Politik | Milchwirtschaft

Bauern fordern mehr Milchgeld

Viele Milchbauern fragen sich derzeit, ob es sich noch lohnt, weiterzumachen. Mit ihren Forderungen wenden sie sich an die Politik und die Milchgenossenschaften.
Milchkuh
Foto: Othmar Seehauser

„In den vergangenen Tagen haben sich viele Bäuerinnen und Bauern an mich gewandt und mir dramatische Situationen geschildert“, sagt Peter Faistnauer von der Fraktion „Perspektiven für Südtirol“. Um für das Fortbestehen ihrer Höfe zu kämpfen, haben sie den Arbeitskreis „Zukunft Südtiroler Bergmilch“ ins Leben gerufen. In einem Schreiben an die Milchhöfe, den Sennereiverband, Südtiroler Bauernbund, an Landesrat Arnold Schuler und Abteilungsdirektor Martin Pazeller fragen sie nach, was von den Genossenschaften bisher vor dem Hintergrund der Krise besprochen und welche Ziele diesbezüglich anvisiert wurden, um der prekären Situation gerecht zu werden. In den beigefügten Stellungnahmen heißt es unter anderem:

 

Wir sind vor der Hof-Umschreibung und mein Sohn zweifelt stark, ob er überhaupt den Hof noch weiter bewirtschaften will, mit der derzeitigen Situation, wo alles umsonst ist. Es kann doch nicht sein, dass man ein Leben lang am Hof arbeitet und dann am Ende nichts mehr übrig bleibt …

Wie soll ein Betrieb funktionieren, wenn er nicht mehr kostendeckend arbeiten kann und Ihr wisst genau, dass dieses Kettenglied sehr wichtig für ein heute funktionierendes Südtirol ist, auch wenn das viele anders glauben …

Bisher war es mir möglich, mit viel Einsatz, viel Verzicht und großer Leidenschaft meinen Hof zu bewirtschaften. Dies ist allerdings nicht mehr lange möglich, denn die Ausgaben übersteigen die Einnahmen um ein Vielfaches. Meine Existenz ist akut gefährdet, ich weiß nicht wie es weitergehen soll …

FAMILIENMITGLIEDER u. FREUNDE arbeiten das ganze Jahr umsonst!!!!

Ich habe den Hof seit 2018 und seitdem sind die Preise beim Kraftfutter immer gestiegen und die Milch nit sou viel. Am Anfang habe ich 700 Euro fürs Kraftfutter bezahlt jetzt ist es 1450 Euro, die gleiche Menge. Und sonst habe ich eine 5-köpfige Familie, ich hoffe es wird besser und dass i bis dahin durchhalte.

 

 

Werte Vertreter:innen der Landwirtschaft und Abgeordnete:innen, wie Sie bereits mitbekommen haben, befinden wir uns zurzeit in einer aussichtslosen Richtung in der Milchwirtschaft. Die Kosten steigen stetig, aber die Milchpreise bleiben gleich oder verändern sich nur geringfügig. Wo soll das in der Zukunft noch hingehen. Wie Sie aus der PDF Datei entnehmen können, haben wir einen Erlös von gerade einmal ca. 650€ / Monat. (8ha, 9 Milchkühe) Allerdings müssen mit diesem Erlös noch zwei Kredite abbezahlt werden. Die Milchwirtschaft ist zurzeit also eine Schuldenfalle.

Ich stecke zurzeit mitten in der Übernahme vom Hof und war bis vor kurzem auch noch voller Tatendrang, mittlerweile hat sich das gelegt, da ich merke, dass ich nur noch in 2 Berufen arbeite, um die laufenden Kosten halbwegs zu decken. Es macht mir weder Spaß noch Freude. Ich  mache mir ernsthafte Gedanken, ob es nicht besser wäre, die Kühe zu verkaufen. Es war und ist für mich nie ein Problem gewesen, hart zu arbeiten, den ganzen Urlaub zu nehmen, um zuhause noch mehr zu arbeiten. Aber unter diesen Umständen ist es zu überdenken, da ich umsonst arbeite und meinem Familienleben schade, sonst nichts mehr.

