Politik | SVP
Bombe mit Zeitzünder
Foto: upi
„Damit fällt die Landesregierung“, frohlockt SAD-Direktor Mariano Claudio Vettori am 20. Februar 2019 in einem abgehörten Telefongespräch mit Sad-CEO Ingemar Gatterer. Die Bombe, die zu diesem politischen Erdbeben führen sollte, ist genau jene, die Sven Knoll jetzt fast drei Jahre später gezündet hat. Es geht um die Spenden für den SVP-Wahlkampf 2018 und die angeblichen Gelder, die in den persönlichen Wahlkampf von Arno Kompatscher geflossen sein sollen.
Über zehn Wochen lang versuchte vor allem Ingemar Gatterer im Zeitraum Jänner bis März 2019, also wenige Monate nach den Landtagswahlen, an die Details dieser Geschichte zu kommen. Das Ziel war die Liste der SVP-Spender. In den Gerichtsakten zum SAD-Skandal liegen über ein Dutzend abgehörter Telefongespräche auf, in denen es direkt um diese Liste geht. Die Protagonisten dabei: neben Gatterer und Vettori, der damalige SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner, der ehemalige SVP-Landessekretär und amtierende SVP-Bürgermeister der Gemeinde Brenner, Martin Alber, der langjährige Klotz-Gesinnungsgenosse und ehemalige Bürgerunion--Mandatar Andreas Pöder und auch der inzwischen von Kompatscher geschasste Landesrat Thomas Widmann.
Das Ziel der Aktion: Arno Kompatscher sollte als Marionette und Nutznießer einer einflussreichen Gruppe von Unternehmern - allen voran des Duos Benko/Hager - gebrandmarkt und politisch demontiert werden. Auch damals redet man am Telefon von Korruption.
Das Szenario dürfte ihnen bekannt vorkommen. Denn es ist genau das, was Sven Knoll vor zehn Tagen wieder aufgelegt hat. Der Oppositionsabgeordnete treibt seitdem mit tatkräftiger Hilfe aus der SVP und der Athesia Arno Kompatscher als vemeintlich korrupt vor sich her.
Knolls Enthüllungen sind eine Bombe mit Zeitverzögerung. Bei der aber bereits dreimal der Zeitzünder versagt hat.
Der zweite Anlauf
Gatterers Spurensuche war nur der erste Versuch. Denn am Ende schaffen es Gatterer & Co. nicht, an die gewünschten Dokumente heranzukommen und damit bliebt auch der geplante Abschuss Kompatschers unvollendet.
Aufgeschoben ist unterm Edelweiss aber nicht aufgehoben. Denn drei Jahre später wird die gewünschte Liste aus der SVP geleakt. Auch diesmal perfekt getimt.
Aufgeschoben ist unterm Edelweiss aber nicht aufgehoben. Denn drei Jahre später wird die gewünschte Liste aus der SVP geleakt. Auch diesmal perfekt getimt.
Im März 2022 steht die Veröffentlichung des Buches „Freunde im Edelweiss“ an. Die Buchvorstellung ist ursprünglich für Dienstag, den 15. März 2022 angesagt. Der Zufall will es, dass dem Wochenmagazin ff - genauso wie jetzt Sven Knoll - ausgerechnet in der Woche davor eine streng geheime Spenderliste aus dem SVP-Wahlkampf zugespielt wird. Alle Beobachter sind sich einig, dass die Liste nur aus der SVP kommen kann. Es gibt nur eine Handvoll Menschen unterm Edelweiß, die diese Daten und Fakten kennen und deshalb auch weitergeben können.
Der Sinn der Lieferung ist eindeutig: Man will den durch die Buchveröffentlichung heraufdämmernden Skandal durch den sogenannten „SVP-Spendenskandal“ entschärfen. Die Menschen in Südtirol sollen über den korrupten Landeshauptmann sprechen und nicht über Widmanns Sager am Telefon.
