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Sport | Fussball-WM

Europäische Heuchler

Die angebliche Wertegemeinschaft der Europäer ist nicht mehr als Schall und Rauch.
Der unsympatische FIFA-Chef Gianni Infantino weiß worüber er spricht, wenn er die Europäer als Heuchler beschimpft. Infantino, Bürger Katars und Freund der dortigen elitären Oligarchen, wurde nicht von ungefähr Nachfolger des genauso unsympathischen Joseph Blatter, auch er Schweizer.
 
Infantino führt fort, was Blatter anstieß. Menschenrechte, Fehlanzeige. Unter der Regie von Blatter vergab die FIFA die Fußball-WM an Russland und an Katar. An zwei Staaten, die das glatte Gegenstück zur rechtsstaatlichen EU sind. Seit Februar führt Russland Krieg gegen die Ukraine, Katar hält Arbeitssklaven, verfolgt Schwule und Lesben, finanziert islamistische Terrormilizen in Syrien. Egal, so lange das Geschäft stimmt, kümmert sich im Westen weder die Wirtschaft noch ihre politischen Fürsprecher darum. Klassische Heuchelei, dokumentiert GfbV-Referent Kamal Sido die westliche Doppelmoral.
 
 
 
Deutschland, der Möchtegern-Musterknabe, exerzierte dies in den vergangenen 30 Jahren im Lichte der Öffentlichkeit vor. SPD wie CDU gingen vor dem russischen Präsidenten Putin in die Knie, manövrierten die deutsche Wirtschaft samt Gesellschaft in die energiepolitische Abhängigkeit des mafiösen russischen KGB-Staates. Auf Kosten der Ost-Europäer, die Ukraine verkaufte Deutschland an Russland, primär waren für deutsche Politiker die angeblichen russischen Sicherheitsinteressen, nicht jene der Ukraine. Das gab es schon Mal, als sich Hitler und Stalin das östliche Mitteleuropa aufteilten.
 
Katar ist wie Russland. Reich an begehrten Rohstoffen. Katar besitzt mehr als 12 Prozent der weltweiten Gasreserven und zählt zu den wichtigsten Exporteuren von Flüssiggas (LNG). Seine gewaltigen Einnahmen aus der Erdgasproduktion investierte Katar in den internationalen Märkten und baute damit seine wirtschaftlichen Partnerschaften aus. Gazprom lässt grüßen.
Fast ein Drittel der deutschen Rüstungsexporte ging 2019 nach Katar.
Katar ist durch und durch islamistisch, befreundet mit dem Iran und mit der Türkei, finanziert die antiisraelische palästinensische Hamas, hält Kontakte zu den afghanischen Taliban, sucht versifizierend die diplomatische Nähe zu westlichen Staaten und kauft großzügig deutsche Rüstungsgüter. Fast ein Drittel der deutschen Rüstungsexporte ging 2019 nach Katar. Besonders schwungvoll war der Waffenhandel zwischen Deutschland und Katar in der Ära Merkel. Diese Haltung verwundert nicht, Guido Steinberg von Stiftung Wissenschaft und Politik polierte das Image von Katar auf. Katar, angeblich ein prowestlicher Vermittler. Eine wissenschaftliche Schönfärberei, Selbstbetrug oder – um Infantino zu zitieren – unterwürfige Heuchelei?
 
 
 
Heuchelei pur. Infantino kennt seine Pappenheimer, die deutsche Nationalmannschaft und die übrigen europäischen Teams. Sie kündigten großspurig an, mit Protestbinden bei den WM-Spielen auftreten zu wollen. One love, als Protestnote gegen das hater-Regime von Katar. Die europäischen Mannschaften wollen für ihre Werte einstehen, Rechtsstaat, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Die milliardenschwere und Diktatoren freundliche FIFA untersagte den Auftritt mit den Armbinden. Die Teams aus Europa knickten ein. Peinlich, zum Schämen.
Die Teams aus Europa knickten ein. Peinlich, zum Schämen.
Das Gegenstück dazu ist das iranische Team. Beim Abspielen der Nationalhymne schwiegen die Spieler „lautstark“, in Solidarität mit ihren protestierenden Landsleuten. Das iranische Fernsehen brach die WM-Übertragung ab. Sollten die iranischen Fußballer in ihre Heimat zurückkehren wollen, drohen ihnen harte Konsequenzen. Den mit Protestbinden auflaufenden schwerverdienenden europäischen Fußballern wäre nach ihrer Rückkehr nach Europa nichts passiert. Infantino beschimpfte nicht zu Unrecht die Europäer als doppelmoralische Heuchler.

