Politik | Haushalt

Die heiligen Kühe der „Locher-Partei“

Es ist an der Zeit, die heiligen Kühe auf der SVP-Wiese zu schlachten, sagt Team K-Chef Paul Köllensperger – und attackiert die „Locher-Partei“.
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Foto: Team K
Salto.bz: Herr Köllensperger, in Ihrer Stellungnahme zum Haushalt haben Sie mit Ihrer Kritik an der SVP und am Führungsstil von Landeshauptmann Arno Kompatscher nicht hinterm Berg gehalten. Sie erklärten, dass die SVP eigentlich die Locher-Partei sei und nicht die Kompatscher-Partei.
 
Paul Köllensperger:  Die SVP ist nicht die Partei, die aus der Haushaltsrede von Arno Kompatscher spricht. Darin ging es viel um Nachhaltigkeit, wohingegen die SVP ja sehr viel mehr die Partei des ländlichen Raumes ist, die Partei der Wirtschaft, vor allem aber die Partei des Bauernbundes und des HGV, also von jenen zwei großen Verbänden, die wirklich das Sagen haben. Es ist eine konservative sowie auf die Wirtschaft ausgerichtete Partei und keine grüne, progressive Partei, aus der das intellektuelle Bürgertum der Städte spricht. Viel mehr ist es die Partei des Franz Locher als die von Arno Kompatscher. Eine SVP ohne ländliche Kandidaten würde nicht mehr als Edelweiß-Partei wahrgenommen.
 
Das Team K hat zum Haushalt mehrere Beschlussanträge eingereicht, unter anderem fordern Sie die Senkung der IRAP-Steuer auf 2,68 % und eine Gleichbehandlung von Zimmervermietung mit UaB bei der GIS-Steuer.
 
Das sind die ersten beiden Anträge, die ich eingebracht habe, mittlerweile sind noch einige hinzugekommen. Die IRAP, zuerst bei 2,68 %, wurde Anfang des Jahres auf 3,9 % angehoben, und zwar mit dem Argument, dass die gute Konjunkturlage dies zulasse und die Auswirkungen der Corona-Krise finanziert werden müssten. Nun ist meiner Meinung nach der Moment gekommen, diese Steuer wieder zu senken, denn wenn man antizyklisch denkt und die Konjunkturlage sich verschlechtert, dann muss man die IRAP logischerweise wieder senken. Bei der IRAP handelt es sich um eine Steuer, die ein Betrieb entrichten muss, auch wenn er keine Gewinne macht. Sie ist nicht auf den Ertrag ausgerichtet, sondern in die Berechnungsgrundlage fließen vor allem die Energiekosten und die Passivzinsen ein.
 
Das bedeutet, dass auch jene Betriebe, die ein Minus schreiben, diese Steuer zahlen müssen.
 
Das bedeutet, dass auch jene Betriebe, die ein Minus schreiben, diese Steuer zahlen müssen. Insofern handelt es sich um eine absurde Steuer, weil sie auf die Kosten ausgerichtet ist. Gerade jene Betriebe, die viel Strom brauchen, befinden sich aufgrund der momentanen Preisexplosion in extremen Schwierigkeiten. Sie müssen teilweise Kredite bei den Banken aufnehmen, um über die Runden zu kommen. Eben genau diese Betriebe sind nun mit einer hohen IRAP konfrontiert. Wir riskieren die Schließung von Betrieben, die viel Energie verbrauchen, vom Metzger bis hin zum Bäcker. Es wäre ein Zeichen der Wertschätzung dieser Betriebe, wenn man sie in schwierigen Zeiten unterstützen würde. Es geht dabei um Mindereinnahmen in Höhe von 25 Millionen Euro für das Jahr 2023. Wenn der politische Wille vorhanden ist, sollte das bei einem 6,7 Milliarden-Haushalt verkraftbar sein. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass beispielsweise der Tierser Seilbahn 11 Millionen Euro geschenkt wurden, obwohl Bauvergehen beanstandet wurden. Wenn dafür genügend Geld zur Verfügung steht, dann wird man auch 25 Millionen Euro für die gesamte Wirtschaft finden. Meiner Meinung nach sollte man diesen Betrag auch nicht als Mindereinnahmen klassifizieren, sondern man sollte ihn als Investition in die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Südtirol sehen.
 
 
 
 
 
Sie haben in Ihrer Rede den Haushalt heftig kritisiert und die Steuerzahler in den Fokus gerückt.
 
