Wirtschaft | Lebensmittel

Lieber regionale Produkte

In Südtirol soll die Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung eingeführt werden. Manfred Vallazza über Sinn und Zweck.
Vallazza, Manfred
Foto: Facebook
Salto.bz: Herr Vallazza, Sie haben einen Gesetzesentwurf zur Lebensmittelkennzeichnung eingebracht. Ziel ist zum einen die Stärkung der Berglandwirtschaft und zum anderen die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln – eine Win-Win-Situation sozusagen.
 
Manfred Vallazza: Genau, seit meiner Wahl zum Landtagsabgeordneten ist es mir ein Anliegen, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die landwirtschaftlichen Produkte und die Landwirtschaft insgesamt mehr Wertschätzung erfahren. Ich betreibe mit meiner Familie einen Hofschank und habe gemerkt, dass die Touristen mit Freude die von meiner Mutter präsentierten hofeigenen Produkte konsumieren – und auch bereit sind, den entsprechenden Preis dafür zu zahlen. Das hat mich natürlich zum Nachdenken gebracht und angespornt, dass man in dieser Hinsicht unbedingt etwas tun muss, auch wenn es manchmal ein langer Weg ist, was man am Beispiel anderer Länder sehen kann.
 
Ich bin überzeugt, dass die Touristen sich für einheimische Produkte entscheiden, wenn sie die Wahl haben.
 
Wir haben dann gesehen, wie es funktionieren könnte, ohne dass es in Richtung Wettbewerbsverzerrung geht. Ich bin überzeugt, dass die Touristen sich für einheimische Produkte entscheiden, wenn sie die Wahl haben bzw. dies auch auf den Menükarten aufscheint. Sie wollen auf einer Berghütte keine Fischspezialitäten vorgesetzt bekommen, sondern heimische und regionale Spezialitäten. Im Umkehrschluss stehen dem Produzenten mehr Absatzmärkte offen und sie sind nicht mehr auf den Zwischenhandel angewiesen, der daran verdient, während dem Bauern nicht viel bleibt. Die Entwicklung wird nicht von heute auf morgen passieren, aber sie wird stetig und erfolgreich sein – davon bin ich felsenfest überzeugt.
 
Sie setzen also vor allem auf die touristischen Absatzmöglichkeiten? Was ist jedoch mit dem lokalen Markt, vor allem vor dem Hintergrund, dass ständig über die hohen Lebensmittelpreise geklagt wird?
 
Die derzeitige Krise betrifft ja sämtliche Sparten, wenn man jedoch auf die Situation von vor 20 Jahren zurückblickt, wo im Verhältnis für Nahrungsmittel mehr ausgegeben wurde als beispielsweise für technische Geräte, so haben wir heute die umgekehrte Situation. Jeder will das neueste Handy, Tablet und die neueste Kleidung, gespart wird hingegen bei den Lebensmitteln. Ich wäre schon zufrieden, wenn man die Konsumenten dahin bringen würde, dass sie sich gesund ernähren, was beispielsweise beinhaltet, dass nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller kommen muss, sondern nur einmal die Woche. Und dann ist es auch möglich, dass man auf regionales Fleisch zurückgreift.
 
Jeder, der schon einmal Fleisch von einem Bauernhof gegessen hat, weiß, dass es einen großen qualitativen Unterschied zur Supermarkt-Ware gibt.
 
Jeder, der schon einmal Fleisch von einem Bauernhof gegessen hat, weiß, dass es einen großen qualitativen Unterschied zur Supermarkt-Ware gibt. Das gleiche gilt natürlich für Milch und Eier – auch wenn diese Produkte etwas teurer sind, so kann doch zumindest einmal pro Woche darauf zurückgegriffen werden. Würde sich jeder daran halten, dann wäre das ein ungeheurer Zugewinn für unsere Bauern. Mit Fleisch können wir uns noch nicht selbst versorgen, aber der Bauernbund ist momentan dabei, eine eigene Produktlinie aufzubauen. Wenn das Angebot auch von den Privaten angenommen wird, bin ich überzeugt, dass der Gewinn auch für die Bauern steigen wird.
 
 
 
Interessanterweise zählt auch die Grünen-Chefin Brigitte Foppa neben Sepp Noggler und Franz Locher zu den Mitunterzeichnern. Gesunde Nahrungsmittel und die Unterstützung der regionalen Landwirtschaft – ein parteiübergreifendes Anliegen?
 
Wir arbeiten an diesem Gesetzesentwurf seit den Landtagswahlen, Brigitte Foppa hatte bereits einen ähnlichen Entwurf eingereicht, der jedoch allgemeiner gehalten war. Wir haben dann beschlossen, unsere Kräfte zu bündeln – zwischendurch schadet es nicht, wenn man bei gemeinsamen Anliegen auch gemeinsam vorgeht. Wir haben den Entwurf dann auch hinsichtlich der Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben überprüft.
 
Warum ist das Gesetz auf tierische Produkte wie Fleisch, Milch, Eier beschränkt und enthält keine Bestimmung zu Obst und Gemüse?
 
