Wirtschaft | Interview

Das Zukunftsdorf

Das Erfolgsmodell der „regenerativen“ Genossenschaft
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Coopbund Alto Adige Südtirol

Was können Bürgergenossenschaften über die nachhaltige Entwicklung ihres Umfeldes hinaus noch leisten? Auf diese Frage wollte man während der Veranstaltung Meet Coopbund – Aktive Bürger*innen in Südtirol: von den Bürgergenossenschaften zum Zukunftsdorf im stimmungsvollen Ambiente der Gärtnerei der Sozialgenossenschaft Grünes und Co in Bruneck eine Antwort finden.

Zum Thema berichtete Thomas Hann, und wir haben die Gelegenheit genutzt ihn zu interviewen.

 

Salto.bz: Herr Hann, Sie sind Betriebswirt und Regionalentwickler. Wie sind Sie auf die Idee der Regenerativen Genossenschaften gekommen?

Thomas Hann: In den vergangenen Jahren waren zwei zentrale Strömungen in der Gesellschaft sichtbar, einerseits die Angst vor einem ökologischen Kollaps und andererseits die Angst vor dem Kollaps des Geldsystems. Als Betriebswirt wurde mir bereits im Studium klar, dass unser Geldsystem und das daran gekoppelte Wirtschaftssystem nur mit einer ständigen Entnahme aus den planetaren Ressourcen stabil bleiben kann und derzeit erleben wir das Ende dieser Entnahmelogik. Der Wiederaufbau planetarer und lokaler Ressourcen ist aktuell nur eine Randerscheinung und wird derzeit nur von Stiftungen und anderen Nicht-Gewinnorientierten Organisationen durchgeführt. Zwar werden Nachhaltigkeitsziele groß propagiert, spielen aber bei wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen nur eine Nebenrolle. Lokale Gemeinschaften wie Dörfer, Quartiere und vor allem die Landwirtschaft geraten dadurch zunehmend unter Druck, denn die Ressourcen werden immer knapper und die wertschöpfenden Infrastrukturen schrumpfen bzw. verschwinden aus Dörfern und Kleinstädten ganz. Wo früher lokales Handwerk und Handel durch kleine Kreisläufe möglich war, verschwindet diese Form der gesellschaftlichen Selbstversorgung immer mehr. Zentrale Systeme und Globalisierung sind zwar eine logische Konsequenz eines globalen Kapitalismus, dennoch waren die kleinen und mittelständischen Unternehmen einst das Fundament der Gesellschaft. Dafür fehlen zunehmend die Anreize, denn auch die Bürger haben ihre Ersparnisse in großen Institutionen wie Versicherungen und Banken angelegt und damit stehen auch diese privaten Spargelder nicht mehr den Regionen zur Verfügung in denen die Menschen leben.

Das spüren viele Menschen nun vermehrt daran, dass die kleinen Läden in ihren Dörfern und Regionen schließen und Bauern ihre Arbeit aufgeben müssen, weil sie sich nicht mehr rentiert. Für mich war die Entwicklung eines alternativen Modells zu dieser globalisierten Wirtschaft nur auf genossenschaftlicher Basis umsetzbar. Dabei war mir klar, dass die bisherigen Parameter der Gewinnmaximierung hier keine Attraktivität für den Bürger mit sich bringen konnten und so besann ich mich auf das eigentliche Prinzip der Genossenschaft: die Förderung ihrer Mitglieder.

Bei dieser Förderung muss nicht Geld der Indikator des Erfolges sein, sondern auch Mehrwerte im Zusammenleben, der Versorgungssicherheit und ein Dienst an der Gesundheit der Menschen und ihrer Lebensumgebung stellen eine Förderung dar. Somit bieten diese kleinen Wirtschaftseinheiten eine gute Möglichkeit für die Umdeutung von Gewinn an: von monetären Werten zum Wert eines „guten Lebens vor Ort“.

 

 

Was zeichnet Regenerativen Genossenschaften aus?

Regenerative Genossenschaften bilden sich aufgrund der Bedarfe lokaler Gemeinschaften und übernehmen die Daseinsvorsorge (Grundbedürfnisse wie Wärme, Strom, Nahrung, Wohnraum und vor allem Sozialraum). Sie entwickeln lokale Wertschöpfungskreisläufe und ermöglichen es Bürgern ihre Ersparnisse dort zu investieren, wo sie leben. Bei diesen Investitionen in bürgereigene Infrastrukturen wird darauf geachtet, dass sie lebensdienlich sind und somit die Lebensumgebung der Bürger durch gesunde Natur, nachhaltiges Wirtschaften und eine bessere Wohn- und Gesundheitsversorgung aufwerten. Gleichzeitig schaffen sie einen neuen, konstruktiven Sozialraum, der die Zusammenarbeit und den Austausch fördert und die daraus entstehenden positiven Effekte wiederum den Bürgern zugutekommen lässt. Dabei wird das Prinzip „Planet, People, Profit“ so angewendet, dass möglichst viel Geld in der Region der Genossenschaft bleibt und kreist und die daran beteiligten Mitglieder ihre Renditen auch in Form von Leistungen, Versorgung und anderen Mehrwerten unmittelbar vor Ort erhalten können. Gelder, die in so kleinen Kreisläufen fließen schaffen Wertschöpfung viel schneller, da das Geld sich lokal viel schneller und verlustfreier bewegen kann. Ein lokal ausgegebener Euro kreist pro Monat mehrfach durch die Gemeinschaft, während ein Euro der an große Handelsketten oder Onlinehändler bezahlt wird einfach aus der Region abfließt.

