Politik | SVP-Arbeitnehmer

Helmuth Renzler: "Mit Hetzkampagnen lassen sich Probleme nicht lösen"

Seit Dienstag Abend ist der Rentenexperte neuer Vorsitzender der SVP-ArbeitnehmerInnen. Im Duo mit Magdalena Amhof will Helmuth Renzler nicht nur der sozialen Schieflage im Land, sondern auch den Turbulenzen innerhalb seiner eigenen Partei gegensteuern. Seine Forderung: Nun muss alles aufgearbeitet werden, was seit 2008 passiert ist – inklusive Energiewirtschaft.

Herr Renzler, Ihr Mitstreiter Stefan Hofer hat unlängst gemeint, wer nun den Vorsitz der Arbeitnehmer übernimmt, muss leicht masochistisch veranlagt sein. Sind Sie das?
Helmuth Renzler: Nein, ich bin in keinster Weise masochistisch veranlagt. Ich glaube vielmehr, es ist nur recht und billig, wenn Mandatare in einer schwierigen Situation Verantwortung übernehmen und schauen, dass sie die Bewegung weiterbringen.

Wie schwierig ist die Situation bei den ArbeitnehmerInnen?
Die Situation insgesamt ist schwierig, die Bewegung ist dagegen gut aufgestellt. Wir sind innerhalb der Fraktion wieder stärker als in der Vergangenheit, haben zwei LandesrätInnen und mit Magdalena Amhof und mir zusätzlich zwei Abgeordnete, die die politische Richtung vorgeben können. Und bei einem Viertel der Mandatare geht sehr wenig gegen den Willen der Arbeitnehmer.

Das heißt, die Zeiten der zahnlosen Arbeitnehmer sind vorbei? Obwohl  Sie keine Geschäftsführerin mehr haben und nicht einmal mehr Kilometergeld für ihre Arbeitsfahrten bekommen?
Wir müssen sicher unter schwierigen Bedingungen arbeiten – und vor allem gratis. Aber Arbeitnehmer ist man schließlich nicht um des Geldes willen, sondern aus Überzeugung.  Zahnlos waren und sind wir nicht, wir waren vielleicht ein bisschen zu still in der Vergangenheit.

Arbeitnehmer ist man schließlich nicht um des Geldes willen, sondern aus Überzeugung.

Und das soll sich nun ändern?
Es gibt viel zu tun. Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen, mehr Steuergerechtigkeit, die  Aufstockung auf 700 Euro für 5.000 Mindestrentner. Vor allem aber wird es nun darum gehen,  die soziale Schieflage, die wir in Südtirol zunehmend haben, zurechtzurücken. Und es ist mittlerweile klar, dass die großen gesellschaftlichen Probleme, wie Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsplatzbeschaffung, nur gemeinsam gelöst werden können. Das kann keine Bewegung mehr alleine manchen. Statt nun auf Konfrontation zu gehen, muss es eine gleichberechtige Zusammenarbeit zwischen den Flügeln geben. Jeder kann weiterhin seine Positionen vertreten. Aber sicher ist, dass die arbeitende Bevölkerung und die Familien mehr berücksichtigt werden müssen als in den vergangenen zehn Jahren.

Sie sind zwar formell Vorsitzender, werden die Bewegung aber mit ihrer Stellvertreterin Magdalena Amhof  gleichberechtigt leiten. Ein gutes Duo?
Ja, auf jeden Fall. Jeder von uns übernimmt bestimmte Aufgabenbereiche. Und nachdem wir beide unseren Lebensunterhalt nicht durch die Politik bestreiten, geht man auch mit mehr Energie und Zielstrebigkeit an die Aufgabe heran.

Den Lebensunterhalt durch die Politik bestreiten … ein heikles Thema in diesen Wochen.
Auch deshalb finde ich die Kombination Amhof-Renzler gut. Denn wir gehören beide zu den Glücklichen, die in Zukunft keine Politikerrente beziehen werden und nicht an der Ausarbeitung der Rentenregelung beteiligt waren. Und was mich persönlich anbelangt: Ich habe jetzt die Chance aufgrund meiner Berufserfahrung bei der Gestaltung der neuen Pensionsreglung ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Ich muss sagen, es erfüllt mich auch mit ein wenig Stolz, dass ich der Erste war, der gesagt hat, es gibt keine erworbenen Rechte. Eine Theorie, die alle bisherigen Gutachten bestätigten.  