Im ersten Entwurf war auch für pflanzliche Produkte wie beispielsweise Säfte eine Herkunftsbezeichnung vorgesehen. Wir sind – nachdem wir entsprechende Gesetze in anderen Ländern, nämlich Frankreich und Finnland, verglichen haben, dann allerdings zum Schluss gekommen, dass es sinnvoller wäre, die Kennzeichnung auf tierische Produkte zu beschränken. In den finnischen und französischen Kennzeichnungsgesetzen sind nämlich pflanzliche Produkte ebenfalls ausgeschlossen. Die EU, welche diese Gesetze prüft, hat keinen negativen Bescheid dazu ausgestellt. Österreich hingegen hat zwei Anläufe unternommen und ist beide Male gescheitert, nun haben sie ebenfalls ihre Gesetzesvorlage an das finnisch-französische Modell angepasst. Deshalb sind wir zuerst mit den tierischen Produkten gestartet. Dazu kommt noch, dass wir effektiv zu wenig Gemüse produzieren. Beim Obst bestünde die Möglichkeit. Wir starten nun und hoffen, dass das Gutachten nicht negativ ausfällt. Nachbesserungen und Ergänzungen, falls notwendig, sind jedoch auch später noch möglich.
 
 
Wenn man während seines Urlaubs in ein Gasthaus geht, dann will man auch etwas Besonderes genießen.
 
 
Der Gesetzesentwurf sieht nicht nur Kontrollen vor, sondern auch Strafen bei Nichteinhaltung, wobei die Form der Kennzeichnung weitestgehend den Betrieben selbst überlassen wird. Letztendlich ein großer Nutzen auch für sie?
 
Davon bin ich fest überzeugt. Auch wenn die Betriebsinhaber auf den ersten Blick beim Einkauf mehr investieren müssen, so können sie im Verkauf für das Produkt auch mehr verlangen. Ich habe genügend Erfahrung im Umgang mit Gästen, um sagen zu können, dass dies niemand ablehnen wird. Wenn man während seines Urlaubs in ein Gasthaus geht, dann will man auch etwas Besonderes genießen. Wenn der Gast weiß, dass die angebotenen Speisen aus Produkten vom Hof oder der Nachbarschaft kommen, möglicherweise kann er sogar den glücklichen Hühnern auf dem Hof zusehen oder die Kühe beim Grasen beobachten, dann ist er auch bereit, mehr für dieses Erlebnis zu bezahlen. Die Kontrolle in dem Sinne wird es brauchen, weil es leider auch vorkommt, dass auf der Theke zwar die Milch aus Südtiroler Produktion steht, in der Küche, wo der Gast keinen Einblick hat, jedoch die Billigprodukte verwendet werden. Es war mir wichtig, dass in diesem Zusammenhang nicht nur die Hygiene-Richtlinien kontrolliert werden, sondern auch die Lieferscheine und die Rechnungen. Anhand dieser Unterlagen kann nämlich nachverfolgt werden, was effektiv eingekauft wird. So wird bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes auch klargestellt, dass die Einhaltung kontrolliert wird.
 
 
 
Würden sich die Produzenten von hofeigenen Produkten generell mehr Unterstützung seitens des Tourismus wünschen?
 
Natürlich muss jeder Gastbetrieb seine Rechnung machen und der Betriebsinhaber muss auch eine gewisse Übersicht über seine Warenbestellungen haben bzw. mit den Mengen kalkulieren können. Es gibt beispielsweise Betriebe, die 1.000 Liter Milch am Tag verbrauchen. Da ist es natürlich ein gewaltiger Unterschied, ob der Literpreis bei 45 Cent oder 20 Cent liegt. Mittlerweile gibt es aber viele Betriebe, die auf regionale Produkte umgestellt haben und wir nehmen wahr, dass das auch immer mehr im Kommen ist. Das merke ich auch in meiner Heimat Gadertal. Mittlerweile gibt es sogar Hoteliere, die Ackerflächen pachten und Kräuter und Gemüse darauf anbauen. Das ist eine enorm positive Entwicklung und hilft unserem Anliegen, auf regionale Produkte zu setzen.
 
Es gibt Betriebe, die 1.000 Liter Milch am Tag verbrauchen. Da ist es natürlich ein gewaltiger Unterschied, ob der Literpreis bei 45 Cent oder 20 Cent liegt.
 
Bei der Finanzierung sind 500.000 Euro für Sensibilisierungsmaßnahmen vorgesehen. Ein enormer Batzen Geld.
 
Das ist wirklich ein Batzen Geld, aber diese Sensibilisierungsmaßnahmen sind auf mehrere Jahre ausgelegt und werden auch von Experten bzw. der IDM ausgearbeitet. Deshalb ist diese Summe durchaus gerechtfertigt. Wenn über längere Zeit hinweg und auf verschiedenen Plattformen die Bürger und Bürgerinnen sensibilisiert werden, Tourismusvereine wie auch Schulen miteinbezogen werden, dann stehen die Ausgaben durchaus im Verhältnis.