 

Können Sie uns ein konkretes Beispiel beschreiben?

Es gibt sehr unterschiedliche Beispiele, das einfachste ist ein Wohnprojekt das über mehrere Generationen geht. Die Vorteile von älteren und jungen Menschen unter einem Dach hat sich über Jahrhunderte bewährt, denn junge Menschen im Haus sind für alte Menschen sehr gesundheitsförderlich, während die Lebenserfahrung der Älteren für die jungen Menschen eine große Hilfe ist und junge Familien gut unterstützt werden können. Kosten werden geteilt und hochwertiger Wohnraum kann sowohl im individuellen (Privatwohnungen), als auch kollektivem (Gärten, Werkstätten, Tierhaltung) ideal genutzt werden. Das vermindert auch den Flächenbedarf und ermöglicht biologisches und energieeffizientes Bauen. Ein weiteres Beispiel ist die Erstellung gemeinsamer Infrastruktur für Energie- oder Wärmegewinnung – so konnten wir im Schwarzwald ein ganzes Dorf mit einer gemeinsamen Heizanlage und Nahwärmeversorgung genossenschaftlich versorgen. Treffpunkte und lokale Versorgungszentren für kulturelle und gesundheitliche Angebote sind ebenfalls eine sehr konkrete Möglichkeit für die Schaffung eines guten Lebens in Dörfern, denn in Deutschland zieht sich derzeit die Kirche aus vielen Dörfern und Kleinstädten zurück und hinterlässt Liegenschaften, die meist zentral gelegen sind und wegen Denkmalschutz für nichts anderes genutzt werden können.

 

Eng verbunden mit den Regenerativen Genossenschaften sind die Bürgerstiftungen. Wieso sollte ich als Bürger in diesen Stiftungen investieren?

Die Bürgerstiftung ist ein großartiges Instrument um Land und Liegenschaften aus dem Bau- und Spekulationskreislauf zu entnehmen und sie dauerhaft der Dorf- oder Quartiersgemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Wenn ich als Bürger etwas dazu beitragen möchte, dass meine Gemeinde ein Sozialraum bleibt und die Menschen sich dort weiterhin treffen und zusammenarbeiten können, ist die Stiftung ein fabelhaftes Modell um Geld oder Erbe der dortigen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Diese Stiftungen können dann die Arbeit der lokalen Impulsgeber (Vereine, Genossenschaften...) so unterstützen, dass die Angebote dauerhaft vor Ort zur Verfügung stehen. Sie binden das Kapital langfristig am Lebensort und sichern auch noch den Enkeln einen Sozialraum der lebenswert ist.

 

 

Gibt es bereits Erfahrungen mit Bürgerstiftungen?

Ja, die Bürgerstiftung Pfalz hat als Dachstiftung bereits viele kleine Dorfstiftungen ins Leben gerufen und betreut diese zentral. Gerade hat sie den Bundeswettbewerb gewonnen und ist als eine von 2 Zukunftsregionen zur besonderen Förderung ausgewählt worden. Derzeit entstehen in dieser Region mehrere Bürgergenossenschaften, die von den Bürgerstiftungen vorfinanziert bzw. angeschoben werden.

 

Welche Empfehlungen würden sie den Südtirolern geben.

Schaut wo Eure Ersparnisse liegen und ob sie Euer Leben und das Leben eurer Kinder und Enkel wirklich unterstützen. Übernehmt Verantwortung für Euer Kapital und Erbe indem ihr es zurück an euren Lebensort holt. Ob das Geld seinen Wert verlieren wird, ist keine Frage, also investiert es lieber in eure Grundversorgung und schafft damit die Grundlage für ein gutes Leben jenseits internationaler Kapitalmärkte. Für euch, eure Kinder und eure Enkel.

 

 

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Josef Fulterer Fr., 10.02.2023 - 07:47

Das wird bei den einfachen Genossenschaften noch gelebt, die noch im Sinn von Friedrich Wilhelm Raiffeisen auf die Förderung der Mitglieder ausgerichtet sind.
Gewisse Organsationen die sich zwar mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen schmücken, verraten / missbrauchen die Mitglieder und sind im Dunstkreis des NEO-LIBERALEN Denkens unterwegs und auf möglichst viele zusätzliche hoch-bezahlte Posten aus.

Fr., 10.02.2023 - 07:47 Permalink
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Josef Fulterer So., 12.02.2023 - 16:31

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

In den aufgelassenen Kasernen könnten "ähnlich gesinnte Gruppen" von jungen Familien, Alleinstehenden und aus dem Erwerbsleben- Ausgeschiedenen, "diesen Traum vom persönlichen Rückzugsort und den gemeinschaftlichen Begegnungs-Räumen" (Treffpunkt, Sauna, Turnraum, Werkstatt / Hobbyraum, Garten usw.), mit überschaubaren Kosten errichten.

So., 12.02.2023 - 16:31 Permalink
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Am Pere Mo., 27.02.2023 - 10:48

Klingt schön, wobei ich aber nicht verstehe wie diese Genossenschaften wirtschaften. Mit welchen Einnahmen werden z.B. die Fixkosten abgedeckt?

Mo., 27.02.2023 - 10:48 Permalink