Umwelt | Mobilität

In 26 Minuten von Meran nach Bozen

In rund 10 Jahren soll die neue Bahnverbindung Bozen – Meran in Betrieb genommen werden. STA-Direktor Joachim Dejaco über die Hürden und Herausforderungen.
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Foto: STA
Die Entscheidung für den zweispurigen Ausbau der Bahnstrecke Bozen – Meran wurde bereits im Jahr 2015 getroffen. In einem Rahmenabkommen unterzeichneten der Schienennetzbetreiber RFI und das Land Südtirol eine Vereinbarung, mit welcher die Modernisierung der Bahnlinie vorangetrieben werden sollte. Seit die ersten Ergebnisse der Machbarkeitsstudie und der Trassenverlauf bekannt sind, regt sich vor allem der Widerstand seitens der Bauernvertreter, die einen zu hohen Grundverbrauch befürchten. Die Rede ist dabei von rund 100 Hektar, die der Neu-Trassierung samt Bahnhofsbauten und der Errichtung von Parkplätzen und anderer Infrastrukturen weichen sollen. „Ich maße mir nicht an, eine Zahl zu nennen, weil ich sie schlichtweg noch nicht kenne“, entgegnet Joachim Dejaco auf die vorgebrachte Kritik. Der Generaldirektor der STA (Südtiroler Transportstrukturen) ist sich dabei des Problems „Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Bürger und Bürgerinnen einzubinden?“ wohl bewusst.
 
 
Wir müssen die intellektuelle Größe besitzen, eingebrachte Vorschläge zu prüfen und gegebenenfalls auch in das Projekt einzubauen.
 
 
Der Wille und die Motivation, das Projekt mit der Bevölkerung und vor allem mit den betroffenen Grundbesitzern zu diskutieren, ist dabei sehr groß. Auch mit dem italienischen Schienennetzbetreiber RFI und der Planungsgesellschaft Italferr, welche mit der Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie beauftragt wurde, habe man sich dahingehend ausgetauscht, dass man sich die nötige Zeit nehmen wolle, um sich mit den Anliegen, Einwänden und Vorschlägen der Bevölkerung ernsthaft und konstruktiv auseinander zu setzen. „Wir müssen die intellektuelle Größe besitzen, eingebrachte Vorschläge zu prüfen und gegebenenfalls auch in das Projekt einzubauen“, ist Dejaco überzeugt und nennt als Beispiel die Gespräche mit der Obstgenossenschaften Vilpian, die von sich aus an einem Lösungsvorschlag für ihre unmittelbare Umgebung arbeitet – unter der Bedingung, dass die vorgeschlagene Bahntrasse beibehalten sowie die benötigte Fläche für Parkplätze und Radabstellplätze zur Verfügung gestellt wird.
 
 
 
 
 
„Ich bin mir darüber im Klaren, dass bei einem Projekt über eine 30 Kilometer lange Strecke nicht alle zufrieden gestellt werden können. Wenn am Ende 95 Prozent zufrieden sind, dann habe ich einen guten Job gemacht“, so der STA-Direktor, der betont, dass man nicht alle Wünsche berücksichtigen könne, aber zumindest viele. Dies habe auch den Vorteil, dass das anschließende Genehmigungsverfahren problemloser abgewickelt werden kann. Mittlerweile wurde von Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider ein runder Tisch mit den betroffenen Gemeinden eingerichtet, bei welchem ein regelmäßiger Austausch erfolgt. Auch Bürgerversammlungen, auf welchen man in einem fortgeschrittenen Stadium das Projekt vorstellen möchte, seien begrüßenswert. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Machbarkeitsstudie allerdings noch nicht fertig ausgearbeitet, gerechnet wird mit der Fertigstellung im späten Frühjahr bzw. Anfang Sommer. „Wir haben die verantwortlichen Planer gebeten, uns bereits fertige Abschnitte zur Verfügung zu stellen“, so der STA-Direktor. Ziel sei es nämlich, so früh wie möglich die Informationen an die betroffenen Gemeinden weiterzuleiten und mit ihnen das Projekt zu diskutieren.
 
 

Der Ausgangspunkt

 
Mit Einführung des Südtirol-Taktes im Jahr 2008 wurde der Versuch unternommen, landesweit Bahn- und Busverkehr optimal zu verzahnen und die Fahrtzeiten aufeinander abzustimmen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Taktknoten bzw. Hauptverkehrsknotenpunkte, die einen problemlosen und zügigen Umstieg ermöglichen sollen. „Damit dieses System funktioniert, müssen die Züge mit einer bestimmten Geschwindigkeit fahren können, um zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten zu sein“, erklärt der Direktor der STA. Am Anfang steht dabei die Ausarbeitung einer sogenannten Linien-Takt-Karte, in welcher die Ankunfts- und Abfahrtzeiten der Züge und Busse festgelegt werden.
 
