Ander Amonn, die Despar und Coca Cola
Herr Weißensteiner, war Ander Amonn für Sie ein Unternehmer der alten Schule?
Robert Weißensteiner: Für mich zählt Ander Amonn zu jener Unternehmergeneration, die es ab den späten Fünfziger Jahren verstanden haben, Trends und Entwicklungen zu erkennen, die in anderen Ländern bereits vorweg genommen wurden, und sie dann in Südtirol anzustoßen. Ein besonders markantes Beispiel ist sicherlich der Einzelhandel, wo Amonn schon früh erkannt hat, dass die Entwicklung weg vom Tante-Emma-Laden auch bei uns kommen wird.
Und deshalb in den Sechziger Jahren die Marke „Despar“ ins Land brachte...
Ja, unter vielen anderen Unternehmenszweigen. Abgesehen von den Farben hatte er beispielweise über die Satip auch die Lizenz für die Abfüllung von Coca Cola, die jahrelang in Auer gemacht wurde. Mitte der Siebziger Jahre war die Amonn-Gruppe sicherlich eines der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmen in Südtirol. Aber sie ist auch ein Beispiel für jene Gruppen, die sich später nicht mehr wirklich weiter entwickelt haben.
Warum nicht?
Wahrscheinlich war es dann auch nicht mehr ihre Zeit. Für Ander Amonn selbst hat aber sicherlich auch seine Entführung im Dezember 1977 einen großen Einschnitt in seinem Leben gebracht. Ich habe im Laufe der Recherchen zu meinem Buch mit einigen Menschen aus seiner Umgebung gesprochen, und alle haben gesagt, dass er danach nicht mehr der gleiche Mensch war wie davor. Diese zwei Monate Todesangst haben ihn sicher sehr geprägt.
War Amonn damals der einzige Südtiroler Unternehmer, der entführt wurde?
Er war überhaupt der einzige Südtiroler, der entführt wurde. Es gab weder davor noch danach einen Fall, obwohl man in den Siebziger Jahren gerade bei Unternehmern schon fast von einer Entführungsindustrie sprechen muss; anderswo wurden Dutzende Unternehmer Opfer von Entführungen.
Amonn kam dann gegen Lösegeld frei...
Ja, 1978 wurden 1,7 Milliarden Lire gezahlt. Ich habe das anhand von Astat-Tabellen umgerechnet, demnach wären das heute etwa acht Millionen Euro. Wenn man aber berücksichtigt, dass mittlerweile auch der Lebensstandard ein ganz anderer ist, müsste das heutige Äquivalent für diese Summe noch ein Stück höher ausfallen.
Und sie denken, auch beim Unternehmer Ander Amonn hat die Entführung Spuren hinterlassen?
Man hat mir zumindest gesagt, er hat sich nicht mehr mit der selben Konsequenz wie davor auf das Geschäft eingelassen. Allerdings war er beispielsweise mit Despar danach noch gut zehn Jahre sehr erfolgreich unterwegs. Ende der Achtziger Jahre baute Amonn noch das große Zentrallager in Bozen; übrigens an der selben Stelle wie die Podinis , die damals A&O betrieben. Doch dann kam das Angebot von Aspiag, die in Folge auch A&O übernommen hatte und beide zusammenlegte.
Und doch ist dieser starke Unternehmer aus seinen letzten aktiven Jahren vor allem als Sparkassen-Präsident in Erinnerung.
Bei der Sparkasse war er ja insgesamt 26 Jahre, aber als Franz Spögler ausschied, ist er auch Präsident geworden. Allerdings nur für sechs Jahre, weil er 2004 zu seinem 70. Geburtstag aufgrund der Sparkasse-Statuten aus Altergründen ausscheiden musste. Doch er war der Präsident, unter dem die Südtiroler Sparkasse ihre Expansion begonnen hat. Die ersten Filialeröffnungen in Trient gegen noch auf Ander Amonn zurück.
Dort ging er davor auch schon mit der Despar hin. Hätte das Handelsunternehmen auch unter einer Familie Amonn so expandiert?
Ich denke, Amonn hat damals einfach erkannt, dass ein Handelsunternehmen bestimmte Umsatzgrößen braucht. Despar hat schon unter seiner Führung bis nach Belluno, Trentino und Verona expandiert, doch Aspiag hat diese Expansion dann nach Veneto und in die Emilia Romagna weitergezogen. Nicht ohne Grund hatten sie schnell mehr als den doppelten Umsatz. So wie zum Beispiel bei Zuegg die Globalisierung dazu geführt hat, dass das Unternehmen in Südtirol keine Zukunft mehr sah, war es bei Amonn im Fall Despar die Konzentration im Handel und die Notwendigkeit großer Einkaufsmengen, die alles veränderte. Ich denke, so wie diese Unternehmer ihre Chancen erkannt haben, haben sie auch gewusst, wann sie vorbei waren.
Zum Tod Ander Amonns
Warum soll mit dessen Tod "ein Stück Südtiroler Wirtschaftsgeschichte verschwinden", wie im Vorspann geschrieben steht? Geschichte reicht über den Tod hinaus. Sie ist so kurzlebig wie das menschliche Leben nicht - glücklicherweise!