SEV) in Auftrag gegeben wurde, würde belegen, dass die Errichtung einer eigenen Regulierungsbehörde rechtlich durchaus möglich sei. Angesprochen auf die teils widersprüchlichen Aussagen und die Frage inwieweit sich staatliche Gesetzgebung und Autonomiebestimmungen überschneiden bzw. welche Möglichkeiten eine eigene Regulierungsbehörde hätte, erklärt Locher, dass dies sicher einer der Streitpunkte sei. „Der Staat wird uns eine eigene Behörde, welche beispielsweise Mitsprache bei der Tarifgestaltung hat, sicherlich nicht zum Geschenk machen“, betonte der Landtagsabgeordnete. Diese Richtung müsse jedoch eingeschlagen werden, damit die Bevölkerung von dieser „Strom-Heimholung“ auch etwas habe.
 
 
 
 
Ob die Umsetzbarkeit einer solcher Behörde gegeben ist und was es im Endeffekt bringe, zähle zu den offenen Fragen – „die allerdings diskutiert werden müssen“. „Das wird sicherlich eine intensive politische Diskussion und Auseinandersetzung werden“, so Locher, der forderte, aus der „Heimholung“ mehr zu machen. Innerhalb von eineinhalb Jahren ist der Strompreis für den Endverbaucher von 7 auf mittlerweile 31 Cent/kWh gestiegen – über das Vierfache. „Für den Bürger ist das nicht mehr nachvollziehbar – er spielt langsam nicht mehr mit – und wir sind nicht mehr in der Lage, die Gründe dafür verständlich zu kommunizieren“, so Locher, der auf Beispiele verweist, wie die Stormerzeugung zum Vorteil für die Bürger genutzt werden könnte. So können historische Genossenschaften wie die Energiegemeinschaft Villnöss, welche die rechtlichen Voraussetzungen haben, um die Stromverteilung und damit die Preisgestaltung selbst zu organisieren, den Strom zu einem günstigen Tarif an die Mitglieder abgegeben. Mit über 70 Stromverteilern verfüge das Land Südtirol zudem über die technischen Voraussetzungen.
 
Für den Bürger ist das nicht mehr nachvollziehbar – er spielt langsam nicht mehr mit – und wir sind nicht mehr in der Lage, die Gründe dafür verständlich zu kommunizieren.
 
„Wir müssen daran arbeiten, in diese Richtung zu gehen und noch autonomer und unabhängiger zu werden“, so Locher, der erklärt, dass die Verteilung auf Gemeindeebene oder auch über den Energieversorger Alperia organisiert werden könnte. Auch eine Genossenschaft könnte einen Verbund schaffen und in die Energieproduktion einsteigen, indem beispielsweise Photovoltaikanlagen auf Dachflächen installiert werden. Die daraus gewonnene Energie könnte zu günstigen Konditionen an die Genossenschaftsmitglieder abgegeben werden. Die Verfahren seien zwar kompliziert, ein langer Weg sei vorprogrammiert, aber durchaus machbar, wie Locher erklärt. „Wir müssen in dieser Hinsicht viel aktiver werden“, so der Landtagsabgeordnete, denn die Strompreise könnten noch weiter steigen und Handwerks-, Handels-, Tourismus- wie auch Industriebetriebe und die Bürger geraten zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. „Die Zeit drängt“, betonte der Landtagsabgeordnete.