Chronik | Ermittlung

Operation Heiliger Krieg

Die Bozner Staatsanwaltschaft und Digos ermitteln seit über zwei Jahren gegen ein antisemitisches Hetz-Netzwerk, das von Norwegen aus gesteuert wird. Nach der Verdunkelung zweier Internetseiten und Hausdurchsuchungen in Norwegen und Italien will Staatsanwalt Igor Secco jetzt gegen sieben Personen Anklage erheben.

Es ist ein explosives Gemisch: Satanismus, Verschwörungstheorie, Neonazismus, Homophobie, Rassismus, Fundamental-Katholizismus und über allem ein aggressiver kaum zu überbietender Antisemitismus.
Das sind die Zutaten, die seit fast zehn Jahren in Italien aus einem Netzwerk von Internetplattformen, Vereinen mit unverdächtigen Namen, DVDs und selbstgebastelten Zeitschriften tropfen. Mit klaren Verbindungen zur europäischen, gewaltbereiten Rechtsextremismus-Szene. Die Mitglieder rufen zum „heiligen Krieg gegen alle Feinde Gottes und der Kirche” und zur „Befreiung von der rassistisch-zionistischen Finanzlobby” auf.
Sie verkaufen und vertreiben DVDs mit dem Nazi-Film „Jud Süss“ oder der Dokumentation „Die Rothschilds“. Weil die Filme nur auf Deutsch oder Englisch zu haben sind, übersetzen und untertiteln sie diese Hetzfilme in Italienisch.
Auf ihren Internetplattformen schießen sie gegen fast alles und jeden. Gegen die Würdenträger der Kirche, gegen Politiker jedwelchen Couleurs, gegen Journalisten und Wirtschaftsbosse. Die Angriffe erfolgen dabei immer unter derselbe Optik: „Sklaven und Helfer der jüdischen Mafia“.
Vor zwei Jahren veröffentlichen sie sogar eine Proskriptionsliste von 163 italienischen Universitätsprofessoren mit der Einleitung: „Die Sklaven der mafiösen, jüdischen Cupola. Hier ihre Namen“. Immer wieder in den Fokus dieser Antisemiten geraten auch die jüdischen Gemeinden in Italien und ihre Exponenten.

Anzeige aus Meran

So veröffentlicht „holywar.org“ Anfang 2012 einen Poster mit dem Text: „Hier die jüdischen Nazis, Mitglieder der jüdisch italienischen Mafia-Cupola. Diese Sklaven Satanas wollen die Vernichtung der katholischen Kirche, aber wir werden gegen alle Mächte des Bösen kämpfen, die sie angreifen. Das ist unsere Aufgabe. Heiliger Krieg“.
Darunter finden sich in Steckbriefmanier 5 Fotos und Namen. Abgebildet sind auch zwei Personen der jüdischen Gemeinschaft in Südtirol: Deborah Fait und der Meraner Unternehmer Federico Steinhaus.
Der langjährige Vorsitzende der Meraner Kultusgemeinde, Federico Steinhaus, wird am 7. Februar 2012 beim Polizeikommissariat Meran vorstellig und hinterlegt eine detaillierte Anzeige gegen die Betreiber der Internetplattform. Der Bozner Staatsanwalt Igor Secco und die Bozner Digos beginnen mit einer Ermittlung, die zwei Jahre lang dauert. Im April 2013 werden in acht italienischen Städten Hausdurchsuchungen gemacht. Zwei Internetseiten „holywar.org“ und „holywar.tv“ werden auf Anordnung der Staatspolizei verdunkelt.
Jetzt – ein Jahr später - sind Seccos Ermittlungen abgeschlossen und insgesamt sieben Personen wurde in den vergangenen Tagen der Bescheid über den Abschluss der Ermittlungen zugestellt. Anklagepunkte sind nach dem Mancino-Gesetz Anstiftung zum Rassenhass, Verteilung antisemitischer Hetzschriften und Diskriminierung der jüdischen Religion. „Der Staatsanwalt wird diese sieben Personen vor Gericht bringen“, sind sich die Ermittler sicher.