 

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Peter Gasser Di., 22.11.2022 - 23:44

„In jedem Medium dasselbe obermoralische Gehabe nervt langsam“:
ja das nervt, nicht wahr, wenn man überall findet, einem selbst aber abgeht.
.
Das liegt dann aber an Ihnen.

Di., 22.11.2022 - 23:44 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 23.11.2022 - 06:53

Man kann es sich eben nicht mit allen Gaslieferanten gleichzeitig verscherzen und diversifiert daher zwischen verschiedenen Bösewichten. Bei Venezuela hat man die Sanktionen gelockert. Einfach so, ohne dass sich die Umstände geändert hätten. Das Regime dort war plötzlich nicht mehr böse genug.

Mi., 23.11.2022 - 06:53 Permalink
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Manfred Klotz Di., 29.11.2022 - 10:41

Antwort auf von Peter Paul Ped…

Elf europäische WM-Teilnehmer fanden sich dann in diesem Sommer zusammen, darunter Deutschland, die Schweiz, Dänemark und Wales. Sie bildeten die «Arbeitsgruppe Menschenrechte». Ihr Ziel: In Katar, das hinsichtlich der Achtung von Menschenrechten nicht den westeuropäischen Standards entspricht, gemeinsame Aktionen zu planen. Daraus entstand die "One Love"-Binde. Da die Urheber elf Staaten mit verschiedenen Sprachen sind und damit die Botschaft allgemein verständlich ist, wurde eben die Weltsprache Englisch gewählt.

Di., 29.11.2022 - 10:41 Permalink
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Gianguido Piani Mi., 23.11.2022 - 10:01

Gibt es bereits eine EU Doppelmoral-Richtlinie? Als Wegweiser für andere Bereiche, wie z.B. Energie, Verkehr, Treibhausgasemissionen und Menschenrechte. Diese Richtlinie sollte schnellstens verabschiedet werden.

Mi., 23.11.2022 - 10:01 Permalink
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Peter Gasser Mi., 23.11.2022 - 10:29

Zitat (abgeschrieben): „ Ja was man von Leuten halten soll die glauben die Moral gepachtet zu haben und andere noch ständig belehren wollen, das hat man immer schon gewusst“:
da habe Sie völlig recht: ganze Bibliotheken sind voll davon, von großen und kleinen Schreibern, von Romanen über Novellen hin zur Lyrik, von der Antike bis herauf in unsere Zeit...

Mi., 23.11.2022 - 10:29 Permalink
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Klaus Hartmann Mi., 23.11.2022 - 11:49

