So oder ähnlich argumentieren die Kriegsgegner. Führt die Ukraine Krieg? Verüben ukrainische Soldaten Kriegsverbrechen? Annektierte die Ukraine fremde Gebiete? Russland ist der Täter, die Ukraine das Opfer.
Die Ukraine soll sich also ergeben, fordern die Pazifisten und dann herrscht
Frieden. Wie in
Butscha oder in vielen anderen Dörfern und Städten, wo russische Soldaten wüteten,
Kriegsverbrechen verübten.
Was passiert mit den besetzten ukrainischen Gebieten? Sie werden wohl russisch bleiben, weil für den Frieden die Ukraine Kompromisse eingehen muss.
Was passiert mit den Vertriebenen, mit den nach Russland
Deportierten? Sie werden vertrieben und deportiert bleiben. Zum Erhalt des Friedens. Dafür werben die Pazifisten der Marke Cinque Stelle.
Verwunderlich ist dies keineswegs. „Russland unterstützt … die Lega Nord sowie die Cinque Stelle,“ zitiert
Catherine Belton in ihrem Recherche-Buch „
Putins Netz“ Michael Carpenter, 2015 Russland-Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden. Die Cinque Stelle, die fünfte Kolonne des Putin-Regimes in Italien. Für Putin-Fans wie Giuseppe Conte und seine „Stelle“ ist die widerstandsleistende Ukraine der Täter, Russland wahrscheinlich das Opfer.
Das war auch in den fernen 1990er Jahren die pazifistische Argumentation gegen Waffenlieferungen für Bosnien. Die ehemalige jugoslawische Volksarmee und die serbischen Milizen verwüsteten – hochgerüstet – das angeblich musulmanische Bosnien.
Verwunderlich ist dies keineswegs. „Russland unterstützt … die Lega Nord sowie die Cinque Stelle,“ zitiert Catherine Belton in ihrem Recherche-Buch „Putins Netz“
Vergewaltigungen, Massenmorde, „ethnische Säuberungen“, Srebrenica, Sarajewo, usw.
Ganz im Sinne der Pazifisten bestraften die westlichen Staaten Bosnien mit einem Waffenembargo. Russland versorgte die serbischen Brüder auf seinem riesigen Waffenarsenal. Die Folgen sind bekannt, das multikulturelle und multireligiöse Bosnien wurde aufgeteilt, die Serben erhielten ihren ethnisch gesäuberten Kanton, die
bosniakischen Siedlungsgebiete dem kroatischen Landesteil angegliedert. Es herrscht zwar kein Krieg mehr in Bosnien, aber auch kein Frieden.
Bosnien, das Modell für die Ukraine, angepriesen von den italienischen Pazifisten. Eine unglaubliche Arroganz von späten Nachfahren des Faschismus, die den
UkrainerInnen empfehlen, sich dem russischen Imperialismus unterzuordnen.
Eine arrogante Haltung auch, weil Italien laut der Arbeitsgruppe zur Ausfuhr konventioneller Waffen (COARM) zwischen 2015 und 2020 Rüstungsgüter im Wert von 22,5 Millionen Euro an Russland verkauft hat. Die Firma Iveco lieferte Fahrzeuge im Wert von 25 Millionen Euro an Russland, listet
Investigate Europe auf. Ein Journalist von La 7
entdeckte die Kriegsfahrzeuge Lynce-Modell von Iveco Anfang März an der ukrainischen Front. Ab 2015 wurden immer weniger Waffen und Munition von Italien nach Russland geliefert. 2021 wurden es dann wieder mehr. Laut Exportdaten der Statistik-Behörde Istat lieferte Italien zwischen Januar und November 2021 ‚Rüstung und Munition‘ im Wert von 21,9 Millionen Euro nach Russland.
Roman Schwarzman aus Odesa sprach am 20. Oktober im deutschen
Bundestag. Die Botschaft des Holocaust-Überlebenden war unmissverständlich, „Putin ein verdienter Schüler Hitlers“.
Schwarzman findet im Interview mit
Ukraine verstehen klare Worte zur russischen Invasion in seiner ukrainischen Heimat. Im Gespräch mit
Ira Peter redet er nicht lange herum, schon gar nicht politisch korrekt. Die Ukraine ist auf tückische Weise überfallen worden, sagt der Holocaust-Überlebende, „wie es Adolf Hitler im Juni 1941 getan hat. … Niemand hätte gedacht, dass im 21. Jahrhundert ein solches faschistisches Monster wie das aus dem heutigen Russland auftaucht“.