Doch es passiert ein unerwarteter Regiefehler. Aus organisatorischen Gründen wird die Buchvorstellung von „Freunde im Edelweiss“ um drei Tage auf Freitag, den 18. März 2022 verschoben. Die Wochenzeitung FF erscheint damit einen Tag zuvor mit dem angeblichen Spendenskandal als Titelgeschichte.
Weil die Wucht der Enthüllungen im Buch die Spenderliste ins Hintertreffen geraten lässt, wird aus der Spendenbombe auch diesmal eine Fehlzündung.
Die Auslandskarte
Die SVP-Spenderliste wird aber nicht nur der SVP zugespielt, sondern fast gleichzeitig auch ausländischen Medien angeboten. Es handelt sich dabei um einen anonymen Brief, dessen Inhalt deckungsgleich ist mit dem, was Sven Knoll jetzt behauptet. Der Brief geht an ein halbes Dutzend renommierter Medien, wie das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ oder den Wiener „Falter“.
Die Briefschreiber wissen dabei, was im Ausland interessiert. Sie schieben deshalb angebliche Spenden des Milliardärs und Multiunternehmers René Benko an die SVP vor. Der Hamburger Spiegel bringt auch ein kurze Nachricht. Nach Informationen von Salto.bz wenden sich Benkos Anwälte danach schriftlich an SVP-Obmann Philipp Achammer. Sie kündigen rechtliche Schritte an, sollte dieser geschäftsschädigende Vorwurf aufrecht bleiben. Zudem verlangen sie ein Erklärung, dass weder Benko persönlich noch eine seiner Firmen für den SVP-Wahlkampf gespendet haben. Diese Erklärung wird auch abgegeben. Seitdem wird der Name Benko nicht mehr genannt.
Noch durchsichtiger aber ist die Kampagne auf der obskuren Nordtiroler Onlineplattform „alpenmag“. Dort erscheinen über Nacht plötzlich wöchentlich mehrere angeblich investigative Artikel zum SVP-Spendenskandal, zum "Netzwerk" von Arno Kompatscher und zu den angeblichen Untaten des SVP-Vizeobmanns Karl Zeller (bei "Alpenmag" systematisch als "Kompatschers Mann fürs Grobe" bezeichnet). Die Nachrichten werden pünktlich vom Ebner-Flaggschiff "Dolomiten" übernommen.
Dass es sich um eine Auftragsarbeit aus Südtiroler Kreisen handelt, wird allein an einer Formalie deutlich. Die politische Berichterstattung von „alpenmag“ beginnt am 8. März 2022 und endet am 28. April 2022. Der letzte Artikel, der an diesem Tag zu Südtirol erschienen ist, trägt den Titel „Spezl-Wirtschaft in Südtirol: LH Kompatscher und die Schlern-Connection“. Seitdem scheint dem aus München geleiteten Onlinemagazin das Geld aus Südtirol ausgegangen zu sein: Es ist kein einziger Artikel mehr erschienen.
Knolls Liste
Am vorvergangenen Freitag hat Sven Knoll mit seiner Spenderliste aufhorchen lassen. Der Abgeordneten der Südtiroler Freiheit spricht dabei offen von Direktspenden an den Landeshauptmann und Gegenleistungen für die Spender durch die Gewährung von Landesbeiträgen oder Aufträgen durch die Landesregierung. Stimmt der Vorwurf, so hat er strafrechtliche Relevanz. Die Straftat der Korruption könnte dann durchaus vorliegen.
Sven Knoll merkte bei der Vorstellung der geschwärzten Liste dabei süffisant an, dass die ihm angeblich anonym zugespielten Dokumente „aus der SVP kommen dürften“.
Diese Woche legte der Kopf der Südtiroler Freiheit noch einmal nach. „Derweilen wurden der Süd-Tiroler Freiheit neue brisante Unterlagen aus der SVP zugespielt, die aufzeigen, wie weit Kompatscher in die Spenden-Affäre verwickelt ist“, heißt es in einer Aussendung der Südtiroler Freiheit vom Montag. Der "Dolomiten" vertraut der Oppositionspolitiker an, dass er SVP-interne Korrespondenz erhalten habe, die beweisen solle, dass Kompatscher über alle Spender informiert war. Knoll übergibt die Unterlagen am heutigen Dienstag dem Präsidenten der Untersuchungskommission des Landtages, Sandro Repetto. Es ist die beste Taktik, damit die Unterlagen in den kommenden Tagen öffentlich werden.
