Gesellschaft | Interview

„Es wäre fatal“

Die deutsche Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner über Mehrsprachigkeit, Veränderungen in der Gesellschaft und einen notwendigen Paradigmenwechsel.
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Foto: Privat
salto.bz: Frau Falkensteiner, auch Südtirol wird bunter und es kann nicht vorausgesetzt werden, dass ein Kind deutscher Muttersprache ist. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
 
Sigrun Falkensteiner: Unsere Institutionen, Kindergärten sowie Schulen, sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. So bunt wie die Gesellschaft ist, sind es zum Glück auch unsere Bildungseinrichtungen. Was die Frage der Muttersprache betrifft, müssten wir eigentlich von Familiensprache sprechen. Denn es gibt Familien, wo Mutter und Vater als gleichrangige Erziehungsberechtigte unterschiedliche Sprachen sprechen.
 
 
So herrscht bereits in den Kindergärten Sprachenvielfalt. Welche Strategie verfolgt hier die deutschsprachige Bildungsdirektion?
 
Grundsätzlich ist es wichtig, die Erstsprache bzw. vorrangig in der Familie gesprochene(n) Sprache(n) eines Kindes gut zu verankern. Das ist vorrangig die Aufgabe der Familien, weil es zum einen ein gutes Sprachvorbild braucht und wir zum anderen auch nicht Begleitung in allen Sprachen anbieten können. Es ist erwiesen, dass die Verankerung der Erstsprache für den Erwerb von allen anderen Sprachen hilfreich und nützlich ist. In den deutschen Kindergärten bieten wir die pädagogische Begleitung in deutscher Sprache an, um ein gutes Sprachvorbild zu sein. Schließlich haben sich die Familien ja bewusst für die Einschreibung in einen deutschen Kindergarten entschieden. Und wir dürfen nicht vergessen: Südtirol ist sehr stark vom Dialekt geprägt, deshalb geht es auch um die Begegnung mit der Hochsprache für Dialekt sprechende Kinder. Wenn wir ehrlich sind, ist die Hochsprache für die meisten unserer Kinder ja auch beinahe die erste Fremdsprache. So versuchen wir, die Kinder in ihrer Sprachentwicklung zu begleiten, je nachdem wo sie gerade stehen.
Sprache soll etwas Bereicherndes sein und ist auch Ausdruck von Identität.
Wie wird mit anderen Sprachen in deutschen Kindergärten umgegangen?
 
Im Kindergarten gibt es noch keinen strukturell verankerten, über Fächer definierten Unterschied zwischen Unterrichtssprache, Zweitsprache und Fremdsprache, so wie in der Schule. Als Institution treten wir aber natürlich mit der deutschen Sprache auf. Wir werden den Kindern nicht verbieten, untereinander in welcher Sprache auch immer und mit Gesten zu kommunizieren. Es passiert auch, dass sich Kinder gegenseitig einzelne Wörter in einer anderen Sprache beibringen. Das ist auf jeden Fall eine Bereicherung. Sprache soll etwas Bereicherndes sein und ist auch Ausdruck von Identität. Diese wollen wir mit Blick auf die Gesamtpersönlichkeit der Kinder anerkennen.
 
 
Wie gehen die Kindergärtner:innen mit Sprachenvielfalt um? Braucht es mehr Ressourcen?
 
Natürlich sind Sprache und Kommunikation manchmal auch eine Herausforderung, aber es geht darum, wozu Ressourcen eingesetzt werden. Das Wesentliche ist bei jeder pädagogischen Arbeit die Beziehung und diese kann über vielfältige Wege aufgebaut werden. Erst dann kann ich Kinder dazu ermutigen und ermuntern, mit mir überhaupt, auch in deutscher Sprache, in Kontakt zu treten. Es kann sein, dass das für manche einen gewissen Paradigmenwechsel darstellt und in einem ersten Moment auch Überforderung auslöst. Besonders dann, wenn der Anspruch besteht, mit jedem Kind perfekt zu kommunizieren. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass das für die eine oder andere Person auch erdrückend ist. Aber ich finde es wichtig, den Kindern da mit einer gewissen Natürlichkeit zu begegnen und nicht das Gefühl zu vermitteln, dass man vor einer bestimmten Sprache Angst haben müsse.
Die Gesellschaft hat sich verändert und es wäre fatal, wenn wir dem als Bildungseinrichtung nicht Rechnung tragen würden.
 
