„Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir uns befinden, wenn nicht in letzter Minute Rettung naht“. Mit dieser Parole hat der Schriftleiter der Tageszeitung Dolomiten in den 1950er-Jahren, Kanonikus Michael Gamper, Südtirol aufgerüttelt und Zeitgeschichte geschrieben.
Seine Erben scheinen es ihm nachahmen zu wollen. Diesmal kommt die Bedrohung des Volkskörpers aber nicht aus Rom, sondern vom Wolf.
Es vergeht inzwischen kaum ein Tag, an dem kein blutrünstiger Wolf bedrohlich aus der Dolomiten schaut. Der Südtiroler Bauernbund wird wahrscheinlich demnächst ein Verbot des Namens Wolfgang fordern. Angeblich hat Senator Meinhard Durnwalder bereits einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in Rom eingereicht.
Der Bauernbund wird wahrscheinlich demnächst ein Verbot des Namens Wolfgang fordern. Angeblich hat Senator Meinhard Durnwalder bereits einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in Senat eingereicht.
Das ständig Dolomiten-Crescendo hat in diesen Tagen aber seinen bisherigen Höhepunkt erreicht.
Horror pur
Am Mittwoch fletschte der Dolomiten-Wolf wieder einmal seine Zähne. Auf der Titelseite „Beim Wandern von Wolfsrudel umkreist: Retter aus der Luft befreien 2 Frauen“. Im Innenteil dann der Titel: „Horror pur: 2 junge Südtirolerinnen von Wolfsrudel verfolgt“.
Dolomitenredakteurin Lisa Ehrenstrasser muss zumindest den Pulitzer-Preis dafür bekommen. Die Prosa im Artikel ist von ganz besonderer Güte:
„Es waren wohl die schrecklichsten Minuten ihres Lebens, die gestern Mittag 2 junge Frauen erleben mussten: Beim Wandern im Ultental trafen sie auf dem Tarscher Jöchl (2620 Meter) plötzlich auf ein Wolfsrudel, das sich ihnen gefährlich näherte und sie verfolgte.“
Während den meisten Dolomiten-Leserinnen und -Lesern vor Angst noch die Hosen schlotterten, gingen die Kolleginnen und Kollegen von RAI-Südtirol der Geschichte genau nach.
Und siehe da, der Scoop entpuppte sich als alpine Fake-News.
Alpine Fake News
In dem Online-Artikel „Der Rudel-Bluff - Das spielte sich in Ulten wirklich ab“ heißt es:
„Rai Südtirol hat beim Ultner Bürgermeister Stefan Schwarz nachgefragt. Er hat mit den Bergrettern gesprochen, die im Einsatz waren, und mit den betroffenen Frauen.
Laut Schwarz waren die Frauen am Dienstag auf einer Bergtour unterwegs. Bei dieser Wanderung haben sie in der Ferne mehrere Tiere wahrgenommen. Um welche Tiere es sich handelte, konnten die Frauen nicht sagen. Sicherheitshalber haben die Frauen den Notruf gewählt und nachgefragt, was zu tun wäre, sollte es sich bei den Tieren um Wölfe handeln.
Die Tiere, so der Bericht des Bürgermeisters weiter, hätten sich den Frauen nicht genähert. Die Frauen, auch auf diese Feststellung legt er wert, hätten auch nicht um Rettung oder Befreiung aus einer misslichen Lage gebeten.“
Was nicht in den Dolomiten steht, darf es aber nicht geben. Deshalb legte das Tagblatt am Tag darauf noch einmal nach. Jetzt macht man zwar einen halben Schritt zurück, doch das Bedrohungsszenario bleibt. Im Donnerstag-Artikel des Tagblattes heißt es:
Nun spricht eine der 2 Frauen: „Wir haben in etwa 150 Meter Luftlinie Entfernung 6 bis 8 Wölfe gesehen. Aufgrund der äußeren Merkmale und der schleichenden Bewegungen waren wir uns sofort sicher, dass es sich um Wölfe handelte“, erzählt eine der beiden jungen Frauen aus dem Großraum Bozen, die am Dienstag beim Wandern im Ultental am Tascher Jöchl (2620 Meter) auf ein Wolfsrudel gestoßen waren.
Wir haben in etwa 150 Meter Luftlinie Entfernung 6 bis 8 Wölfe gesehen. Aufgrund der äußeren Merkmale und der schleichenden Bewegungen waren wir uns sofort sicher, dass es sich um Wölfe handelte.
„Wir sind sehr erschrocken und haben voller Panik die Notrufnummer 112 gewählt. Dort haben wir die Situation geschildert und gefragt, was wir tun könnten und wie wir uns verhalten sollten. Wir haben uns versteckt und waren ganz still“, schildert die junge Frau den Hergang.
Ach so?
Das Beweisfoto
Wie die Sichtung der beiden jungen Frauen wirklich vor sich gegangen ist, zeigt ein Dokument. Die Behörden fragten bei den Wanderinnen nach, ob sie ein Foto der angeblichen Wölfe hätten. Da sie mit dem Handy telefoniert und auch lange ausgeharrt haben, wäre es doch logisch, dass die Bedrohten zumindest ein Foto des blutrünstigen Rudels gemacht hätten.
Die Antwort der beiden Wanderinnen: Natürlich.
Salto.bz kann exklusiv das Beweisfoto vom Tarscher Jöchl vorlegen, das von den Frauen den Behörden offiziell übergeben wurde.
Im Kreis erkenntlich: die 6 bis 8 Wölfe, in etwa 150 Meter Luftlinie Entfernung, die mit "schleichenden Bewegungen" angreifen.
Das ist der eindeutige Beweis, dass alles wahr ist.
Zu sehen sind sechs bis acht ausgewachsene Exemplare der neuen, besonders blutrünstigen Wolfsart „Lupus Dolomiticus".
Gezüchtet, hochgezogen und gemästet im Bozner Weinbergweg.