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Das Phantomradio

Ein Radiosender hat jetzt vom Land über 92.000 Euro als Medienförderung bekommen, obwohl er unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert. Eine unglaubliche Geschichte.
Radio
Foto: upi
Siegfried Torggler kann sich freuen. Der Mann, der seit Jahren im Ausland lebt, hat in den vergangenen Tagen einen ordentlichen Landesbeitrag direkt auf sein Konto überwiesen bekommen. 92.324,62 Euro hat das Amt für Handel und Dienstleistungen an Torgglers “Radio Südtirol GmbH” als Medienförderung ausbezahlt.
Es dürfte im wahrsten Sinne des Wortes ein Beitrag “a fondo perduto” sein. Diese öffentliche Förderung ist ein Skandal und macht deutlich, wie fahrlässig sowohl der Landesbeirat für Kommunikationswesen als auch das Amt für Handel bei der Vergabe der Medienförderung vorgehen.
 
 
 
Denn es genügen keine 30 Minuten und ein paar Klicks und Recherchen im Internet und im offiziellen Firmenregister der Handelskammer, um zu merken, dass bei diesem Beitragsempfänger rein gar nichts stimmt. In Wirklichkeit ist das geförderte Radio kaum zu hören und die für die Förderung angeführten Kosten sind eine reine Chimäre. Die Radio Südtirol Gmbh ist ein potemkisches Radiodorf, deren Besitzer rechtskräftig verurteilt wurden.
Vor allem aber hat die Landesverwaltung bereits zweimal die zugesagte Medienförderung annulliert und zurückverlangt. Zudem ist derzeit ein Verfahren vor dem Bozner Verwaltungsgericht zur Beitragsvergabe aus dem Vorjahr anhängig.
Dass trotz dieser Vorgeschichte aber Ende November 2022 der Kommunikationsbeirat diesem Radio den zweithöchsten Förderbeitrag aller Südtiroler Radiosender zuspricht, ist ein Skandal.
 

Die Radiofamilie

 
Der heute 57-jährige Siegfried Torggler stammt aus einer Radiofamilie. Vater Gabriel Torggler ist Inhaber der gleichnamigen renommierten Tanzschule in Bozen und geht 1977 mit dem Radiosender “Südtiroler Rundfunk“ auf Sendung. 1997 gründete sein Sohn
Siegfried Torggler dann „Radio Südtirol/Hitradio Südtirol“. Jahrelang nutzen beide Torggler-Sender dieselben Umsetzer und Frequenzen. Heute sind beide Radios kaum mehr in Südtirol zu hören. Die Frequenzen wurden zum Teil an andere Sender verkauft. Hitradio Südtirol existiert mehr oder weniger nur mehr als Webradio.
 
 
 
Siegfried Torggler selbst hat eine bewegte Vergangenheit. Immer wieder steht der Unternehmer vor Gericht. Weil er in einen Konkursfall verwickelt ist, gehört die in Burgstall beheimatete „Radio Südtirol GmbH“ inzwischen offiziell nicht mehr ihm. Das Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 10.329 Euro gehört zur 40 Prozent seiner Tochter Sigrid Torggler und zu 2 Prozent seiner Partnerin Anila Kupa, einer gebürtigen Albanerin. Kupa fungiert auch als Alleinverwalterin. Haupteigentümer des Radios ist mit 58 Prozent die „Südtiroler Pressedienst GmbH“. Das 2013 gegründete Unternehmen mit dem wohlklingenden Namen hat ein Gesellschaftskapital von 1 Euro. Auch diese Firma gehört Anila Kupa. Auffallend: Das Unternehmen ist laut offizielle Handelskammer Auszug bis heute „inaktiv“.
Aus den Akten der Handelskammer geht aber auch hervor, dass die Radio Südtirol GmbH im Jahr 2015 die letzte Bilanz im Unternehmensregister hinterlegt hat.
Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen, das seit 7 Jahren keine offizielle Bilanz hinterlegt, in diesen Jahren mehrere Hunderttausend Euro an Medienförderung vom Land zugesprochen bekommt, ist kaum verständlich.
Doch das Ganze wird noch absurder.
 

Keine Falscherklärung

 
Dazu kommt, dass die Radiobetreiber rechtskräftig verurteilt wurden. So ist Siegfried Torggler offiziell bis heute presserechtlicher Verantwortlicher für Radio Südtirol. Per Gesetz kann er das aber nicht sein.
Am 13. Juni 2017 hat das Kassationsgericht zwei Urteile des Landesgerichts Bozen und des Oberlandesgerichts Bozen bestätigt, mit denen Siegfried Torggler und Anila Kupa verurteilt wurden. Torggler wegen unerlaubter Ausübung des Journalistenberufes und Kupa, weil sie nicht in das gesetzliche vorgeschrieben Register der presserechtlich Verantwortlichen eingetragen ist. Beide habe bis heute nicht die gesetzlichen Voraussetzungen dafür.
In der Medienförderung des Landes zählen aber vor allem die Personalkosten. 2017 sucht die Radio Südtirol Gmbh beim Land - wie jedes Jahr - um die Medienförderung an. Das Unternehmen gibt dabei die Lohnkosten für die beiden „Journalisten“ Siegfried Torggler und Anila Kupa von 160.245 Euro an. Das Radio erhält über das Mediengesetz daraufhin einen Beitrag von 53.543,33 Euro.
Spätestens nach dem Kassationsurteil ist aber klar, dass beide keine Journalisten sind. Deshalb stuft der für die Kontrolle zuständige Landesbeirat für Kommunikationswesen den Antrag als „irrtümlich“ ein. Am 7.12.2017 verfügt die Direktorin der Abteilung Wirtschaft Manuela Defant per Deket den Widerruf und die Rückzahlung des Beitrages.
 