Werte Volksvertreter/innen. Ich bin zwar von der gesamten Landesregierung schwer enttäuscht, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, daher wende ich mich jetzt ganz persönlich als Landwirt an Euch. Wie euch sicher nicht entgangen ist, steht die Berglandwirtschaft vor dem Aus. Ich bin 30 Jahre jung und bewirtschafte seit 4 Jahren einen Milchbetrieb im hinteren (...)tal, den ich von meinem Vater übernommen habe. Alles, was er in den letzten 30 Jahren aufgebaut hat, müsste ich eigentlich jetzt schon beenden, wenn ich es finanziell sehen würde.

Geschätzte Landtagsabgeordnete, über Jahrhunderte konnte eine Familie von diesem, jetzt meinem Hof leben. Allem konnte Stand gehalten werden, Kriege überstand er, ... Man möchte meinen, so ein Bauernhof bietet doch die Möglichkeit der Selbstversorgung, doch wie alle anderen Sparten auch, leben wir in einer Abhängigkeit, die uns keine andere Wahl lässt, als in diesem System mitzuschwimmen. Doch jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich mich jeden Tag frage, ob und wie dieser Hof Fortbestand haben soll? Was soll ich meinem Sohn raten? Soll ich ihm sagen, dass ein 16 Stunden-Arbeitstag (8 Stunden außerhalb + 8 Stunden am Hof) möglicherweise nicht ausreichen?

 

Mehr Milchgeld und einheitliche Auszahlungspreise

 

Wie Peter Faistnauer auf Nachfrage von Salto.bz erklärte, sind vor allem jene Bauern in ihrer Existenz gefährdet, welche in den vergangenen zehn bis 15 Jahren in die Modernisierung ihrer Höfe und in das Tierwohl investiert haben. Während Nebenerwerbsbauern auf ein regelmäßiges Gehalt zurückgreifen könnten, steckten vor allem die Vollerwerbsbauern mit 30 bis 50 Stück Vieh und mehr in Schwierigkeiten, die womöglich noch Kredite zu tilgen haben. „Aufgrund der Preisexplosion bei den Futtermittel- und den Energiekosten kommen sie nicht mehr über die Runden, weil die Einnahmensseite gleich geblieben ist“, erklärt der Wipptaler Landtagsabgeordnete, dessen Familie selbst einen Bio-Milchviehbetrieb bewirtschaftet und die Situation kennt.

 

Minimum 80 Cent für konventionelle Milch, 1,10 Euro für Bio-Milch.

 

Es gehe ihm weniger darum, mehr Hilfsgelder zur Unterstützung der Landwirtschaft von der Landesregierung einzufordern, als vielmehr darum, die Voraussetzungen für Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen wie beispielsweise mit Agri-Camping oder Agri-Photovoltaik. Die erste, fundamentale Forderung bestehe jedoch in einer Erhöhung des Milchauszahlungspreises - Minimum 80 Cent für konventionelle Milch, 1,10 Euro für Bio-Milch, „damit der Bauer davon leben kann“. Hier müsse man unter anderem die Tourismus-Betriebe in die Pflicht nehmen, so Faistnauer, der betont, dass es beschämend sei, dass nur rund ein halber Prozent der verwendeten Produkte im Tourismussektor aus der Bio-Produktion stammten. Wenn Gästebetten für 200 Euro pro Nacht vermietet würden, müsste es auch möglich sein, 2,50 Euro für einen Liter Milch zu bezahlen.