Die Scheinheiligkeit des Westens zu erkennen könnte ein erster wichtiger Schritt aus unserer dogmatischen Verblendung sein. „Heilung“ setzt Ent-Täuschung voraus. Unsere „Werte“, die wir so stolz vor uns hertragen, sind Feigenblätter die unsere Geilheit nach Macht nur notdürftig bedecken. Wir sind die Guten. An dieses Märchen wollen wir glauben – wie Kinder an den Weihnachtsmann. Wir blähen uns an diesem Märchen moralisch auf. Der Zeigefinger fühlt sich gut an. Er lenkt von den eigenen Schatten ab. Wir stehen im Licht die anderen im Schatten. Dieser Illusion bleibt Wolfgang Mayr, trotz seines Erkennens unserer Verlogenheit und Scheinheiligkeit, in seinen Ausführungen leider dennoch verhaftet. Er verortet das Böse wie ein Scharfschütze und blendet dabei so einiges aus.
Wir leben in einer Demokratie! Will heißen in einer „Herrschaft des Volkes“. Sicher? Im Osten heißen wir die Herrscher Autokraten und Oligarchen. Das sind die Bösen. Im Westen sind es Demokraten und die mächtigen Weltenlenker nennen wir Philanthropen.
Wir leben in einer „Rechtsstaatlichkeit“, wobei in unseren freiheitlichen Rechtsstaaten nicht einmal der elementarste Grundsatz dieser Rechtsstaatlichkeit, nämlich, dass vor dem Gesetz alle gleich sind eingehalten wird.
Die Meinungsfreiheit gehört untrennbar zu unserer Demokratie! Auf sie sind wir besonders stolz. Sehen und hören wir uns doch um. Wie werden jene niedergetrampelt und diskreditiert die nicht „unserer“ Meinung sind? Und außerdem: Meinungsfreiheit hat doch nicht nur damit etwas zu tun, dass ich meine Meinung am Wirtshaustisch frei äußern darf. Es hat doch auch etwas damit zu tun, dass ich in meiner Meinungsbildung so frei wie möglich bin, weil ich so umfassend wie möglich informiert werde. Wo ist diese Meinungsvielfalt in unseren Medien geblieben? Wie bedenklich ist die Konzentration der „meinungsbildenden“ Medien (Print, Fernsehen, Online) in den Händen einiger weniger Großkonzerne? Wie hoch ist ihre Meinungsmacht einzuschätzen?
Wir stehen für die Würde des Menschen ein! Für Gerechtigkeit und sozialem Ausgleich! Fragen wir doch mal jene die im reichen Westen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. 43% der US-Amerikaner und 21% (109.000.000!!) der Europäer leben in Armut oder sind von sozialer Ausgrenzung bedroht. Fragen wir die Menschen die in Flüchtlingslagern in Bosnien, Nordafrika, der Türkei, Italien usw. gefangen gehalten werden oder im Mittelmeer ertrinken. Fragen wir die Hungernden deren Elend durch die Agrarspekulationen unserer Investmentbanken und Fonds mitverursacht wird.
Wir sind für Gewaltfreiheit und Frieden. Welch ein Hohn! Exorbitante Waffenexporte der mächtigsten Waffenindustrie der Erde, militärische „Friedens“- und Geheimdienstmissionen zum Export unserer „demokratischen“ Werte und zur Verteidigung unserer wirtschaftlichen Interessen weltweit, Kriegsgeheul und Scharfmacherei (siehe Ukrainekrieg). Auch hier stinkt unsere Scheinheiligkeit zum Himmel.
Und dann sind wir plötzlich bestürzt, weil man auf einer Fußball-WM keine klare Stellung zu „unseren“ Werten bezieht. Wie Scheinheilig ist denn das?

Mi., 23.11.2022 - 11:49 Permalink
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Stefan S Sa., 26.11.2022 - 10:05

Antwort auf von Klaus Hartmann

"Wir stehen für die Würde des Menschen ein! Für Gerechtigkeit und sozialem Ausgleich!"
Herr Hartmann, ich lese hier schon wieder den ganzen Weltschmerz.
Was unternehmen Sie für den sozialen gerechten Ausgleich? Oder sind Sie auch nur Nutznießer dieses System und verstecken sich hinter Ihrem verlinkten Spiegel Artikel?
Ich bin gespannt....

Sa., 26.11.2022 - 10:05 Permalink
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Martin Ancient Di., 29.11.2022 - 10:02

Meine Güte, das ist, mit Verlaub, gequirlte Sch****. Als ob ein Fußballer nur Fußball spielt und sonst mit seiner Umwelt nichts zu tun hat. Alleine wer das nicht versteht: 5! Setzen. Sparen sie sich jegliche Antwort: sie würde sehr wahrscheinlich nur eine weitere 5 kassieren.

Di., 29.11.2022 - 10:02 Permalink
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Stereo Typ Di., 29.11.2022 - 12:36

Wolfgang Mayr, der selbstgerechte, moralisch überhöhte Ankläger. Nicht minder unsympathisch wie die von ihm Genannten. Dann kann die WM halt nur noch in Ländern der "rechtsstaatlichen EU" stattfinden. Die ja, laut Mayr, auch wieder heuchlerisch sind. Da beißt sich der Hund in den eigenen Schwanz. Ich halte es da wie Giorgia Meloni: Wären die Journalist*innen mal in anderen Situationen so mutig gewesen. In der Pandemie hätten sie Gelegenheit dazu gehabt. Und hätten auf die verbrieften Rechte pochen können.

Di., 29.11.2022 - 12:36 Permalink
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Josef Fulterer Sa., 10.12.2022 - 06:45

Antwort auf von Stereo Typ

Die unguten Auswüchse des Sports, der eigentlich ein Ausgleich für die einseitige / Bewegeungs-arme Tätigkeit im Beruf sein sollte / könnte, rühren wohl vom Umstand her, dass passive Zuschauer "sitzend" / schreiend / gröhlend / brüllend / auch weinend vermeinen Sport zu betreiben und "dafür auch noch saftigen Eintrittspreisen Spitzensportler und noch die Funktionäre mästen."

Sa., 10.12.2022 - 06:45 Permalink