Was meinen Sie mit Paradigmenwechsel?
 
In vielen Kindergärten im ländlichen Raum ist die vorrangige Sprache, die Kinder mitbringen, die deutsche Sprache, bzw. der Dialekt. Der Hochsprache begegnen viele Kinder erstmals in strukturierter Form im Kindergarten. Das ist eine andere Situation als in einem Kindergarten im städtischen Bereich, wo Kinder mit verschiedenen Familiensprachen aufeinandertreffen und die pädagogischen Fachkräfte nicht nur den Dialekt in die Hochsprache ‚übersetzen‘, sondern von einem anderen Ausgangspunkt mit Blick auf die mitgebrachte Sprache ausgehen müssen. Die Gesellschaft hat sich verändert und es wäre fatal, wenn wir dem als Bildungseinrichtung nicht Rechnung tragen würden.
 
Wie beurteilen Sie die Idee, die Zusammenarbeit von deutschen und italienischen Bildungseinrichtungen zu stärken?
 
Wie zuvor bereits gesagt, ist eine gut gesicherte Erstsprache wichtig. Das begünstigt dann auch, schon im frühen Kindesalter, die Begegnung mit anderen Sprachen und die Erweiterung meines eigenen Sprachrepertoires. Das Wichtigste dabei ist, zu vermitteln, dass ich keine Angst vor einer anderen Sprache zu haben brauche. So kann die Natürlichkeit der Begegnung zwischen Menschen und Sprachen behalten werden. Das erleichtert den Erwerb jeder Sprache, der eigenen und der fremden.  
 
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Florian Hinteregger Do., 08.12.2022 - 12:20

Tatsache ist, dass mittlerweile auch in den Schulen viele Migrantenkinder sind, die kein Wort Deutsch sprechen. Fr. Falkensteiner bagatellisiert die Situation und ihre Antwort zu den Ressourcen ist eine Watschen für das Bildungspersonal. Ganz im Sinne ihres Gönners und politisch Verantwortlichen LR Achammer, Probleme schönreden und gleichzeitig das System schwächen. Gerade bei der Inklusion im Bildungsbereich nimmt der Bedarf stark zu und die Mittel werden nicht entsprechend angepasst.

Do., 08.12.2022 - 12:20 Permalink
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Katharina Hersel Do., 08.12.2022 - 20:50

Kurzfassung des Interviews: die deutsche Schulamtsleiterin beurteilt Mehrsprachigkeit in Kindergarten und Schule positiv (wow!), hat Verständnis für pädagogische Fachkräfte, die über die Fremdsprache Hochdeutsch hinaus Probleme haben mit Mehrsprachigkeit (die Armen!), bleibt aber die Antwort schuldig, wie echte Mehrsprachigkeit ohne Investitionen in Sprachvermittlungskompetenz oder Aufstocken von Stellen aktiv ermöglicht werden soll (gähn!).
Fazit: Reiner Politik-Sprech. Den deutschsprachigen Südtiroler Landeskindern wird weiterhin systematisch die Chance auf eine echte Zweisprachigkeit verwehrt.

@Salto: wie wär’s mal mit Nachhaken bei so aalglatten Antworten?

Do., 08.12.2022 - 20:50 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 09.12.2022 - 06:09

Antwort auf von Katharina Hersel

Jede sich bietenden Gelegenheit wird von Denen die den Hals nie voll-kriegen-können, zum Ruf nach mehr öffentlichen Mitteln missbraucht, ohne darüber nach-zu-denken, "wie mit dem was man in der Speisekammer / heute Kühlschrank hat, besser gekocht werden könnte."
Die drei Schulämter "mit ihrem Miniatur-Unterricht in der Fremdsprache," sind ehestens zu verräumen und der Fächer-Unterricht ist wechselnd in den 2 / 3 Landessprachen anzubieten, um die Verständigung / Mehrsprachigkeit unter den Südtirolern zu erleichtern.
"Die Pflege der reinen Sprache sollen / dürfen die Sprach-Spezialisten in ihrem Elfenbeinturm pflegen."