Auch bei jenen, die schon in Rente sind, bewegt sich einiges. A priori ist eigentlich nichts mehr ausgeschlossen.  

Das heißt, man wird rückwirkend auf die Politikerrenten einwirken können?
Bei all jenen, die noch nicht rentenberechtigt sind, sowieso. Aber auch bei jenen, die schon in Rente sind, bewegt sich einiges. A priori ist eigentlich nichts mehr ausgeschlossen.  

Also auch nicht, dass man einem Luis Durnwalder noch seine Rente kürzt?
Ja, wenn die anderen gekürzt werden, klarerweise nicht. Man wird bei den Altmandataren wahrscheinlich weniger kürzen können als bei jenen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Doch sicherlich werden sie schlussendlich auch ihren Beitrag leisten.

Nicht nur Ihre Partei insgesamt ist derzeit in Krise, auch in und zwischen den einzelnen Flügeln knirscht es gewaltig. Die Wirtschaft wird des Komplotts verdächtigt, die Jugend soll vor einem Putsch stehen. Können die Arbeitnehmer auch parteiintern eine wichtige Rolle übernehmen?
Auf jeden Fall. Wir verlangen auch, dass am 3. Mai ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin Obmann-Stellvertreter wird.

Warum nicht gleich Obmann oder Obfrau?
Den haben wir schon gehabt, und er (Richard Theiner Anm. d. R.) hat für die Partei lange genug die Kastanien aus dem Feuer geholt. Da soll sich jetzt einmal jemand anderer die Finger verbrennen.

Es muss jetzt einmal alles aufgearbeitet werden, was seit den letzten Wahlen 2008 passiert ist. Und da beziehe ich auch die gesamte Energiewirtschaft mit ein. 

Rentenkrise, Munter-Arbeitslose, Måwe-Wahlwerbung: Die SVP stolpert von einer Skandalmeldung in die nächste. Wie erleben Sie als einer der „Neuen“ die derzeitige Situation?
Als sehr schwierig und zum Teil auch als unverständlich. Klar ist: Es muss jetzt einmal alles aufgearbeitet werden, was seit den letzten Wahlen 2008 passiert ist. Und da beziehe ich auch die gesamte Energiewirtschaft mit ein.

Doch gibt es auch genügend Kräfte in der Partei, die daran Interesse haben?
Wenn welche nicht aufarbeiten wollen, muss man halt ein wenig nachhelfen. Wie man so etwas inszeniert, weiß man ja in der Zwischenzeit.

Zum Beispiel über die Medien?
Auch. Tatsache ist: Mit der heutigen Medienlandschaft und bei der Geschwindigkeit, mit der Nachrichten sich im ganzen Land verbreiten, wäre alles andere als eine möglichst transparente Aufarbeitung fast ein gesamtparteilicher Selbstmord. Man kann heute nicht mehr arbeiten, wie man vor zehn Jahren gearbeitet  hat. Wir müssen uns auch als Partei mit der neuen Realität  auseinandersetzen.

Ich bin nicht so blauäugig zu glauben, dass alles Zufall ist.

Braucht es auch eine Umbildung der Landesregierung?
Nein, im Gegenteil: Es wäre genau der falsche Schritt. Durch den Rücktritt der Parteispitze ist bereits ein klares Zeichen gesetzt worden. Wenn man die Situation einigermaßen unter Kontrolle halten will und nicht dem Duck der öffentlichen Meinung nachgeben will,  sehe ich zur Zeit keinen Grund für eine Umbildung. Wir haben in Südtirol so viele Probleme derzeit und der Landeshauptmann ist ihnen gegenüber sehr sensibel. Deshalb verdient er jetzt jede Unterstützung, damit er in Ruhe arbeiten kann. Von allen Richtungen und Bewegungen.

Aber die kommt derzeit noch nicht wie sie sollte?
Momentan passiert genau das Gegenteil. Aber Arno Kompatscher ist sehr stark und arbeitet trotzdem weiter. Klar sollte sein: Mit Hetzkampagnen lassen sich die Probleme, die wir derzeit haben, nicht lösen. Denn wenn eine Regierung dauernd solch einem Druck ausgesetzt ist, kann man nicht regieren.

Parteiinternen Hetzkampagnen?
Die sind sicherlich parteienintern. Von nichts kommt nichts. Ich bin halt nicht so blauäugig zu glauben, dass alles Zufall ist.