Politik | Wohnbau

Grundsatzdiskussion Wohnbauförderung

Tut man der Jugend wirklich einen Gefallen damit, wenn im geförderten Wohnbau die 23 Punkte auf 20 herabgesetzt werden? Nein, meinte die Mehrheit in der SVP-Fraktion.
Bauen
Foto: Othmar Seehauser
Die Diskussion ist nicht neu, auch nicht die Argumente: Junge Menschen und Familien müssen die Möglichkeit erhalten, sich in ihren Gemeinden ein Eigenheim realisieren zu können. Der Arbeitnehmerfraktion und insbesondere Soziallandesrätin Waltraud Deeg ist dies ein Herzensanliegen: Dreimal wurde bereits in der Landesregierung darüber diskutiert – und beschlossen, dass es in dieser Form nicht genehmigt werden kann. Am vergangenen Montag wurde sogar in der Fraktionssitzung darüber abgestimmt – ein eher  unübliches Vorgehen, das nicht gerade alle Tage vorkommt. Das Ergebnis – 7 SVP-Fraktionäre stimmten dagegen, 6 dafür – war jedoch keineswegs eine Überraschung, denn die Positionen in dieser Grundsatzdiskussion sind fraktionsintern hinlänglich bekannt. Dennoch hagelte es in den kommenden Tagen Kritik an den Gegnern, welche der Jugend angeblich die Zukunftsperspektive nehmen. Auch im Landtag fand die interne Diskussion ihren Niederschlag, als der Obmann der Freiheitlichen, Andreas Leiter Reber, den Arbeitnehmervorschlag dankend aufgriff, um die SVP vorzuführen, indem er ihn selbst im Nachtragshaushalt einbrachte. Die Fraktionsvorsitzende der SVP, Magdalena Amhof, brachte daraufhin einen Gegenvorschlag ein, der zwar allgemeiner gehalten ist, in welchem Landeshauptmann Arno Kompatscher aber ebenfalls aufgefordert wird, den Zugang zur Förderung für Neubauwohnungen durch die Senkung der Punkte-Zahl zu erleichtern.
 
Doch was spricht gegen eine erleichterte Zugangsmöglichkeit zum geförderten Wohnbau?
 
Doch was spricht gegen eine erleichterte Zugangsmöglichkeit zum geförderten Wohnbau? Was sind die zentralen Punkte in dieser Grundsatzdiskussion? Nicht so sehr die Kosten, die mit fünf bis sieben Millionen Euro veranschlagt werden, sondern die Frage, ob man der Jugend damit einen Gefallen tut. Die Herabsetzung der Punkte von derzeit 23 auf 20 hat nämlich zur Folge, dass die Antragsteller bereits früher diese Förderung in Anspruch nehmen können – in einem Alter, in welchem die berufliche Laufbahn noch nicht festgelegt ist, die Familienverhältnisse noch nicht klar geregelt sind und die Frage nach dem Lebensmittelpunkt nicht unbedingt entschieden ist. Entscheidet sich eine Person, die Wohnbauförderung in Anspruch zu nehmen, so ist sie durchschnittlich 25 bis 30 Jahre finanziell gebunden. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Situation, wenn sich Ehepaare trennen, sich die Berufssituation ändert und damit möglicherweise auch der Lebensmittelpunkt ein anderer wird. Ist in der heutigen Zeit, in der die Gesellschaft wesentlich mobiler und ortsunabhängiger agiert und lebt, in der die Menschen später sesshaft werden, eine derartige Maßnahmen überhaupt noch zeitgemäß? Oder wie Maria Hochgruber Kuenzer, Landesrätin für Raum und Landschaft, es formuliert: „Ich persönlich bin der Meinung, dass die Jugend sich damit zu schnell eine Fessel anlegt.“ Ein Gegenargument lautet dann allerdings: Niemand muss diese Förderung in Anspruch nehmen, der Jugend sollte aber zumindest diese Möglichkeit eingeräumt werden. Im Falle der Landesrätin für Raumordnung kommt allerdings noch ein weiteres wichtiges Argument zum Tragen.
 
 
 
Die Handlungsstrategie der Landesregierung ist darauf ausgerichtet, eine nachhaltige und ressourcenschonende Politik zu betreiben, mit dem Grund und Boden sparsam umzugehen und so wenig wie möglich Neuland zu verbrauchen. Der Fokus dürfe daher nicht auf die Ausweisung von neuen Wohnbauzonen im Grünen gerichtet sein, sondern in der Neu-Nutzung des bereits Bestehenden. „Wenn die Punkte-Zahl für die Wohnbauförderung von 23 auf 20 herabgesetzt wird, dann muss gleichzeitig der Richtwert für den Erwerb und die Sanierung von Altbestandswohnungen von 20 auf 17 Punkte reduziert werden“, fordert Hochgruber Kuenzer. Denn der Anreiz für die Nutzung des Altbestandes muss größer sein als für den Verbau von Grünfläche, ansonsten würde sich wohl jeder für Letzteres entscheiden.
 