Fr., 09.12.2022 - 06:09 Permalink
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Liliana Turri Di., 13.12.2022 - 20:15

Antwort auf von Josef Fulterer

... darüber nach-zu-denken, "wie mit dem was man in der Speisekammer / heute Kühlschrank hat, besser gekocht werden könnte."
Die drei Schulämter "mit ihrem Miniatur-Unterricht in der Fremdsprache," sind ehestens zu verräumen und der Fächer-Unterricht ist wechselnd in den 2 / 3 Landessprachen anzubieten, um die Verständigung / Mehrsprachigkeit unter den Südtirolern zu erleichtern.
"Die Pflege der reinen Sprache sollen / dürfen die Sprach-Spezialisten in ihrem Elfenbeinturm pflegen."
Un lungo appaluso a queste sagge parole!

Di., 13.12.2022 - 20:15 Permalink
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Profil für Benutzer Dennis Loos
Dennis Loos Fr., 09.12.2022 - 17:17

Antwort auf von Katharina Hersel

"die über die Fremdsprache Hochdeutsch hinaus Probleme haben mit Mehrsprachigkeit (die Armen!)"

Also für mich ist verständlich, dass Kinder, die Urdu, Berberisch, Slowakisch oder Ungarisch sprechen zwar eine Bereicherung sind, dies aber für die Lehrkräfte nicht immer unproblematisch ist. Für sie nicht?

"Den deutschsprachigen Südtiroler Landeskindern wird weiterhin systematisch die Chance auf eine echte Zweisprachigkeit verwehrt."

Was verstehen sie unter einer "echten Zweisprachigkeit"? Und inwiefern wird sie den deutschsprachigen Südtiroler Landeskindern (?) verwehrt?

Fr., 09.12.2022 - 17:17 Permalink
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Angelika Ebner Fr., 09.12.2022 - 08:21

Die sprachliche Komplexität an einigen Schulen des Landes muss von Entschei-dungsträgern in Politik und Verwaltung noch deutlicher wahrgenommen und berücksichtigt werden. Die Zuweisungsschlüssel für die Stellen lassen dies noch zu wenig erkennen.
Das funktionale Plansoll muss auch für Schulen mit großer sprachlicher und sozialer Heterogenität erkennbare und vor allem konstant verlässliche Möglich-keiten der Gestaltung bieten.
Schulen können nicht zu Bittstellern werden, die jährlich bangen, ob sie den Herausforderungen kompetent begegnen oder ob sie darauf nur noch regieren können und versuchen müssen diese abzufedern. Auch bei Zuwanderung während des Jahres können Schulen in den entsprechende Zonen nicht von Stundenkontingenten der Zentralverwaltung abhängig sein, sondern müssen vielmehr entsprechend ausgestattet werden, damit sie Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten besitzen.

Fr., 09.12.2022 - 08:21 Permalink
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Harry Dierstein Fr., 09.12.2022 - 19:19

Sehr guter Satz von Sigrun Falkensteiner:

"Wenn wir ehrlich sind, ist die Hochsprache für die meisten unserer Kinder ja auch beinahe die erste Fremdsprache."

Das bleibt sie bedauerlicherweise meistens dann auch lebenslang, weshalb die Ausländer um sie herum auch nicht in der deutschen Standardsprache mit ihnen kommunizieren können.

Ein Faktum, das gerade vom rechtspatriotischen Lager leider immer wieder negiert wird und deshalb wird dann dort halt Standard-Italienisch gesprochen. Selbst Schuld!

Fr., 09.12.2022 - 19:19 Permalink
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Liliana Turri Di., 13.12.2022 - 18:57

Katharina Hersel: Jeder sollte in Südtirol ab dem 3. Lebensjahr die Möglichkeit haben, in einer öffentlichen Schule zwei-dreisprachig aufzuwachsen. Genau wie in der öffentlichen ladinischen Schule !

Di., 13.12.2022 - 18:57 Permalink