Wir sprechen beim Haushalt immer davon, wie wir den Kuchen der Steuergelder verteilen, aber selten davon, wie er zustande kommt. Der größte Teil der Steuereinnahmen setzt sich aus der IRPEF, der Einkommenssteuer der Privatpersonen, der Gesellschaftssteuer IRES und der IRAP-Steuer der Betriebe zusammen sowie aus der Mehrwertsteuer, die zum Teil an den Staat abgetreten wird, zum Teil in Südtirol bleibt. Dieser Steuerkuchen wird vor allem von den Betrieben und deren Mitarbeitern finanziert. Meiner Meinung nach wäre nun der passende Moment gekommen, um ihnen etwas zurückzugeben, auch wenn das für die öffentliche Hand einen kleinen Einschnitt bedeutet.
 
Das Land braucht Geld. Woher soll es kommen, wenn nicht von jenen, die es haben? Oder soll die öffentliche Hand mehr sparen?
 
Ja, das heißt sparen. Aber natürlich nicht bei Bildung oder der Sanität – und bitte auch nicht immer das Geld vom gut verdienenden Mittelstand einfordern. Erst vor Kurzem ist eine Studie erschienen, wonach in Italien – in Südtirol idem – nur neun Prozent der Bürger und Bürgerinnen, also der sogenannte Mittelstand, der über 35.000 Euro Brutto verdient, den gesamten Sozialstaat finanziert. Sie tragen nämlich zu 60 Prozent der IRPEF-Einnahmen bei. Was will man hier noch herausquetschen? Zudem müssen sie mit dem Nachteil leben, dass sie weder vom Staat noch vom Land Beihilfen erhalten, weil sie eben zuviel verdienen. Absurderweise geht es jenen, die weniger verdienen, oft besser, weil sie zumindest Anrecht auf Beihilfen haben und weniger Steuern entrichten müssen.
 
Sie plädieren auch dafür, die Südtiroler Förderungspolitik auf den Prüfstand zu stellen.
 
Die Förderungen sind zu überdenken, das genannte Beispiel der Tierser Seilbahn ist dabei nur eines von X Beispielen. Projekte werden gefördert, die ohne diese Förderungen überhaupt nicht umgesetzt würden. Ein Projekt, das nur aufgrund einer Förderung realisiert wird, ist meiner Meinung nach ein sinnloses Projekt. In Südtirol sprießen Projekte aus dem Boden – einzig und allein aus dem Grund, weil sie gefördert werden. Es gibt über 650 Beitragsverfahren in Südtirol – ein undurchsichtiger Dschungel und laut Spending Review ineffizient. Das Resultat sind Projekte, die nur Mitnahme-Effekte generieren, die nur wegen der Förderungen umgesetzt werden oder wo kein volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht und die Förderungen einfach verpuffen. Es gäbe unzählige Möglichkeiten, beim öffentlichen Sektor zu sparen – ohne die Gehälter des Personals anzutasten.
 
Projekte werden gefördert, die ohne diese Förderungen überhaupt nicht umgesetzt würden.
 
Wo wären sonst noch Einsparungsmöglichkeiten vorhanden?
 
Wir haben einen riesigen bürokratischen Apparat und schaffen immer neue bürokratische Hürden, welche wiederum Kosten nach sich ziehen. Im Zuge der Digitalisierung ließe sich hier sehr viel optimieren. Anhand des Beispiels Dänemark kann man sehen, dass es viele Möglichkeiten gibt, bürokratische Abläufe mit geringerem Personalaufwand effizienter zu gestalten. Die öffentliche Verwaltung könnte beispielsweise auch damit aufhören, laufend von den Betrieben Daten und Informationen abzufragen, über welche die Ämter bereits verfügen. Weiters müssen wir uns fragen, ob wir all unsere Regelungen überhaupt brauchen. Auf Seiten der Bürokratie haben wir extrem viele Doppelgleisigkeiten und auch auf Gemeinde-Ebene sollten Dienste zusammengelegt werden …
 
… was derzeit gerade passiert …
 
… wir müssten auch darüber sprechen, einige Gemeinden zusammenzulegen. Brauchen wir wirklich 116 Gemeinden?
 
Dann gibt es Krieg!
 
Ja, das mag sein. Aber irgendwann müssen wir die heiligen Kühe auf der SVP-Wiese schlachten. Ich stelle diese Tasache zur Diskussion und bin überzeugt, dass man zumindest die Möglichkeit analysieren muss. Wenn in bestimmten Gemeinden außer einem Bürgerschalter keine anderen Dienste angeboten werden, ist diese Frage durchaus berechtigt. Weiters plädiere ich für die Zusammenlegung von Ämtern. Braucht es wirklich drei Schuldirektionen? Ich spreche hier von den Verwaltungen, die Schulen selbst müssen natürlich bleiben.
 