Der Ideologe

Kopf und Gründer der „Holywar“-Gruppe ist ein 65jähriger norwegischer Nazi: Alfred Olsen. Olsen ist der ideologische Kopf der Bewegung, die sich in Italien „Movimento di Resistenza Popolare – L´alternativa cristiana“ nennt. Selbst der Massenmörder und Attentäter Anders Behring Breivik scheint sich bei diesem gefährlichen norwegischen Nazi-Wirrkopf inspiriert zu haben.
Alfred Olsen dürfte auch der Autor des Pamphlets sein, das man auf den Plattformen in Italien verbreitet hat. Es ist eine Art Manifest und Aufforderung zum Rassenhass und Antisemitismus Dort heißt es: „Handle heute – um deinen Kindern ein ordentliches Morgen zu ermöglichen. Warte nicht, schließ dich uns an, damit dein Land wirtschaftlich von der rassistisch-zionistischen Hochfinanz befreit wird. Nur der gemeinsame Kampfesgeist vereint mir dem persönliche Einsatz kann uns diesen Überlebenskampf gegen die neue totalitäre, satanistisch, rassistisch-zionistische Weltordnung gewinnen lassen.
In diesem Manifest sind alle Grundelemente vereint, die auf der Internetseite immer wiederkehren. Leugnung des Holocaust, die Juden sind die eigentlichen Nazis, deshalb wird immer wieder der Davidstern gemeinsam mit dem Hakenkreuz abgebildet, Juden werden mit Satan und Satanismus gleichgesetzt. Vor allem aber sind die Juden die eigentlichen Rassisten.

Die Italiener

Wer Mitglied der Gruppe werden oder sie unterstützen wollte, musste 5 Euro an Alfred Olsen überweisen. Olsen gab die Befehle, entwarf Flugblätter, machte Fotomontagen und schrieb Texte. Aus Norwegen mailte er alles dann in einem Vorort von Neapel. Dort sitzt der italienische Kopf des Nazinetzwerkes. Ein 46jährige Beamtet mit dem schildernden selbst erweiterten Namen: Scipione Antonio Rino Tagliaferro.

Tagliaferro ist ein wildgewordener Fudamental-Katholik, der es als Experte für satantische Botschaften und versteckte Beeinflussung der Hirnströme sogar in eine RAI-Sendung geschafft hat. Er ist der Web-Master des italienischen „Holywar“-Netzwerkes. Weil der Server in den USA steht, war für die Ermittler die Verfolgung und Abschaltung der Homepage nicht so einfach. Tagliaferro übernahm auch den Vertrieb von über einem Dutzend antisemitischer Filme.

Handle heute – um deinen Kindern ein ordentliches Morgen zu ermöglichen. Warte nicht, schließ dich uns an, damit dein Land wirtschaftlich von der rassistisch-zionistischen Hochfinanz befreit wird.

Tagliaferro arbeitet seit Jahren mit einer zweiten Plattform zusammen, die ein Bruder im Geiste ist. In Ferrara wurde 1990 das „Centro Culturale San Giorgio“ gegründet. Gründer und Präsident Paolo Baroni ist ein kämpferischer und durchaus gefährlicher Antisemit. Das Kulturzentrum hat eine gleichnamige Internetseite, die für Tagliaferro und dem „Holywar“-Netzwerk ein willkommenes Schaufenster war. Baroni hat auch die Grafik der DVS zu „Ebreo Suess!“ (Jud Süss) und anderen antisemitischen Filmen, die über holywar.tv jahrelang vertrieben wurden betreut.
Claudio Fauci, Aniello Di Donato und Luca Schiano di Pepe teilten nicht nur die Ideen der Bewegung, sie beteiligten sich auch der Untertitelung der rassistischen Filme auf holywar.tv und der Herstellung der antisemitischen DVD.
Der sechste Italiener gegen den ermittelt wurde, ist Salvatore Panzica. Panzica ist ein katholischer Fundi, der den Verlag „Salpan“ leitet und Webmaster der Plattform „salplan.org“ ist. Panzica produziert und vertreibt auch die Zeitschrift „La Resistenza“, die Olsen und Tagliaferro herausgeben und die die offzielle Zeitschrift dieser italienischen, antisemitischen Bewegung ist. Zudem sind Panzicas Internetauftritte mit „holywar.org“ vernetzt.

Zynischer Gegenangriff

Wie fanatisch die Beschuldigten vorgehen, zeigte sich nach den Hausdurchsuchungen durch die Bozner Digos vor einem Jahr. Nicht nur in Italien schlug man dabei zu, sondern die Beamten durchsuchten über Eurojust auch Alfred Olsens Haus in Norwegen.
Wenige Tage danach fanden sich Fotos von Staatsanwalt Igor Secco, des Bozner Untersuchungsrichters Walter Pelino und des Bozner Digos-Chefs Giorgio Augusto Porroni auf einer der Schmäh-Seiten des italienischen „Holywar“-Ablegers wieder. Das Trio  wird als „Sayanim“ (Helfer) der jüdischen Weltverschwörung und Staatsanwalt Igor Secco  als „Exponent der italienischen Radikalen“ dargestellt.
Doch dem nicht genug.
Im Mai 2013 erstattet Alfred Olsen über seinen italienischen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft in Venedig Strafanzeige gegen den Präsidenten der italienischen Kultusgemeinden Riccardo Pacifici und gegen die Internetseite „Roma Ebraica“. Der absurde Vorwurf: Pacifici und die Kultusgemeinde würden Rassismus verbreiten und sie seien am Genozid von 30 Millionen Christen mitschuldig.
Unmenschlicher und zynischer geht es wohl kaum mehr.