Sicher dabei ist: Die Liste, die Sven Knoll zugespielt wurde, ist nicht die offizielle Spenderliste der SVP, die vor über einem halben Jahr der FF zugegangen ist. Denn die Knoll--Liste wurde am grünen Tisch entworfen. Die Urheber scheinen aus den drei fehlgeschlagenen Versuchen gelernt zu haben. Deshalb werden auf dieser Liste nicht nur die Spender und die Summen genannt, sondern in einer eigenen Sparte auch jene Person, die als „Vermittler“ tätig gewesen sein sollen. Selbstredend kommen auf der Liste, die Knoll auf seiner Pressekonferenz vorgezeigt hat, vor allem zwei Namen vor: Karl Zeller und Heinz Peter Hager.
Welche Güte das Elaborat aber haben dürfte, wird an einem Detail deutlich. Als Vermittler wird auch der Name „Pichler“ angeführt. Es handelt sich um den Eggentaler Unternehmer Robert Pichler. Auf der Spenderliste steht hinter den Namen Pichler in Klammern eine völlig belanglose Information „Halbbruder von Hager“.
Dabei ist es allgemein bekannt, dass Robert Pichler und Heinz Peter Hager mehrere gemeinsame Firmen haben und viele Projekte gemeinsam durchziehen. Nur Halbbrüder sind die beiden nicht. Sondern Cousins.
Dabei ist es allgemein bekannt, dass Robert Pichler und Heinz Peter Hager mehrere gemeinsame Firmen haben und viele Projekte gemeinsam durchziehen. Nur Halbbrüder sind die beiden nicht. Sondern Cousins.
So viel zur Glaubwürdigkeit
Hören Sie in der nächsten Folge des Salto-Podcasts „Freunde im Edelweiss“ wie Gatterer & Co bereits vor drei Jahren Arno Kompatscher mit der Spenderliste zu Fall bringen wollten.
Auf Salto.bz, Freitag, 3. Dezember ab 15 Uhr.
Bitte anmelden um zu kommentieren
"Südtiroler Freiheit-Mandatar
"Südtiroler Freiheit-Mandatar Andreas Pöder"... ganz was Neues. Oder um aus dem Artikel zu zitieren: "So viel zur Glaubwürdigkeit".
Antwort auf "Südtiroler Freiheit-Mandatar von Stefan Zelger
Herr Zelger, Sie haben formal
Herr Zelger, Sie haben formal recht. Meine Erinnerung hat mich im Stich gelassen. Deshalb eine Präzisierung. Andreas Pöder sitzt zusammen mit Eva Klotz & Co von 1995 bis 2007 im Parteivorstand der "Union für Südtirol" (UfS) und von 1998 bis 2007 für die UfS auch im Landtag. 2007 kommt es zum Streit. Andreas Pöder setzt sich bei der Wahl zum Parteiobmann 2007 durch. Eva Klotz & Co verlassen daraufhin die Partei und gründen die "Südtiroler Freiheit". Darf ich deshalb Pöder als langjährigen Gesinnungsgenossen bezeichnen? Artikel wurde korrigiert.
Antwort auf Herr Zelger, Sie haben formal von Christoph Fran…
Sie dürfen schreiben was Sie
Sie dürfen schreiben was Sie wollen ;-) Sie haben den sarkastischen Einwand schon verstanden, wonach sich die "Glaubwürdigkeit" wohl nicht an einem falschen Verwandtschaftsgrad, bzw. kleinem Fehler misst (wie er auch Ihnen im Artikel passiert ist). Die Liste ist ja kein Stammbaum...
Eine Frage sei erlaubt: wann,
Eine Frage sei erlaubt: wann, wie und mit welchen “Freunden im Edelweiss” nimmt sich der gute Sven Knoll die Freiheit in Südtirol die Bombe hochgehen zu lassen ? Dazu ein frommer Wunsch: “Widmanns Heil” – pardon “Waidmanns Heil” !