 
 
Die nächste heilige Kuh zum Metzger?
 
Ja, genauso wie die Zusammenlegung der Landesämter für Handwerk und Industrie.
 
Wäre die Bereitschaft seitens der Ämter denn vorhanden?
 
Wahrscheinlich nicht, denn wie bereits festgestellt, handelt es sich hier eben um heilige Kühe, die mit Funktionärsposten verbunden sind. Natürlich sind hier Resistenzen seitens der Verwaltung vorhanden. Hier ist jedoch die Politik gefragt, die umdenken muss. Weiters stellt sich die Frage, ob wir die ganzen Infrastrukturprojekte überhaupt brauchen. Im Februar hat ein Hearing zur digitalen Transformation stattgefunden, bei welchem wir Einblicke in die Mobilität der Zukunft erhalten haben. So kauft die junge Generation in den urbanen Zentren beispielsweise keine Autos mehr und vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob wir noch Tiefgaragen für hunderte Millionen Euro brauchen.
 
Brauchen wir noch Tiefgaragen für hunderte Millionen von Euro?
 
Wir investieren wahnsinnig viel Geld in Straßenbau, was nicht unbedingt wirklich nachhaltig ist, schließlich wollen wir von dieser automobilzentrierten Mobilitätweg wegkommen. Auch hier können wir damit beginnen, Geld umzuschichten. Ein weiterer Punkt betrifft die öffentlichen Bauten. In Südtirol kosten die Bauten, die von der öffentlichen Hand vergeben werden, viel mehr als im restlichen Italien – und extrem viel mehr als im privaten Sektor. Ich bin der Meinung, dass hier die Einsparungsmöglichkeiten wahrgenommen werden müssen.
 
In Südtirol gängige Praxis: Welcher Bauunternehmer soll darauf verzichten?
 
Ein Bauunternehmer hat mir kürzlich bestätigt, dass in Südtirol generell 15 Prozent auf öffentlichen Bauten „draufgeschlagen“ werden – mehr als in den anderen italienischen Regionen, im Vergleich zur Privatwirtschaft wahrscheinlich das Doppelte.
 
Wie wollen Sie das in den Griff bekommen?
 
Das ist natürlich kein leichtes Unterfangen, weil das Vergabesystem, so wie es aufgebaut ist, höhere Kosten mit sich bringt. Allerdings werden rund zwei Milliarden Euro für öffentliche Verträge aufgewendet – ein riesiger Wirtschaftsmotor und ein großer Teil unserer öffentlichen Bauten. 15 Prozent Aufschlag umgerechnet auf diese zwei Milliarden Euro ist enorm viel Geld. Hier muss etwas getan werden. Die Betriebe selbst jammern dann wieder, weil auch für sie diese Bürokratie wieder enorme Kosten mit sich bringt.
Ein weiterer Missstand betrifft jene Geldmittel, die aus dem Haushalt ausgelagert und zu den Landesagenturen geschoben werden, womit der Landtag jegliche Kontrolle darüber verliert.
 
Könnten Sie das präzisieren?
 
Bestes Beispiel dafür ist die Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung (ASWE). Dort liegen mittlerweile Milliarden. Bei der Agentur Euregio Plus liegen die gesamten Laborfonds-Gelder. Die IDM arbeitet an einem Market-Place, der 15 Millionen Euro kostet. Es sind darin beispielsweise zweimal Beratungstätigeiten aufgelistet zum jeweiligen Preis von rund 148.000 Euro.
 
Wie muss man beraten, um dafür 148.000 Euro zu erhalten?
 
Ich kann mir das selbst nicht erklären. Für 300.000 Euro hätte ich mit meiner Web-Agentur den kompletten Market-Place erstellt und nicht nur die Beratung gemacht. Ich verlange seit drei Jahren das Projekt-Dokument mit der Beschreibung, was darin enthalten ist. Seit drei Jahren wird mir das verweigert mit der Begründung, dass es noch nicht fertig ist. Aber inzwischen wird fleißig weiter gearbeitet und Millionen ausgegeben. Diese mangelnde Transparenz ärgert mich ungemein. Das ist einer der Gründe, weshalb ich den Beschlussantrag zur IDM eingereicht habe. Dass bei diesen ausgelagerten Dienstleistungen keine Einsparungsmöglichkeiten vorhanden sind, kaufe ich der Landesregierung nicht ab.