 

 

 

Auch der vom SVP-Bauernvertreter Franz Locher vorgeschlagene Euro aus der Ortstaxe wäre eine Möglichkeit, um unterstützend einzugreifen, ohne Steuergelder für den Erhalt der Berglandwirtschaft zu verwenden. „Wir müssen von der Subventionspolitik wegkommen hin zur Selbsthilfe und zu ehrlichen Preisen für die angebotenen Produkte“, fordert Faistnauer. Auf den von der Initiative geforderten einheitlichen Auszahlungspreis seitens der Milchhöfe angesprochen, erklärt der Landtagsabgeordnete, dass es für die Landwirte nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Milchhöfe unterschiedliche Preise auszahlen und die Vinschger Bauern vielleicht 5 Cent weniger für den Liter bekommen als die Meraner. Zum einen müsse ein höherer Auszahlungspreis anvisiert werden und zum anderen sollte ein Mindest-Richtwert festgesetzt werden, der nicht unterschritten werden dürfe.

 

Auch der ständige Ausbau der Milchhöfe stößt bei den Bauern zunehmend auf Kritik.

 

Dafür sollten die Bauern auf die Turbo-Produktion und den verstärkten Einsatz von Kraftfuttermitteln verzichten. Damit könnte auch ein Umstieg auf die Produktion von Premium-Produkten gelingen, für welche bestimmte Kriterien wie eben die Beschränkung der Kraftfuttergabe eingeführt werden sollten. Ein Umdenken in dieser Hinsicht habe bereits durch die massive Verteuerung beim Kraftfutter stattgefunden, berichtet der Politiker. Zwar würde in der Folge auch die Produktionsmenge der Milchhöfe sinken, welche aber ihre Premium-Produkte besser vermarkten könnten. „Auch der ständige Ausbau der Milchhöfe stößt bei den Bauern zunehmend auf Kritik“, erklärt Faistnauer und betont, dass man an einen Punkt angelangt sei, wo man akzeptieren müsse, dass das unendliche Wachstum keine Zukunft habe. Viele Betriebsleiter haben mittlerweile erkannt, dass weniger mehr ist.

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Salto User
Sepp.Bacher Fr., 25.11.2022 - 16:00

Die erzählten Fälle können war oder übertrieben sein. Als normaler Verbraucher weiß ich, dass die Südtiroler Bauern noch verhältnismäßig gute Auszahlungspreise erziehlen. Ich glaube, die sind sogar höher als die in Nord- und Osttirol.
Im Supermarkt sehe ich dass, die Südtiroler Milch die teuerste im Regal ist; ebenso die Milchprodukte. Butter ist z. B. im letzten Jahr um einen Euro teurer geworden. Davon wird wohl auch etwas beim Bauern ankommen?
Möglicherweise liegt der Hund bei den Molkereigenossenschaften begraben?

Fr., 25.11.2022 - 16:00 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Fr., 25.11.2022 - 20:30

Ich kaufe vorzugsweise einheimische Milch und Milchprodukte, auch wenn sie etwas teurer sind, und das nicht weil ich zu viel verdiene, das ist leider nicht der Fall, sondern aus Überzeugung und meist im Dorfladen, dafür versuche ich an anderer Stelle zu sparen. Ich weiß auch, dass die allermeisten Milchbauern gerade so über die Runden kommen und wenn sie genau rechnen würden, müssten sie gestern zusperren;für diesen Stundenlohn würde kaum einer von uns diesen Job machen. Es sind bereits Ställe zugesperrt worden und das wird auch so weitergehen, verdenken tu ich's keinem und ich werd mit meinen Einkäufen leider auch keinen Betrieb retten. Die Entwicklung geht leider in die falsche Richtung (dank Lidl und Co., immerhin hat die Despar-Gruppe einheimische Produkte im Angebot).

Fr., 25.11.2022 - 20:30 Permalink
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karl messner Sa., 26.11.2022 - 11:43

Hallo Astrid,
du hättest auch über die notleidenden Pfitscher E-Werks-Milchbauern berichten können!(Emojis not available)

Sa., 26.11.2022 - 11:43 Permalink