Christoph Franceschinis
Christoph Franceschinis Beiträge sind immer recht unterhaltsam und ich lese sie sehr gerne. Allerdings ist ihre Glaubwürdigkeit meist auf der gleichen Höhe wie bei einer SVP-Pressemitteilung. Bei beiden wäre ein Hinweis angebracht: "Achtung - kann Spuren von wahrer Information enthalten!"
Antwort auf Christoph Franceschinis von Hartmuth Staffler
Würde gerne ihre Beiträge
Würde gerne ihre Beiträge richtig einordnen. Wie bewerten sie sich selbst?
Antwort auf Würde gerne ihre Beiträge von rotaderga
Ich bewerte mich nicht selbst
Ich bewerte mich nicht selbst, weil es mir nicht zusteht, Werturteile über meine journalistische Tätigkeit auszuüben. Das dürfen andere tun. Ich kann lediglich erklären, was meine Beweggründe dafür sind, dass ich mich immer wieder öffentlich äußere. Als politischer Beobachter, langjähriger Zeitungsredakteur und Kenner der meisten Akteure und Probleme in unserem Lande kommentiere ich meist in ironischer, gerne auch etwas überspitzter Form politische Ereignisse. Umweltschutz, Minderheitenschutz, Menschenrechte und universelle Kultur sind Werte, für die ich eintrete. Gerne weise ich, meist in ironischer Form, auf die brutale Verschandelung der Sprache in unseren Medien hin, ganz gleich ob es sich um den Staatsrundfunk, die ATHESIA-Medien oder um Medien an der Grenze der Wahrnehmungsschwelle handelt. Meine Ironie oder gar Satire wird allerdings sehr oft nicht oder falsch verstanden. Das hält mich aber nicht davon ab, mich weiterhin zu Wort zu melden, wenn es mich dazu drängt.
Antwort auf Ich bewerte mich nicht selbst von Hartmuth Staffler
Danke, das ist bei mir
Danke, das ist bei mir angekommen. Es ist manchmal für mich aber nicht leicht authentische Satire von der Unfähigkeit sachlicher Gegenargumentation zu unterscheiden. Sorry.
Es kann doch nicht wahr sein.
Es kann doch nicht wahr sein. Wir spekulieren, reden hier immer noch über durchgereichte Listen an Medien, wie bereits früher, zu nicht authentischen, offenbar nun sogar gefakten Listen…
All das mit dem Ziel offenbar, um weiterhin Aufklärung zu hintertreiben, was eigentlich passiert ist und wer wofür verantwortlich war.
Anstatt den Landtags-UA zu beleidigen und zu diskreditieren, wieso stellt der SVP- Landessekretär Premstaller nicht einfach endlich die vollumfängliche authentische Dokumentation, samt Spenderliste zur Verfügung und beantwortet Fragen zu dieser als völlig „normal“ empfundenen Günstlingswirtschaft und der (parteiinternen) Begünstigung einzelner Kandidaten, die so ja erst gar nicht bestritten wird. Die zentrale Frage, so der Co-Sprecher der BZ-Grünen, welche im ganzen Streit um die Namen der Spender-innen 2018 übrigens untergeht, ist: Haben sich Kompatscher, Achammer, Alfreider & Co an das gesetzliche Wahlkampfkostenlimit von € 30.000.- gehalten oder eben nicht.
Laut Eigenerklärung hat z.B Arno Kompatscher 10.370,50 für seinen persönlichen Wahlkampf ausgegeben…. In den Medienberichten zur Verwendung der eingesammelten Spenden ist aber von ganz anderen Beträgen die Rede.
Wenn all das zutrifft, gilt es Verantwortung zu übernehmen und politische Konsequenzen zu ziehen statt (mediale) Verschwörung und Opferinszensierung zu erzählen/betreiben. Es gilt vielmehr Transparenz und Demokratie im Land zu stärken, die UA allgemein endlich so auszugestalten, damit sie, anders als jetzt offenbar, endlich ihre Kontrollfunktion auch erfüllen (können).