 
 
Sicher ist: Diese Interpretation des Landesbeirates und des Amtes ist mehr als nur wohlwollend.
Auch deshalb sucht das Duo Torggler/Kupa so, als wäre nichts gewesen, auch 2018 und 2019 um die Medienförderung an. 2018 wird der Radio Südtirol Gmbh aus der Medienförderung ein Beitrag von 57.025,14 Euro zugesprochen. Nach einer Kontrolle wird aber auch diese Beitrag im Jahr 2020 widerrufen. Zudem archiviert der Landesbeirat für Kommunikationswesen wegen Unregelmäßigkeiten das Beitragsgesuch für das Jahr 2019.
 

Fortgesetzter Betrug?

 
Siegfried Torggler ist seit Jahren nicht mehr in Italien. Er arbeitet inzwischen in Österreich als Techniker für Elektroinstallationen. Dennoch geht die Masche von Radio Südtirol weiter, als wäre nichts geschehen. Auch im Jahr 2021 sucht das Unternehmen um die Medienförderung an. Eine der Voraussetzungen für Gewährung der Beiträge an Radiosender ist die Ausstrahlung von mindestens 20 Minuten Nachrichten über Südtirol am Tag.
Der Landesbeirat für Kommunikationswesen beauftragt inzwischen ein Privatunternehmen mit den Stichproben-Kontrollen. Dabei kommt zu Tage, dass Hitradio Südtirol diese Bedingung nicht erfüllt. Am 14. Juni 2022 wird die Gewährung des Beitrages vom Amt für Handel deshalb offiziell abgelehnt.
 
 
 
Gegen diese Ablehnung legen Siegfried Torggler & Co Rekurs beim Bozner Verwaltungsgericht ein. Dieser Rekurs wird 25. Jänner 2023 verhandelt werden.
Dass man nach dieser Vorgeschichte ausgerechnet der Radio Südtirol Gmbh im laufenden Jahr mit 92.324,62 Euro den zweithöchsten Landesbeirat für Radios zuspricht, kann nur durch die Angst vor weiteren Rekursen oder durch eine Amnesie oder Fahrlässigkeit des nach dem Landesgesetz für die Kontrollen zuständigen Landesbeirates für Kommunikationswesen erklärt werden.
Dabei ist im Landesgesetz sogar festgeschrieben, dass Unternehmen bei Falscherklärungen von der Beitragsvergabe langfristig ausgeschlossen werden.
 

Die Gehirnwäsche

 
Vor allem gibt es eine ganze Reihe von weiteren Vorfällen, die deutlich machen, dass dieses Unternehmen keineswegs Landesbeiträge für die Medienförderung verlangen kann.
So etwa sind alle Südtiroler Radios Mitglieder der Fachgruppe Rundfunk im Hds. Auch Hitradio Südtirol hat um eine Mitgliedschaft offiziell angesucht. Diese wurde nach einer Abstimmung im Exekutivausschuss des Verbandes aber abgelehnt. Die Begründung: Die Fragwürdigkeit des Medienunternehmens.
Anscheinend sieht man das beim Land aber anders. Aber auch hier muss man beide Augen fest zudrücken.
 
 
 
Während das Land und auch der Beirat für Kommunikation eine Kampagne gegen Fake News und Hassbotschaften in den sozialen Medien fahren, wimmelt es auf der verwahrlosten Homepage von Radio Südtirol nur so von Verschwörungstheorien. Zu finden sind Rubriken und Sendungen mit dem Titel wie "Die Gesetze Satans", "Magie der Weisheit", Tischerücken oder Dämonen und Geister beschwören.
In der Eigendarstellung des Senders ist unter den Titel „Radio Südtirol on Air“ auch eine eindeutige Botschaft zu lesen:
 
„Die Mehrheit der Medien in Südtirol sind eine gekaufte Presse und gehören dem unter Mussolini gegründeten Nationalen Faschistischen Journalistenverband an. Viele Millionen Euro bezahlt die Regierung diesen, um einen Einheitsbrei dem Volk zu verbreiten und das Gehirn zu waschen.“
 
Und ausgerechnet dieses Medienunternehmen wird vom Land mit fast 100.000 Euro belohnt.
Absurder geht es wohl kaum.