Schwarzmann nennt Putin einen verdienten Schüler Hitlers. Putin, der ehemalige KGB-Mitarbeiter, weiß laut Schwarzman, „wie man einen Vernichtungskrieg führt, vor allem auch, wie man die zivile Bevölkerung vernichtet. Er will praktisch unsere gesamte Bevölkerung vernichten, auch unsere Infrastruktur, sogar Krankenhäuser und Schulen. Hitler und Putin sind Zwillingsbrüder“.
Schwarzmann zitiert den Propaganda-Slogan „Denazifizierung“ von Putin. „Während im 20. Jahrhundert eine ´Endlösung für die Judenfrage´ gesucht wurde, benutzt Putin den Begriff heute, um die Ukraine völlig zu zerstören. Er behauptet, es gab die Ukraine nicht, es sei ein Land, das erfunden worden ist. Der eine hat sechs Millionen Juden vernichtet. Der andere will 40 Millionen Ukrainer vernichten“.
Roman Schwarzmann sagt im Interview mit „Ukraine verstehen“, Putin und seine Unterstützer sind Terroristen, weil sie Zivilisten ermorden. Deutliche Worte, auch an die vielen Putin-Versteher und Russland-Verehrer in Deutschland, Österreich und in Italien. Schwarzman plädiert deshalb auch für
verstärkte Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, um dem russischen Terror widerstehen zu können.
Die deutsche Geschichte, auch und besonders in der von den Nazis verwüsteten Ukraine, verpflichtet Deutschland zu einer weiterreichenden Verantwortung, so das Zentrum für liberale Moderne. Weil die
Geschichte die Gegenwart prägt: „Aus der Shoa und dem Vernichtungskrieg im Osten erwächst politische Verantwortung in der Gegenwart: gegenüber dem Judentum, dem Staat Israel, aber auch gegenüber mittelosteuropäischen Ländern wie der Ukraine und Polen.
Hätten die antifaschistischen Widerstandskämpfer in den 1940er Jahren statt auf Schwarzhemden und deutsche Soldaten zu schießen, mit Friedensfahnen demonstrieren sollen?
Die pazifistischen Russland-Versteher sollten – statt sich dem traditionellen Anti-Amerikanismus hinzugeben – das „Tagebuch einer Invasion“ von Andrej Kurkow durchblättern. Kurkow macht aus seiner Enttäuschung über den Westen – insbesondere über Deutschland wegen der Zögerlichkeit beim Thema Waffenlieferungen – keinen Hehl. Kurkows Angst, dass die Ukraine im Stich gelassen, ja verraten wird, wächst angesichts der immer offensichtlicher zu Tage tretenden Brutalität der russischen Angreifer mit jedem Kriegstag spürbar.
Der Druck von außen, schreibt er, festige den Zusammenhalt im Innern des politisch vormals durchaus gespaltenen Landes: "Zusammengefasst ist dieses Buch nicht nur eine Chronik des Angriffs von Russland auf die Ukraine, sondern auch eine Chronik darüber, wie der von Russland angezettelte Krieg (…) zur Stärkung der nationalen Identität der Ukraine beigetragen hat." Kurkow bezeichnet sich als einen ethnischen Russen.
Sein Vorwurf an den russischen Kriegspräsidenten: „Putin zerstört nicht nur die Ukraine, er zerstört Russland und damit auch die russische Sprache. In diesem schrecklichen Krieg (…) ist die russische Sprache wohl eines der unbedeutendsten Kriegsopfer. Ich habe mich schon viele Male für meine russische Herkunft geschämt, für die Tatsache, dass meine Muttersprache Russisch ist. Ich habe mir verschiedene Formeln überlegt, um zu belegen, dass die Sprache nicht schuld ist. Dass Putin die russische Sprache nicht gehört."
Zurück zu den Pazifisten. Hätten die antifaschistischen Widerstandskämpfer in den 1940er Jahren statt auf Schwarzhemden und deutsche Soldaten zu schießen, mit Friedensfahnen demonstrieren sollen?