 
 
 
Auf der Bahnstrecke Mals – Bozen muss man heute noch umsteigen, nach der Elektrifizierung der Vinschger Bahn – die Fertigstellung ist für das Jahr 2025 vorgesehen – und dem zweigleisigen Ausbau sollen die Züge, die in Mals starten, bis nach Bozen bzw. bis zum Brenner und weiter bis Innsbruck und alternierend ins Pustertal bis Lienz fahren können. „Wenn wir den Klimaplan ernst nehmen und die Personen-Kilometer um 70 Prozent gesteigert werden sollen, dann ist das noch zu wenig“, erklärt Dejaco. Daher müsse die Strecke zwischen Bozen und Meran derart ausgebaut werden, dass die Züge aus Mals in Meran im Stunden-Takt ankommen, mit nur zwei Haltestellen nach Bozen weiterfahren und nach 26 Minuten Fahrtzeit in Bozen ankommen – heute benötigt der Zug für die Strecke von Meran nach Bozen 41 Minuten. Voraussetzung dafür ist einerseits, dass der Zug mit einer höheren Geschwindigkeit fahren kann und dass zusätzliche Verbindungen eingeführt werden, weshalb die Strecke von Bozen nach Meran begradigt und zweigleisig ausgebaut werden muss. Ziel ist die Einführung von vier Zügen pro Stunde je Richtung, wobei stündlich zwei Expresszüge mit maximal 120 km/h auf der Strecke Mals-Bozen verkehren sollen, die allerdings zwischen Meran und Bozen nur die Haltestellen Untermais und Bozen Süd bedienen werden. Die „langsameren“ Züge, die ebenfalls halbstündlich verkehren, werden dagegen alle Halte, inklusive der neuen Haltestelle in Sinich, anfahren können. Mit den Expresszügen könnten Pendler aus Rabland zukünftig in rund einer Dreiviertelstunde in Bozen sein. Damit tritt der Zug in Konkurrenz zur MeBo, eine der vielbefahrensten Strecken zwischen den beiden Ballungszentren Meran und Bozen.
 
 

Die neue Trasse

 
Der Trassenverlauf steht im Großen und Ganzen bereits fest, wobei sich allerdings noch geringfügige  Änderungen ergeben können, wie auch bei der Errichtung der vier neuen Bahnhöfe in Sigmundskron, Siebeneich, Terlan und Vilpian. „Insbesondere mit der Verlegung des Bahnhofs in Siebeneich sind weder wir noch die Gemeinde noch die Grundbesitzer glücklich“, so Dejaco, der erklärt, dass man hier nach einer besseren Lösung suchen möchte. Anlass zur Kritik, vor allem vonseiten der Bürger und der Verwaltung, gab auch der geplante Neubau des Bahnhofs in Terlan, der zukünftig außerhalb des Dorfzentrums liegen soll. Wie der STA-Direktor erklärt, wäre die Alternative jedoch eine weiter nördlich gelegene Trassenführung gewesen, für welche wesentlich mehr Grund verbraucht werden müsste. Zudem sei es – nachdem der Bahnhof in einer Kurve liegt – nicht möglich, den derzeitigen Bahnsteig zu erhöhen, um einen barrierefreien Zugang zu den Zuggarnituren zu gewährleisten. Was die Erreichbarkeit betrifft, sei der Weg vom Dorfzentrum zum neuen Bahnhof zwar länger, zu den neuen Wohngebieten, die westlich des Dorfes errichtet wurden, jedoch kürzer. Auch eröffneten sich für die Gemeinde Terlan nach Wegfallen der Bahn-Barriere neue Erweiterungsmöglichkeiten Richtung Süden, wenn gewünscht. Eine Entscheidung, die jedoch die Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde Terlan und ihre Verwaltung treffen müssten.
 
 
 
 
Mit dem zweigleisigen Ausbau wird kurz nach der Haltestelle Kaiserau begonnen, die Trasse folgt anschließend der Bestandsstrecke bis Sigmundskron, wo das Mebo-Center der neuen Zufahrt weichen muss. Im weiteren Verlauf nähert sich die Trasse dem Etschdamm an und führt bis Siebeneich, wo, wie bereits erwähnt, noch Diskussionsbedarf über die Lage des neuen Bahnhofs herrscht. Nach Möglichkeit wolle man ihn am derzeitigen Standort belassen, so Dejaco. Anstatt der derzeitigen Schleife nach Terlan zu folgen, wird die neue Trasse entlang des Etschdammes führen und vor Vilpian in einer begradigten Linie in die Ortschaft führen. Die weitere Streckenführung bis Meran wird mehr oder weniger der Bestandsstrecke folgen, wobei Kurvenführungen begradigt werden. Nachdem die neue Trasse über weite Strecken an und in der Nähe der heutigen Gleisanlagen gebaut wird und sie daher während der Bauarbeiten nicht befahren werden kann, werden sich die Pendler aus dem Vinschgau auf einen längeren Bus-Ersatzdienst einstellen müssen. Wie Direktor Dejaco erklärt, ist die Inbetriebnahme der Linie zwischen 2030 und 2035 geplant. Das nächste Projekt – der Ausbau der Pustertaler Linie  – steht aber schon in den Startlöchern: Die Arbeiten an der Linien-Takt-Karte haben bereits begonnen, langfristiges Ziel sei die Einführung von Express-Zügen zwischen Bruneck und Brixen, um auch diese Strecke wettbewerbsfähig gegenüber dem Auto zu machen – auch was die Fahrtzeit betrifft. „Denn hinsichtlich Komfort ist der Zug jetzt schon die bessere Wahl“, so der Direktor der STA.