Wenn die Punkte-Zahl für die Wohnbauförderung von 23 auf 20 herabgesetzt wird, dann muss gleichzeitig der Richtwert für den Erwerb und die Sanierung von Altbestandswohnungen von 20 auf 17 Punkte reduziert werden.
 
Auf die Kritik, dass die Jugendlichen möglicherweise kein Interesse an einer Altbauwohnung hätten und beschließen fortzuziehen, entgegnet Hochgruber Kuenzer, dass die Realität in den Gemeinden leider eine andere sei. Die jungen Leute ziehen fort, weil es unter Umständen zu wenig Interessenten für Zonen im geförderten Wohnbau gibt. Gibt es nur einen Antragsteller, so muss er möglicherweise mehrere Jahre warten. Würden die Zugangsvoraussetzungen gelockert, so würde sich der Pool der Interessenten natürlich vergrößern. „Wenn wir jedoch den Altbestand gut nutzen und die Umnutzung bzw. Neubestimmung zulassen, dann werden die Wartezeiten verkürzt, weil beispielsweise keine Bauleitplanänderung erstellt werden muss – neue Kubaturen wären ad hoc verfügbar, auch wenn nur ein Antsragsteller vorhanden ist“, so Hochgruber Kuenzer, die betont „Bauen, wo bereits gebaut wurde, ist das Credo des neuen Raumordnungsgesetzes.“
 

Siedlungsgrenzen: eng oder weit?

 
Mit der Reform der Wohnbauförderung steht auch die Forderung nach einer Ausweitung der Siedlungsgrenzen im Raum, ein Punkt, welcher unmittelbar das Ressort von Landesrätin Hochgruber Kuenzer betrifft bzw. die Gemeindeentwicklungskonzepte, die in den kommenden Jahren von jeder Gemeinde ausgearbeitet werden müssen. Während die Arbeitnehmerfraktion dafür plädiert, die Siedlungsgrenzen großzügig zu ziehen, fürchtet die Landesrätin für Raumordnung, dass damit Spekulationen Tür und Tor geöffnet wird. Dass die Bau-Spekulanten ein wachsames Auge auf jene Grundstücke haben werden, die innerhalb der Siedlungsgrenzen einer Gemeinde liegen, sei vorhersehbar bzw. komme einer Einladung gleich.
 
Mit Groß-Abgrenzungen leisten wir diesen Spekulationen Vorschub.
 
„Mit Groß-Abgrenzungen leisten wir diesen Spekulationen Vorschub“, ist Hochgruber Kuenzer überzeugt. Das Argument der Arbeitnehmerfraktion, dass Baugrund damit günstiger wird, könne niemals greifen. „Das wird in Südtirol nie passieren, dafür ist die Ressource Grund und Boden viel zu knapp“, erklärt Hochgruber Kuenzer und weist dabei auf zwei wichtige Instrumente im Raumordnungsgesetz hin, mit welchem der Bodenverbrauch eingeschränkt werden kann: zum einen die Leerstandserhebung und die Leerstandsnutzung und zum anderen die Umwidmung von Bestandskubatur. „Dementsprechend müssen wir unsere Wohnbauförderung danach ausrichten. Zielgerichtet sollte sie an die bereits verbauten Flächen wie beispielsweise aufgelassene Tourismuseinrichtungen ausgerichtet werden“, erklärt die Raumordnungslandesrätin, die vor diesem Hintergrund auf die im Gemeindenentwicklungsprogramm verpflichtend vorgesehene Erhebung des Altbestandes verweist: „Wenn das nicht ein toter Buchstabe bleiben soll, dann müssen wir Anreize schaffen, den Altbestand auch zu nutzen.“
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Dietmar Nußbaumer Sa., 22.10.2022 - 20:49

Interessant, dass bis jetzt noch kein Kommentar hierzu vorliegt. Es scheint den Marktschreiern nur um Aufmerksamkeit und Wahlwerbung zu gehen. Jeden Satz in diesem Artikel kann ich bedenkenlos zustimmen. Wenn man wirklich für leistbares Wohnen ist, muss man endlich der Spekulation und dem "Ausverkauf der Heimat" einen Riegel vorschieben (oder "die" Partei muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nur Partikularinteressen zu vertreten). Aber auch die Opposition drückt sich, wie gewohnt, vor ihrer Verantwortung. Oder möchte man noch mehr Wohnungen auf den Markt bringen? (Weil die Jungen dann eher verkaufen, wenn's eng wird?) So oder so, einige Wenige verdienen sich eine goldene Nase daran.

Sa., 22.10.2022 - 20:49 Permalink